
der Capitán seinen Passagieren und deren Damen anbot, kam wie
sich voraussehen liess, nicht zu Stande; ein so öffentliches Erscheinen
japanischer Damen von Rang wäre ganz unmöglich. Das emancipirte
Wesen der westländischen Frauen und ihre öffentliche Vertraulichkeit
mit dem männlichen Geschleckt ist den Japanern ein Grauen; sie
sahen so heisst es in dem Tagebuche eines Mitgliedes der Gesandtschaft
'■ mit Schauder, dass Männer den Frauen, und, wie
sie mit Gewissheit erfuhren, sogar ihren eigenen rechtmässigen Frauen
auf der Strasse den Arm gaben. Das Umfassen der Damen beim
Tanz in anständiger Gesellschaft empörte ihr Sittlichkeitsgefühl auf
das höchste. Nur einigen jüngeren Mitgliedern der Gesandtschaft
schienen die amerikanischen Sitten nicht eben missfallen zu haben;
namentlich vergoss ein jugendlicher Dolmetscher, welcher der verwöhnte
Liebling der Damen gewesen war, beim Scheiden bittere
Thränen, und schalt noch in unserer Gegenwart unverhohlen seine
Landsleute »fool Japanese«, weil sie sich die westländischen Sitten
nicht aneigneten./—. Der Commandant des Niagara, welcher die aus
achtzig Personen bestehende Gesandtschaft um das Cap der Guten
Hoffnung zurückgeführt hatte, wusste deren Benehmen an Bord
nicht genug zu rühmen; nur mit dem Licht waren sie, wie in ihrer
Heimatli, unvorsichtig, und hatten das Schiff wiederholt in Feuersgefahr
gebracht.
Die Ausschiffung der Gesandten in Y e d d o ging ohne jede
Feierlichkeit von japanischer Seite vor sich; der Niagara aber sandte
ihnen einen Salut aus seinen schweren Geschützen nach. Sie hatten
den amerikanischen Officieren eine glänzende Aufnahme in Aussicht
gestellt, und in der That liess der Minister des Auswärtigen dem
Commandanten bei seiner Ankunft sagen, dass die Mannschaften
während ihres Verbleibens auf der Rhede Gäste des T a ik ü n sein
sollten. Er wies den Officieren einen Tempel als Wohnung am
Lande an, wo sie auf kaiserliche Kosten verpflegt und aller möglichen
Genüsse theilhaft werden, auch täglich Pferde zu Exeursionen
erhalten sollten; »nur weibliche Bedienung müsse man versagen,
weil Y e d d o dem Handel noch nicht geöffnet sei.« Als sie aber einzogen
erwies sich der zum Kochen bestimmte Raum ganz unbrauchbar,
und sie lebten den ersten Tag von harten Eiern. Auch stellte man
ihnen nur wenige Pferde; »mehr als zehn«, hiess es, »seien in Y e d d o
nicht aufzutreiben«, die Zahl der Gäste aber betrug über das Doppelte.
Sie wurden grausam enttäuscht und sahen sich durch ein Diner
beim Minister A n d o - T s u s - s im a - n o - k a m i keineswegs entschädigt.
Dieser schien auf solche Feste wenig eingerichtet; er liess den
preussischen Gesandten bitten, ihm einige Tische zu leihen, an denen
A k a b a n e eben keinen Ueberfluss hatte. - Von Sendung frischer
Nahrungsmittel an Bord des Niagara war in den ersten Tagen gar
nicht die Rede; sie erfolgte erst, als der amerikanische Minister-
Resident die Regierung in einem sehr deutlichen Schreiben an ihr
freiwillig gegebenes Versprechen erinnerte. Die schlechte Auihahme
hatte sicher ihren Grund mehr in der geschäftlichen Unbehplfenheit
als im bösen Willen der Japaner, aber die Folgen waren ebendieselben,
und man kann es den Amerikanern nicht verargen, wenn
sie nach dem glänzenden Empfang der Gesandtschaft in ihrer
Heimath und-deren grossen Verheissungen etwas Anderes erwarteten.
— 'Herr Harris erhielt dürch den Niagara zweiSendungen aus New-
York, welche ihn in hohem Maasse belustigten: einen Brief von
Barnum, dem bekannten Grossmeister des Humbug, mit dem Ersuchen
um Besorgung eines japanischen Paares zu dem bevorstehenden
Völkercongress; am liebsten wären ihm Taschenspieler oder
derartige Künstler, die<lLeute sollten gut bezahlt werden, auch könne
der Minister-Resident auf hübsche Provision rechnen. — Die andere
Sendung bestand in zwei Dutzend Flaschen bitteren Schnapses,
zwölf für den T a ik ü n , und zwölf als Bestellgeld für Herrn Harris,
der sie mil einein Schreiben des Fabrikanten überreichen sollte.
Der Brief war adressirt »To his Imperial Sovereign the Tycoon of
Japan« und begann mit den Worten »Dear Sir«.
Als der Niagara in H o n g k o n g anlegte, meldete sich bei dem
Commandanten ein Japaner, der elf Jahre vorher nach San Francisco
verschlagen worden war und jetzt zu wissen wünschte, oh Schiffbrüchige
in seinem Vaterlande noch so hart behandelt würden wie
sonst. Der Capitän nahm den Mann an Bord und überantwortete
ihn in Y e d d o dem Schutze des Minister-Residenten, welcher ihn
der Regierung erst auf das feierliche Versprechen auslieferte, dass
er seiner Familie' zürückgegeben und in keiner Weisr. belästigt würde.
Er musste sich natürlich wieder auf japanische Weise kleiden, das
Haar scheeren und den landesüblichen Schopf drehen lassen.
Der Niagara ging am 19. November nach Y o k u h a m a , traf
dort jedoch zu spät ein, um den Officieren, wie beabsichtigt war,
die Theilnahine an der Einweihung des russischen Denkmals zu
gestatten.