
6 Japanische Politik. VI.
sechshundert Jahren, sich wiederholt seiner Person zu bemächtigen
gesucht. Die Dynastie der M in a m o t o kämpft einen ernsten Kampf
um ihre Existenz und hat sich zu Demüthigungen vor dem M ik a d o
.verstehen müssen, wie sie seit Jahrhunderten unerhört waren. Sie
b r a u c h t dessen Autorität vor dem Volke, um das Staatsruder in
Händen zu behalten, die Verträge mit den Fremden sind ihr nur
eine secundäre Frage; die Regierung des Ta'ikun ist offenbar sich
selbst nicht klar, ob sie ihre Herrschaft besser durch Vertreibung
der Ausländer oder durch Aufrechthaltung der Verträge sichern
könne. Von beiden Seiten ist die Gefahr gross, daher die beständigen
Schwankungen. Die Vertreter der westlichen Mächte haben in den
letzten Jahren dem G o r o d z io wiederholt ihre tliätige Hülfe zur
Unterdrückung der rebellischen Fürsten angeboten; aber ein solches
Bündmss schien den Ministern wegen des nationalen Stolzes der
Japaner immer zu gefährlich, und würde in der Tliat wahrscheinlich
das Volk auf die Seite des Feindes bringen. Man hat daher gegen
jeden selbständigen Angriff der Fremden auf die rebellischen Fürsten
immer laut protestirt, solchen aber stets gern gesehen und im Stillen
unterstützt. Es ist ein beständiges Laviren. Zu Zeiten ging die
Regierung so weit, den fremden Vertretern öffentlich die Verträge
zu kündigen und die Räumung von Y o k u h am a zu verlangen, be-
zeichnete aber zugleich im Vertrauen diese Maassregel als eine
blosse Form, die nur zur Erhaltung des guten Einverständnisses mit
dem M ik a d o nothwendig sei. Dann wieder, wenn es unmöglich
schien sich auf diese Weise zu halten, wurde die Räumung von
Y o k u h am a allen Ernstes verlangt, die Lebensmittel abgeschnitten
und eines schönen Tages alle Japaner aus der Niederlassung entfernt.
In solchen Fällen brachte das kategorische Auftreten der fremden
Vertreter und Geschwader - Commandanten die japanischen Behörden
meist bald zur Besinnung und Herstellung des alten Verhältnisses.
In Wahrheit scheint die Regierung von Y e d d o den Ausländem im
Princip weder feindlich noch besonders geneigt zu sein. Die Verträge
sind ihr abgedrungen worden; sie wird dieselben gern erfüllen, wenn
sie dadurch ihre Macht im Innern erhöht und befestigt, und wird
sie brechen, wenn sie durch die Erfüllung ihre Existenz stärker
gefährdet sieht als durch die Eventualität eines äusseren Krieges.
Wäre eine sichere Gewährleistung ihrer Herrschaft durch die Fremden
möglich, so würden die M in a m o t o und ihre Parthei wahrscheinlich
sofort deren aufrichtige Freunde. Einstweilen benutzen sie dieselben
y j Handel. Engländer a u f dem F u s i - yama. /
eifrig um durch Verbesserung ihres Kriegsmaterials den Rebellen
überlegen zu werden.
Der Verfasser hat mit diesen allgemeinen Andeutungen vorgegriffen,
um die Schwankungen des Handels in Y o k u h a m a z u erklären;
eine genauere Darstellung der neuesten Ereignisse soll am
Ende des Bandes folgen. Zur Zeit unserer Anwesenheit jächwebte
tiefes Dunkel über den Vorgängen der inneren Politik; die Gährung,
aus der sich die Partheien nachher deutlicher ausklärten, scheint
damals in vollem Gange gewesen zu sein. Der Grosshandel in
Y o k u h am a war immer das beste Barometer der politischen Stimmung:
zu Zeiten starke Anfuhr, dann wieder vollständige Stockung. Man
wusste oft dass gr'osse Massen Seide, für Y o k u h am a bestimmt, in
Y e d d o lagerten und nur auf Befehl der Regierung zurückgehalten
wurden. Dann ein Umschwung in der Politik, und der Markt war
überschwemmt. DieseUnsicherheit wird fortdauem, bis die politischen
Verhältnisse sich vollständig consolidirt haben, und, wenn es auch
heute den Anschein hat, so ist doch keineswegs gewiss, dass es
dabei ohne vollständigen Umsturz im Innern, temporäre Vertreibung
der Fremden und 'einen ernsten Krieg mit dem Auslande abgeht.
In Y o k u h am a wohnten bis zum Frühjahr 1861 nur Kaufleute;
später sahen sich auch die Consuln der Vertragsmächte, welche
zur Zeit unserer Anwesenheit noch sämmtlich in K a n a c a v a lebten,
durch die Umstände genöthigt ihr Domicil dort zu nehmen. — Der
Landweg nach K a n a g a v a führt, nachdem er die Niederung durchschnitten,
über bewaldete Höhen, an deren Fuss das Haus des
japanischen Gouverneurs hegt, und mündet dann in den T o k a id o .
Wir kehrten noch denselben Abend nach K a n a g a v a zurück 7. Octbr.
und besuchten am folgenden Morgen die Consulate. Am schönsten
liegt das amerikanische, auf der Höhe des Hügelkammes, eine weite
Aussicht über den Golf beherrschend. Die Consuln wohnten hier
nicht wie die Gesandten in Y e d d o in den Nebengebäuden der Tempel,
sondern im Heiligthum selbst, und es galt für keine Entweihung,
dass einige den Altar als Buffet benutzten. •- Am Abend des 8.
versammelte sich ein Theil der Gesellschaft zum Diner auf dem
englischen Consulat, wo auch Herr Alcock, der grossbritannische
Gesandte in Japan, eingetroffen war. Wenige Tage zuvor von einem
Ausflug nach dem F’u s i - t a m a zurückgekehrt, hatte er schon in
Y e d d o mit dem Grafen zu Eulenburg Besuche gewechselt. Seine
Reisebegleiter erzählten viel von der Schönheit des Landes und der