
Der T a ik ü n war, wie oben berichtet, kurz vor Abfahrt des
englischen Geschwaders in Y e d d o wieder eingetroffen. Gleich
darauf erfolgte die Amtsentlassung des ersten Ministers O n g a s a -
v a k a D s u s i o - n o - k a m i , welcher sowohl die Zahlung der englischen
Entschädigung durchgesetzt, als auch den Befehl zur Schliessung
der Häfen unter beruhigenden Versicherungen angezeigt hatte.
Dem Gerüchte nach war er sogar unter Arrest. In ihm schied
aus dem Reichsrath wahrscheinlich der letzte energische Vertreter
der eonservativen Politik, welche Erhaltung der Verträge wünschte,
soweit sie sich mit möglichster Isolirung der Eremden vertrug, den
Krieg mit dem Auslande aber um jeden Preis zu vermeiden strebte.
Der T a ik ü n war in M ia k o offenbar überflügelt worden, die Vertreibung
der Fremden seitdem bei der Regierung beschlossene Sache;
der Kampf der Partheien drehte sich nur noch darum, ob sie, wie
die Anhänger des T a ik ü n und seiner Linie wollten, langsam angebahnt
und auf friedlichem Wege bewirkt, oder schnell und gewaltsam
durchgeführt werden sollte, wie die regierungsfeindlichen
D a im io ’s offen verlangten, die Parthei M it o wahrscheinlich im Geheimen
betrieb, um den Krieg heraufzubeschwören. Man erhielt
in Y o k u h am a Nachricht von einer grossen D a im io - Versammlung,
welche der Fürst von O w a r i in feuriger Anrede zum Verlassen ihrer
Vergnügungen und zu kriegerischen Rüstungen aufgefordert hätte,
um die Fremden nach fünf Jahren vertreiben zu können. Zugleich
wurden folgende angebliche Manifeste der Regierung verbreitet:
I . An alle Bewohner von Y e d d o und von Japan überhaupt,
welche die Schusswaffe, die Lanze und den Säbel zu
führen wissen, an die LoNiNe und Bergbewohner:
Wer unter euch fähig ist die Waffen zu brauchen,
melde sich bei den Polizei-Obersten, die euch zu folgenden
Bedingungen in Dienst nehmen werden:
Tüchtige Soldaten erhalten 400 I t s i b u und 200
Säcke Reis jährlich;
Leute zweiten Ranges 200 I t s i b u und 200 Säcke
Reis;
Alle übrigen 1 2 0 I t s i b u und 7 0 Säcke Reis,
n. An Alle welche Wallen, • - Gewehre, Kanonen, Säbel,
Lanzen und alle Art Kriegswerkzeuge zu machen verstehen':
Wenn ihr euch bei uns melden wollt, so sollt ihr
zu sehr vortheilhaften Bedingungen beschäftigt werden.
Aus dem Inneren des Landes' hörte man, dass der Fürst
von N a n g a t o , die Verträge mit den Fremden zum Vorwande
nehmend, in offener Auflehnung gegen den T a ik ü n stehe und
einen Angriff auf den Palast in M lako gemacht habe. Er strebe,
hiess es im Volke, nach der S io g u n - Würde, wolle sich zu
dem Zweck der Person des M ik a d o bemächtigen und den
T a ik ü n in Krieg mit dem Auslande verwickeln. Die mit den
Diplomaten in Y o k u h am a verkehrenden B u n y o ’s erklärten das
Gerücht von jenem Angriff für falsch: eine Räuberbande hätte'
das Zollamt der Landschaft Y a m a t t o in M i a k o , aus dem der
M ik a d o sein Einkommen beziehe, gewaltsam zu plündern versucht,
wäre aber mit Verlust einiger Todten abgeschlagen worden. Die
Zeitungen der europäischen Niederlassung16) machten gar eine
Armee daraus, die O s a k a genommen hätte und auf Y o k u h am a
marschirte. — Öffenbar walteten im Herzen des Landes anarchische
Zustände; die Centralgewalt hatte dort keine Macht mehr, und
die S io g u n - Herrschaft beschränkte sich thatsächlich nur noch
auf das K u a n t o , w o ihr Ansehn gleichfalls in raschem Schwinden
war. Ihre veränderte Politik gegen die Fremden trat nicht sogleich
offen hervor; aber der Handel, welcher gleich nach der Zahlung
der englischen Indemnität einen lebhaften Aufschwung genommen
hatte17), begann in Folge der gewaltsam beschränkten Zufuhr wieder
zu stocken; die Haltung der Beamten verschlimmerte sich
augenscheinlich, die Stimmung war beklommen. Sämmtliche Repräsentanten
der Vertragsmächte hatten von ihren Regierungen
die friedfertigsten Instructionen erhalten und durften auf keine
16) In Y okuhama erschienen schon 1863 zwei regelmässige Wochenschriften:
Japan Herald und Japan Commercial News, deren Redactionen auch tägliche Blätter
mit den Neuigkeiten ausgeben und sich natürlich jedes möglichen Stoffes bemächtigen.
1T) Man erhält einen Begriff von der raschen Zunahme des Handels von Y okuhama
durch folgende amtliche Angaben des englischen Consulates. In den
ersten sechs Monaten des Jahres 1862 betrug die englische Einfuhr 68,981 Pfund
Sterling, die Ausfuhr 253,337 Pfund Sterling; in derselben Periode 1863 trotz den
kriegerischen Aussichten, 'welche eine Zeit lang die Geschäfte ganz unterbrachen,
die Einfuhr 111,470 Pfund Sterling, die Ausfuhr 561,120 Pfund Sterling. In letzterem
Jahre kgm zum ersten Male japanische Rohbaumwolle zur Ausfuhr (795,20/ Pfund);
das Picul stieg in kurzer Zeit von 5 auf 35 .Dollars. So lange der amerikanische
Krieg dauerte, hat die Production bedeutend zugenommen, .ist aber nachher schnell
wieder gesunken. — Genauen Aufschluss über den Handel von Y okuhama bis 1863
gibt der Rapport general sur la partie eommerciale de la mission Suisse au Japon
par C. Brennwald. Zürich. Orell Fussli 1865; und ein guter Artikel der Chinese
and Japanese Review. Dec. 1863. vol. I. n. 6. S. 276. r ' oft