
alle seine Trabanten dem Elend; der Nachfolger bringt seinen eigenen
Hofstaat, seine Soldaten und Beamten mit. Daher sind denn auch
alle S a m r a i ihren Lehnsherren mit unverbrüchlicher Treue ergeben;
sie gehen auf deren Befehl willig in den Tod und rächen unaufgefordert
jede ihm widerfahrene Beleidigung; die Ehrenpflicht gilt
mehr als das bürgerliche Gesetz. Das H a r a k ir u rettet vor dem
weltlichen Gericht, selbst die Verfolger des Mörders treten ehrerbietig
zurück sobald er Hand an sich legt; so geschah es noch kürzlich
bei Ermordung des Regenten. Bekannt ist die Geschichte der
fünfunddreissig Louise, die, nachdem sie den Tod ihres Herrn an
dessen Gegner gerächt, sich um sein Grab versammeln und nach
feierlicher Anrufung seiner Manen sich sämmtlich den Leib aufschlitzen.
In alter Zeit war es allgemeine Sitte, dass die nächsten Untergebenen
und Leibdiener eines D a im io sich gleich nach dessen Tode entleibten,
und der Eanatismus der Loyalität ging so weit, dass bei dem Bau
von Festungsmauern die Trabanten des Bauherrn oft um die Gnade
bäten, sich lebend unter die Fundamente begraben zu dürfen, da
nach dem Volksglauben solche Festen für uneinnehmbar galten,
deren Mauern auf lebendige Leiber gesetzt werden.
Wie die Diener für den Herrn, so treten auch die Herren
für ihre Untergebenen ein. Titsingh erzählt Folgendes: Ein D a im io ,
dessen Trabanten von denen eines anderen Fürsten überfallen
wurden, verlangt persönlich von diesem den Tod der Schuldigen.
Auf dessen Weigerung droht er sich sofort zu entleiben, und der
Andere muss nachgeben, um ferneres Blutvergiessen und eine dauernde
Familienfehde zu verhüten. Denn, schützte sich Jener den Leib auf,
so war auch er zum H a r a k ir u verpflichtet und es folgte eine
unabsehbare Reihe von Morden.
Der fanatische Ehrgeiz der S a m r a i erzeugt besonders in Y e d d o ,
wo deren so viele, — man sagt gegen 300000, — sich aufhalten,
beständig blutige Händel. Die meisten sind privilegirte Müssiggänger
und in Folge dessen ausschweifend und hochfahrend. Gelage,
Kartenspiel und Dirnen bilden die gefährlichen Leidenschaften des
flotten S a m r a i , so dass es an Reibereien nicht fehlen kann. Auch
die Partheisteilung, Rangstreitigkeiten und persönlichen Fehden der
Grossen übertragen sich auf ihre Trabanten. Je vornehmer der
Herr, desto übermüthiger der Diener. Die Soldaten von S a t s u m a
sind' besonders gefürchtet als heissblütig, gewaltsam und händelsüchtig;
sie duldeten früher niemand unter sich der die kleinste
Kränkung nicht blutig rächte. Der regierende Fürst wurde damals
unablässig mit Klagen bedrängt und machte endlich, ungeneigt den
kriegerischen Geist zu unterdrücken, seinen hochfahrenden Trabanten
einfach bekannt, dass er zwar niemand verbiete, Beleidigungen zu
rächen, aber nach jedem Todtschlage vom Thäter die sofortige
Vollziehung des H a r a k ir u erwarte. Die Gewaltthaten sollen darauf
seltener geworden sein. — Die Grossen sehen mit Stolz auf die
ritterliche Unnahbarkeit und Fehdelust der Ihren und fördern sie
auf jede Weise, daher auch die Schwierigkeit, Schuldiger habhaft
zu werden. Denn die D a im io ’s haben hundert Mittel und Wege
ihre Anhänger zu bergen ohne dessen bezüchtigt werden zu können;
Verrath aber ist bei der Loyalität der S a m r a i niemals zu fürchten.
Das mit Todesstrafe belegte Verbot, auf der Strasse eine Klinge
zu entblössen, wird in YEnDO vielleicht täglich gebrochen. Wir
selbst erlebten im October ein Beispiel straflos verübter Gewalt.
Der französische Geschäftsträger hatte in seinem Hause —
als »Gardien de pavillon« — einen gewissen Natale, geborenen
Italiener, auf dessen Treue und Anhänglichkeit er grosse Stücke
hielt. Dieser scheint sich durch etwas provocirende Haltung und
eine reiche Sammlung von Dolchen und Pistolen in seinem Gürtel
die Feindschaft der Zweischwertigen aus der Nachbarschaft zugezogen,
und an kleinen Conflicten mit denselben, in die er wiederholt gerieth,
ein romantisches Vergnügen gefunden zu hahen. Eines Borgens
scherzt er vor der Thür des Gesandtschaftstempels mit den YAKUNmen
der Wache, als ein S a m r a i quer über die Strasse auf ihn zukommt
und seinem Hündchen einen derben Tritt versetzt. Natale upd seine
Gefährten reinonstriren, da zieht Jener das Schwert und führt einen
kräftigen Hieb nach des Ersteren Kopf. Dieser parirt glücklich mit
dem linken Arm und schiesst seinen Revolver auf den hurtig
entweichenden Angreifer ab-, fehlt jedoch und kann wegen der
zuströmenden Volksmenge keine zweite Kugel feuern. Der S am r a i
entkommt mit dem blutigen Schwert in der Faust, die YAKUNine
der Wache geben sich nicht einmal den Anschein ihn zu verfolgen.
Natale trug eine klaffende Fleischwunde im Oberarm davon, die
bald wieder zuheilte. Herr von Bellecourt forderte natürlich von
der Regierung die Bestrafung des Thäters und liess nicht ab mit
eindringlichen Vorstellungen; es konnte den Japanern nicht schwer
sein, dessen Person festzustellen, denn der Angriff geschah bei
hellem Tage, in Gegenwart der YAKumne und vieler Vorübergehenden;