
Arm und dem Oberkörper durchgegangen, hatte aber auf beiden
Seiten das Fleisch nur leicht geritzt. Der Körper war so steif und
schwer, dass wir ihn kaum regieren, und den Obertheil nothdürftig
bekleiden'konnten. Er verlangte darauf etwas Wein und dankte
in schwachen Lauten den Umstehenden: wir legten ihn in das gewärmte
Bett und wandten ihn auf die linke Seite, worauf er einzuschlafen
schien.
Dr. Lucius hatte dem Verwundeten Hoffnung eingesprochen
und nannte gegen uns die Verletzung auch nur unbedingt lebensgefährlich,
um das Wort »tödtlich« nicht im Zimmer des Leidenden
laut werden zu lassen. Er blieh mit dem Abbé Girard bei dem
Kranken, während die übrigen Mitglieder unserer Legation nach
A k a b a n e zurückkehrten, um dem Gesandten Rechenschaft zu geben
und die Wachenden später ahzulösen. Herr Heine kehrte gleich
mit den Nachtkleidern für sich und Dr. Lucius nach der amerikanischen
Gesandtschaft zurück und kam noch zeitig genug, um
Heusken sterben zu sehen. Dieser wurde gegen Mitternacht unruhig,
verlangte mehr Wein, und bat man möchte ihn aufrichten. Der
Abbé Girard reichte dem Scheidenden die Sterbesacramente ; derAthem
ward röchelnd und stockte ; — er schlief ohne Zeichen des Schmerzes
hinüber. Herr Harris weinte bitterlich bei der Leiche; Dr. Lucius
blieb die Nacht dort, um ihm nahe zu sein.
Der Arzt sprach sich dahin aus, dass die Hiebwunde im
Unterleib unter allen Umständen den Tod herbeiführen musste, das
s c h n e lle Hinscheiden aber nur durch den furchtbaren Blutverlust
verursacht sei. Von dem Augenblick der Verwundung bis zur
Leistung der ärztlichen Hülfe vergingen sicher fast anderthalb Stünden;
Heusken hatte den grössten Theil dieser Zeit auf der Strasse
gelegen und sich verblutet. Er schlummerte in Folge dessen sanft
hinüber, während sonst nach ärztlichem Gutachten heftige Entzündung
eintreten musste, an welcher er nach einigen Tagen wahrscheinlich
unter grässlichen Schmerzen gestorben wäre.
Der Thatbestand tfes Angriffs konnte nicht mit Sicherheit
festgestellt werden. Heusken ritt mit drei YAKUNmen nach halb
neun auf dem gewöhnlichen Wege in kurzem Trab nach Hause; er
trug ausser einer starken Hetzpeitsche niemals Waffen. E ü i Y a k u n in
ritt voraus, zwei dicht hinter ihm ; nebenher liefen die vier B e t t o ’s
mit Laternen, deren auch die Y a k u n in c hatten. Der Angriff erfolgte
etwa halbwegs zwischen beiden Gesandtschaften an einer Stelle wo
die Strasse sich verengt: hier stürzten sieben bis acht Bravo s mit
furchtbarem Gebrüll aus einer Nebengasse hervor, schlugen die
Laternen aus, rannten die B e t t o ’s nieder und warfen sich auf ihr
Opfer. Heusken sah ein Schwert blitzen und einen Stoss nach seiner
linken Seite führen, dem er ausgewichen zu sein glaubte; wir fanden
die Verletzung auf der inneren Seite des Armes. Von dem tödtliclien
Hiebe, welcher von der rechten Seite erfolgte, fühlte er bei der
furchtbaren Schärfe der Waffe garnichts; er glaubte sich befreit,
ritt in scharfem Trabe noch einige hundert Schritt und hol! e seinen
B e t t o ein, befahl diesem, sich schwach fühlend, das Pferd zu
halten, stieg mit seiner Hülfe ab und versuchte zu Fuss weiter zu
gehen, sank aber nach einigen Schritten zusammen. Soviel, und
dass man ihn eine halbe Stunde allein auf der Strasse liegen liess,
hatte Heusken selbst noch erzählt, alles Uebrige blieb dunkel. Nach
Aussage der Y a k ü n in 6 wären zwei von ihnen bei ihm gebheben,
der dritte aber weitergeritten um Hülfe zu holen; dieser hätte bald
gemerkt dass sein Thier verwundet sei und nicht weiter könne, er
hätte es an einen Zaun gebunden, seinen Weg zu Fuss fortgesetzt
und wäre dann mit Leuten zurückgekehrt, die Heusken nach Hause
getragen hätten. - Man fand in der That das Pferd mit einer tiefen
Hiebwunde in der Kruppe nahe bei der Mordstelle angebunden; im
Uebrigen aber musste dieser Bericht ungenau sein. Die Entfernung
vom Schauplatze der That bis zur amerikanischen Legation beträgt
zu Fusse höchstens zehn Minuten: wie konnten anderthalb Stunden
vergehen,, bis wir in A k a b a n e Nachricht erhielten? Wenn auch dem
Verwundeten die Zeit, die er auf der Strasse lag, länger erschienen
sein mag als sie war, so liess sich doch aus seiner Aussage abnehmen,
dass er eine Zeit lang a lle in dort liegen blieb. Wahrscheinlich
ergriffen alle Japaner, seihst die sonst so treuen und muthigen
B e t t o ’s , im Entsetzen des Augenblicks die Flucht und eilten nach
Hause, glaubend dass Heusken, den sie ja weiterreiten sahen, folgen
würde. Sein eigener B e t t o , den er einholte, blieb wohl eine Weile
bei ihm, ging aber natürlich, da niemand herbeikam, endlich Hülfe
zu holen. — Man riss dann einen Laden vom nächsten Hause und
benutzte ihn als Bahre.
Es war eine furchtbare Nacht. Wir waren so an Heuskens
Umgang gewöhnt und hatten ihn noch vor wenigen Stunden so
voller Lebensfrische gesehen, dass man den Gedanken garnickt
fassen konnte. Am 20. Januar sollte sein Geburtstag begangen