
Behörde, um nicht alles Ansehn zu verlieren, wohl selbst mit
Gewalt deren Ausschreitungen unterdrücken. Jagt jemand unbefugter
Weise in: einem europäischen Lande , so verfällt er dem
Gesetze, und der Jagdhüter, der ihn ertappt, wird sich schwerlich
mit seiner Visitenkarte begnügen. In Japan aber gibt es keinen
Fussbreit herrenlosen Landes, allgemeine Jagdfreiheit besteht
dort ebensowenig als bei uns, und doch sahen die Fremden in
Y o k u h a m a jedes Zurückweisen in ihre Schranken als tödtliche Beleidigung
an, für das der diplomatische Vertreter Genugthuung, wo
möglich auch Geldentschädigung schaffen sollte. Die Befreiung
jenes Hamburger Commis aus den Händen der Polizei war nach
juristischen Begriffen eine Art Strassenraub, die Japaner waren
darüber heftig erbittert und Hessen die grimmigsten Drohungen
laut werden. Vier der Herren Jäger, darunter der Festgenommene,
fühlten sich denn auch auf japanischem Boden ihres Lebens nicht
mehr recht sicher und wanderten mit der nächsten Schiffsgelegenheit
nach China aus, woran sie gewiss sehr wohl thaten.
Ein anderer Zusammenstoss lief bedauerlicher ab. Der englische
Kaufmann M. kam am 27. November gegen zwei Uhr von der Jagd
zurück und zog am hellen Tage, seinen Betto mit dem Gewehr und
einer erlegten Gans hinter sich, durch die Strassen von K a n a g a v a .
Hier kam es zum Conflict mit einigen Polizeibeamten, die sich seiner
versichern wollten; im Gedränge ging der Schrotschuss seiner Flinte
los und zerschmetterte einem der YAKUNnse den Arm. Herr M.
wurde darauf nieder geworfen, gebunden, und in das nächste Haus
geschleppt, wo man ihm die Fesseln erst regelrecht in sehr schmerzhafter
Weise anlegte. Die Polizeibeamten scheinen es im Handgemenge
auch an Schlägen und Püffen nicht fehlen, gelassen zu
haben, was bei dem Widerstande des Gegners sehr erklärlich ist.
Er wurde gegen Abend in einem Boot nach dem Fort von K a n a g a v a
gebracht und dort in einen geräumigen Käfig gesperrt, wo ein
japanischer Arzt seine Schrammen und Beulen bepflasterte. — Dem
englischen Consul machten die japanischen Behörden von der Verhaftung
nicht die schuldige Anzeige, Capitän Vyse erfuhr sie erst
spät und konnte von dem Vice - Gouverneur von Y a k u h a m a keine
weitere Auskunft erlangen. Dort herrschte unter den Fremden
grosse Aufregung, man trug sich mit den abentheuerlichsten Gerüchten;
die Kaufleute befürchteten gleich das Schlimmste, rotteten
sich, mit Revolvern und Flinten bewaffnet, zusammen und mussten
von den Consuln zur Ruhe verwiesen werden. Diesen blieb nichts
übrig, als noch in der Nacht den Gouverneur von K a n a g a v a aufzusuchen;
sie konnten aber wegen der späten Stunde keine japanische
Escorte erlangen. Capitän Sundewall, der grade mit der
Arkona vor Y o k u h am a lag, beorderte deshalb zu ihrer Sicherheit
ein armirtes Boot in die Nähe der Gouverneurwohnung, lehnte aber
die Zumuthung, eine grössere Zahl Matrosen zum Schutze der
Ansiedelung auszuschiffen, wozu gar keine Veranlassung war, mit
Bestimmtheit ab. Capitän Vyse begab sich mit dem französischen
Geschäftsträger und dem holländischen Consul zum Gouverneur, um
sein durch den Vertrag verbürgtes Recht auf den Gefangenen zu
vindieixen, konnte aber erst gegen zwei Uhr Morgens dessen Auslieferung
erwirken und brachte ihn dann in seiner Amtswohnung
zur Haft.
Die Gefangenhaltung des Herrn M. auf dem englischen Consulat,
wo er nach eigenem Geständniss auf das rücksichtsvollste behandelt
wurde, war nach dem Geschehenen nothwendigj nicht nur um den
Forderungen der Gerechtigkeit Zu genügen, sondern auch für seine
eigene Sicherheit; er wäre sonst schwerlich mit dem Leben davongekommen.
Die Blutrache ist den Japanern heilig, unter den YAKUNiNen
herrschte wüthende Erbitterung, der Verwundete und seine Verwandten
forderten laut das Leben ihres Feindes. Der Schrotschuss
hatte Jenem den Oberarm vollständig zermalmt; alle englischen und
amerikanischen Aerzte hielten die Amputation für unumgänglich, und
erlaubten dass sonst unfehlbar der Brand eintreten müsse. Aber zur OA
mputation war die Einwilligung seiner Vorgesetzten in Y e d d o und
seiner Eltern in N a n g a s a k i erforderlich, die so bald nicht eintreffen
konnte; man musste den Armen seinem Schicksal und der Behandlung
der japanischen Aerzte überlassen. Glücklicherweise ist das
Blut der Ost-Asiaten nicht so entzündlich wie das unsere: der Brand
trat zum grössten Erstaunen der fremden Aerzte nicht ein, und
wenn auch der Arm verkrüppelt blieh, so wurde der Patient doch
im Uebrigen ganz' gesund.
Die Voruntersuchung begann mit der eidlichen Vernehmung
des Angeklagten, dessen Erklärung den übereinstimmenden Aussagen
aller bei dem Auftritt betheiligten Japaner im wesentlichsten Puncte
widersprach. Ineulpat gestand, die Hähne seiner Flinte gespannt
und mit der Drohung zu schiessen auf die Y a k u n in c angelegt zu
haben; er hätte sie dann aber abgesetzt und wäre in dem Augenblick