
Den 15. Vormittags erschienen die Bevollmächtigten zur
Empfangnahme der Geschenke für den Taikün; ihre niedergeschlagenen
Mienen verkündeten Böses und sie beichteten sogleich,
dass die Reinschriften des Vertrages noch nicht begonnen seien:
einige, im holländischen Text gebrauchte Ausdrücke liessen sich nicht
in das Japanische übersetzen; sie seien vom Minister beauftragt die
Abänderung derselben nachzusuchen. Graf Eulenburg erklärte sich
zu solchen Aenderungen bereit, die nicht gegen den Sinn des
deutschen Textes wären, und so wurden auch einige angebliche
Verbesserungen vorgenommen. Als aber die Herren, durch diese
Nachsicht ermuthigt, von einzelnen Ausdrücken ausgehend den
Inhalt des Vertrages anzugreifen begannen und die Weglassung
ganzer Bestimmungen verlangten, erklärte der Gesandte ihnen ernst
und bündig, dass er nicht in die Aenderung eines einzigen Buchstabens
mehr willigen werde und einfach die Frage stelle, ob sie
das Vertrags-Instrument in seiner jetzigen Fassung unterzeichnen
wollten oder nicht. Sie baten darauf sehr demüthig um Verzeihung,
versprachen von allen ferneren Wünschen abzustehen und zweifelten-
nicht, dass sie zur Unterzeichnung ermächtigt werden würden,
Sie besahen dann die Geschenke und liessen sich Alles erklären.
Graf Eulenburg hatte die Titel der Bücher und die Unterschriften
der Photographieen in das Japanische übersetzen lassen und musste
viele darauf bezügliche Etagen beantworten. Die beiden gusseisernen
Statuetten von Bläser, kämpfende Amazonen zu Pferde waren in
Folge mangelhafter Verpackung grade an den dünnsten Stellen der
Pferdebeine gebrochen und unsere Mechaniker wussten keinen Rath
dafür; die B u k y o ’s hatten aber bei einem früheren Besuche den
Schaden für leicht zu heilen erklärt und in der That Leute geschickt,
welche die zerbrochenen Theile zusammenlötheten. Die Fugen
waren für das blosse Auge kaum sichtbax und so fest, dass sie
für den Augenblick die schwere Metalhnasse des springenden Pferdes
mit, der Figur wirklich trugen, gingen aber beim Transport wieder
auseinander. — Die Bevollmächtigten drückten ihre Freude über
die Geschenke aus und versprachen dieselben am folgenden Tage
holen zu lassen.
So war endlich Alles abgethan, denn man durfte die Empfangnahme
der Geschenke als Schlussact der Verhandlungen und sichere
Bürgschaft für die Unterzeichnung des Tractates ansehen. Heusken,
der den ganzen Tag über in A k a b a n e beschäftigt gewesen war,
blieb noch zum Essen und einen Theil des Abends; wir sassen
in recht behaglicher Stimmung bei dem Gesandten, zufrieden dass
nun alle Noth und Mühe ein Ende habe, und dankbar namentlich
gegen Heusken, der nicht in gewöhhlicher Weise seine Schuldigkeit
gethan, sondern mit der wärmsten Freundschaft für unsere Zwecke
gearbeitet und nebenbei uns Allen den Aufenthalt in Y e d d o so
angenehm gemacht hatte. — Er verliess uns um halb neun. Gegen
zehn kam von der amerikanischen Gesandtschaft ein athemloser
Bote mit einem Billet des Herrn Harris: Heusken sei schwer verwundet
nach Hause gebracht worden und bedürfe schleunigst
ärztlicher Hülfe. Dr. Lucius, der eben schlafen gehen wollte, warf
sich sogleich wieder in die Kleider; Graf August zu Eulenburg,
die Herren von Brandt, von Richthofen und der Verfasser dieser
Blätter waffheten sich um ihn zu begleiten. Es war stockfinstere
Nacht und wir glaubten den etwa zwanzig Minuten langen Weg am
schnellsten und sichersten zu Fuss zurückzulegen, während Herr
Heine sein Pferd satteln liess und uns wenige hundert Schritt vor
dem amerikanischen Tempel vorbeiritt. — Heuskens Zimmer war
schwach erleuchtet, er lag mit gebrochenen Zügen am Boden aus-
gestreckt in einer Blutlache; um ihn standen seine Diener und der
Photograph Wilson; zwei japanische Aerzte machten Vorbereitungen
zum Verbände der weit klaffenden Hiebwunde, die von der Gegend
des Nabels (jueer über den Unterleib fast bis zur Hüfte reichte.
Die Eingeweide waren blossgelegt und aus ihrer Lage gebracht, eine
Darmschlinge fast ganz durchschnitten. Dr. Lucius nähte, im Blute
knieend, zuerst diese, dann die äussere Wunde zusammen, während
einer der Freunde ihm leuchtete, mit der Rechten die todtenkalte
Hand Heuskens fassend, die in der seinen allmälich wieder erwärmte.
Der Verwundete war bei Bewusstsein, das Auge aber gebrochen,
der Puls fast unfühlbar. Das Nähen machte ihm grosse Schmerzen,
er stöhnte laut, fragte mit schwacher Stimme ob er sterben würde
und verlangte zu schlafen. Für die Umstehenden die nicht thätige
Hülfe leisten konnten — auch der Ahbfi Girard und Dr. Myburgh
von der englischen Legation kamen bald herbei|l|||war der Anblick
so grässlich, die blutdünstende Atmosphäre des kleinen Zimmers so
betäubend, dass sie sich häufig abwenden und draussen frische
Luft schöpfen mussten. Nachdem die Wunde genäht war, schnitten
wir ihm die blutigen Kleider vom Leibe und entdeckten dabei noch
eine zweite Verletzung: ein Schwertstich war zwischen dem linken