
und bescheiden, zugleich aber so unbefangen und zwanglos, wie
man es nur bei Gleichberechtigten findet. Die gute, oft kostbare
Kleidung der Frau beweist, dass sie am Wohlstände des Mannes
den gebührenden Antheil nimmt, die Reinlichkeit, Decenz und Sorgfalt
des Anzuges, dass sie sich achtet. Selten begegnet man, selbst
hei bejahrten Frauen, äusserer Vernachlässigung; die milden, würdigen
Züge mancher Matrone reden deutlich von sittlichem Beruf und befriedigender
Lebensstellung. Die japanische Geschichte bewahrt
viele Beispiele von ausgezeichneten Frauen, solchen die in Dichtkunst,
Musik und Gelehrsamkeit geglänzt, und anderen, die durch
Geistesgrösse Einfluss auf die Geschicke des Landes geübt oder selbst
ruhmvoll das Scepter geführt haben. — V enn Golownin einen seiner
japanischen Freunde am Hochzeittage seiner Tochter in Thränen
der Rührung findet, die aus' Besorgniss um deren Zukunft vergossen
werden, so muss ein sittliches Eheglück wohl als hohes
Lehenserforderniss gelten.
Der Japaner heirathet eine rechtmässige Frau, die sich vom
Augenblick der Verlobung an die Augenbrauen ausrupft und die
Zähne schwarz färbt. Dieser sonderbare Gebrauch geht durch alle
Stände und lässt sich kaum anders als aus einer übersittlichen Auffassung
der Ehe erklären: die Braut entstellt sich, um keinem Anderen
mehr schön zu erscheinen und ihrem Gatten nur durch innere Vorzüge
zu gefallen; die Sinnlichkeit — aber freilich gerade die höhere Sinnlichkeit
— wird symbolisch aus der Ehe verbannt. Aber dieser
Fanatismus der Reinheit trägt seine bitteren Früchte, denn während
die Frau dem Gatten die unverbrüchlichste Treue schuldet, — schon
der leise Verdacht der Untreue berechtigt ihn zu schwerer Rache17)
— geniesst der Mann ohne Schande der grössten Licenz. Dieser
soll auch das Recht haben, seine Frau unter gewissen, nicht näher
bekannten Umständen zu verstossen. Das Ehebündniss gilt nach
allen Anzeichen als reines Familien - Ereigniss, und scheint mehr
durch anerkannte Gebräuche als durch bürgerliche Gesetze geschützt
zu sein, zum Staat und Cultus aber in keiner Beziehung zu stehen.
Den 23. Octoher Abends zeigten unsere Hausheamten dem
Gesandten an, dass am folgenden Tage die Fürstin von B u n g o ihren
Bruder, den T a ik ü n besuchen, und die ganze von ihr zu passirende
17) Der Maim soll das Recht haben seine Frau zu tödten, wenn er sie allein
mit einem Anderen im Zimmer findet.
Strecke dann abgesperrt sein würde. Wir richteten deshalb an 24. octbr.
diesem Tage unseren Spazierritt nach den westlichen Umgebungen
und wurden von den geleitenden YAKUNisen zu einem entfernten S i n t o -
Tempel geführt, von dem selbst der landeskundige Heusken nicht
wusste. Der Weg bietet eine Reihe der anmuthigsten Landschaften;
man durchschneidet bald dorfartige Vorstädte, — deren Bevölkerung
in hellen Haufen herbeiströmte, — bald üppige Thäler, schattige
Gehölze und Hohlwege. Bald gucken freundliche Landhäuschen
und Gehöfte einladend über grüne Gartenhecken, bald fassen düstere
Zäune den Weg ein, überragt von den hunderljährigen Wipfeln
vornehmer Park-Anlagen. — Der Tempel der Zwölf Götter, —
Dzu- ni- so, — liegt auf einem von schlanken Tannen und Föhren v
beschatteten Sattel, zwischen zwei Bächen; der obere braust in
Cascaden schäumend durch Felsenufer, der andere ist in der Nähe
des Tempels künstlich zum Teich aufgedämmt, und fliesst von da
geklärt und plätschernd in sanften Windungen durch das Waldesdunkel
der Senkung, um sich weiter unten mit dem ungestümen
Bruder zu verbinden. Moosbewachsene Felstrümmer und dichter
Rasen bedecken die Hänge, und von der jenseitigen Höhe blickt
man in ein grünes friedliches Ackerthal. Der Tempel ist anspruchslos
aber zierlich aus Holz gebaut, das Dach aus Stroh und Rohr, -—doch
muss man sich unter dem japanischen Strohdach nichts unseren
deutschen ähnliches denken; es hat, besonders hei den Tempeln,
architektonische Formen, wird auf der First durch hölzerne Böcke
zusammengehalten, zwischen denen Bambusrohre laufen, und ist so
sauber und künstlich beschnitten, dass es von Weitem wie gegossen
oder behobelt erscheint. An dem Tempel von Dzu- ni- so ladet der
spitze Vordergiebel in geschwungener Linie über dem Eingänge aus
und bildet dort eine von Pfeilern getragene Halle; Füllungen und
Balkenköpfe sind geschnitzt. Die hinter dem Tempel stehende Capelle
für das Gohei ist ein vergitterter Schrein ohne Eingang, ebenfalls
mit zierüch geschwungenem Rohrdach. Eine breite röhren - Allee
mit hölzernem Tooei stösst auf die Hauptfagade des Ileiligthumes,
zu dessen Eingang Stufen hinanführen; steinerne Ungeheuer, — die
koraischen Hunde, — und bronzene Wasserkübel stehen zu beiden
Seiten davor. Neben, dem Tempel hegt ein sehr ländliches Thee-
liaus, und von dem künstlichen Damm sind Pavillons aus Holz und
Rohr in den Teich hinausgebaut, wo die Gäste sieh zum heiteren
Schmause niederlassen und am Füttern der grossen Goldkarpfen
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