
bei den M a t s u r i und anderen Festlichkeiten, wo sie, mit Weib und
Kind umherziehend, musiciren und betteln. Ihre Töchter gehören
meist zum Orden der K um a n o - B ik u n i , weltlicher Nonnen ohne
ascetische Gelübde, die sich vielfach auf den Landstrassen umhertreiben
um den Reisenden durch Gesang und Scherz die Zeit zu
vertreiben. Auch die Y a m am b o ’s haben durchaus nichts Heiliges;
sie tragen weltliche Tracht, ein Schwert im Gürtel, einen Rosenkranz
und Knotenstock, eine Muschel auf der sie blasen und eine Art
Skapulier mit den Zeichen ihres Grades, denn es giebt Rangstufen,
welche von dem Oberhaupt in M ia k o verliehen werden. Nach
Kämpfer wäre die Brüderschaft sehr alt und aus dem SiNio-Dienst
.hervorgegangen, — wozu auch stimmt, dass sie verheirathet sind, -
ein Einsiedler-Orden, dessen Mitglieder ascetisch lebten und als
Bussübung hohe Berge bestiegen. Die reicheren sollen eigene Häuser
am Abhange des F u s i - y a m a bewohnen; die meisten machen aber
wohl aus der Bettelei ein Gewerbe, und nähren sich durch Geisterbeschwörungen,
Quacksalberei, Wahrsagen, Entdeckung von Dieben
un,d dergleichen Gaukeleien auf Kosten des abergläubischen Volkes.
— Die beiden Brüderschaften der Blinden sollen in ihren Gebräuchen
von denen der Y am am b o ’s nicht sehr abweichen; ihre Entstehung
knüpft sich an Legenden: die der älteren an einen M ik a d o -Sohn
der grauen Vorzeit, der sich nach dem Verlust seiner Geliebten
blind weinte und zu ihrem Andenken die Brüderschaft gründete;
die der jüngeren an eine Episode aus dem Kriege der G e n s i und
F e ik e 1S). Ein Heerführer der letzteren, den Y o r it om o gefangen
hat und durch Grossmuth und Gnadenbezeugungen zu gewinnen
hofft, reisst sich in dessen Gegenwart beide Augen aus, mit dem
Geständniss ihm zwar Dankbarkeit zu schulden, aber doch, so
lange er ihn sehe, seinen tödtliehen Hass nicht unterdrücken zu
können. jSH Es gibt noch andere Bettel-Brüderschaften, weltlich
und geistlich, daneben aber auch achtbare Mönchs- und Nonnen-
Orden, vorzüglich in den Klöstern von M ia k o .
Die Toleranz der Secten untereinander, von der die portugiesischen
Missionare reden, ist noch heute dieselbe; oft sollen sich
die Mitglieder einer Familie zu den verschiedensten Lehren bekennen
und dabei in bester Eintracht leben. Nicht das religiöse Bekenntniss,
sondern eine gewisse practische Sittenlehre verbindet das Bewusstsein
aller Stände und Secten. »Wer reinen Sinn und Wahrheit
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hegt, redlich lebt und handelt, ist den Göttern auch ohne Gebet
und Tempelbesuch angenehm.« Ein Vers dieses Sinnes ist in Jedermanns
Munde, sehr bezeichnend für den ethischen Standpunct des
Volkes. Wer das einträchtige, heitere Familienleben, die Achtung
und Sorgfalt für das Alter, Frauen und Kinder, die anständige Höflichkeit
des geselligen Verkehrs unter den Japanern gesehen hat,
kann sich der Ansicht nicht verschliessen, dass sie trotz manchen
Auswüchsen auf einer erheblichen Stufe der sittlichen Bildung stehen.
Tritt man in die Häuser der arbeitenden Classen, so findet man die
jüngeren Männer in emsiger Thätigkeit, mit zufriedenen, heiteren
Gesichtem, die älteren F'amilienglieder um den Theetopf hockend,
ihre Pfeifchen rauchend, schmucke Frauen und Mädchen bei den
häuslichen Besorgungen und hübsche, fröhliche Kinder um sie her
in munterem Spiel. Wohnung und Hausrath sind auch bei den
unbemittelten Ständen reinlich und ordentlich, so viel es Gewerbe
und.Beschäftigung zulassen; man sieht wohl Flickwerk, aber nichts
Zerrissenes, weder Schmutz, noch Lumpen und Scherben. Im Einklang
mit dieser anständigen Behaglichkeit der Wohnung stehtauch
die körperliche Reinlichkeit der Japaner; die meisten baden täglich,
sei es zu Hause in Wannen, sei es in den öffentlichen Badehäusern,
deren es in allen Strassen giebt13).
Freunde und Nachbarn leben wie bei uns in geselligem Verkehr
mit einander; man ladet einander ein, macht Landparthieen und
ergötzt sich in unbefangener Unterhaltung. Die grösste Lust des
japanischen Bürgers ist, den schönen Festtag mit Frau und Kind
und guten Freunden in der freien Natur zuzubringen; man besucht
die Todtenäcker, K a m i -Höfe und schöngelegene Theehäuser; die
Aelteren ergehen sich in heiteren Gesprächen, die Jüngeren spielen
gesellige Spiele, angeln oder schiessen mit kleinen Bogen nach der
Scheibe,» beides Vergnügungen, denen auch die weibliche Jugend
sehr hold ist" Man möchte bei anderen asiatischen Völkern vergebens
nach solcher Lebenslust und Genussfähigkeit suchen, "denn
China, wo es vor Zeiten gewiss ähnlich war, ist heut eine Ruine.
13) Der "Verfasser fand oft bei seinen Streifereien auf dem Lande die Leute
selbst im Spätherbst vor ihren Häusern in den Badewannen sitzend. Die öffentlichen
Badehäuser sind durch eine Holzwand in zwei grosse Bäume getheilt, einen für die
Männer, den anderen für Frauen und Kinder. Es geht dort sehr lustig her, und da
beim Japaner die Nacktheit keine Schaam erregt, so kann der Fremde ohne Scheu
eintreten und dem Getreibe zuschauen.