
Vortrag der National-Hymnen und anderer heimathlichen Weisen
wie immer electrisirend auf die Gäste wirkte. Nach dem Essen
lockte die herrliche Nacht in das Freie; dort warteten in malerischen
Gruppen die japanischen Diener der Consulate mit grossen Papier -
latemen, weiss und bunt, die theils auf langen Bambusstangen,
theils in der Hand getragen werden. Wir zogen mit klingendem
Spiel durch die finsteren Strassen, dann die steile, von hohen Wipfeln
überwölbte Treppe zum amerikanischen Consulat hinan; die bunten
Laternen warfen magische Lichter auf die überhangenden Laubmassen
und der Zug gewährte, von vielen Japanern begleitet und langsam die
Treppe hinansteigend, ein phantastisches Bild, das gewiss Manchem
unvergesslich gebheben ist. — Nachher kehrte die Musik an Bord
zurück; das Meer lag spiegelglatt unter dem sternfunkelnden Firmament,
und wir standen noch lange am Ufer, bis die letzten Klänge
»Muss i denn, muss i denn zum Städtle hinaus« zum Tact der
Ruderschläge in der Zaubernacht verhallten.
Der folgende Tag war zur Rückkehr nach Y e d d o bestimmt;
wir besuchten unterwegs noch Herrn de Graeff van Polsbroek, dessen
Tempel an der Landstrasse liegt. Er und alle übrigen Consuln
führten bittere Klagen über ihre in Y o k u h a m a angesiedelten Landsleute,
deren Anmaassung und Rücksichtslosigkeit fortwährend betrübende
Collisionen hervorrief. Wir hatten leider schon damals
vielfach Gelegenheit uns von der Richtigkeit dieser Angaben zu überzeugen;
nicht lange nachher kam es zum offenen Eclat. Die Japaner
sind von Natur durchaus jovial und zu freundschaftlichem Verkehr
mit den Fremden geneigt; sie fördern gern auf jede Weise deren
Vergnügen und Bequemlichkeit, sofern nur nicht gegen persönliche
Rechte oder die Sitten und Gesetze des Landes verstossen wird.
So hatte unser nächtlicher Umzug bei den Bewohnern von K a n a g v v a
nur Aufsehn und heitere Theilnahme, aber nicht den geringsten
Anstoss erregt; die Behörden erkundigten sich am folgenden Tage
nur, welchem »O-Bumyo« denn das Fest gegolten habe.
Wir machten auf dem Heimwege im Theehause von K a v a s a j c i ,
w o Herr von Bellecourt uns einholte, einen kurzen Halt; die lustigen
Aufwärterihnen schälten eigenhändig die gesottenen Eier und steckten
sie den Gästen scherzend in den Mund, bewirtheten uns nachher
auch mit köstlichen Weintrauben. Vor O m a g a v a bog Heusken von
dem T o k a Id o ab und führte uns über I k e g am i durch Feld und Busch
auf sehr anmuthigem Wege nach der Stadt.
Den 11. Abends ertönte in unserer Nähe die Feuerglocke, n. octbr.
der Himmel war bis zum Zenith geröthet. Da dem Anschein nach
die Brandstätte nicht entfernt sein konnte, so machte sich ,der
Gesandte mit seinen Begleitern und Herrn Heusken trotz den verzweifelten
Gegenvorstellungen unserer Hausbeamten zu Fuss dahin
auf den Weg. Es stürmte und regnete, aber die Strassen waren
gedrängt voll Menschen. Wir konnten nur auf Umwegen auf eine .
hochgelegene Stelle gelangen, von wo das Feuer sichtbar wurde,
ein wogendes Flammenmeer in der Richtung des Stadtviertels Asaksa,
aber wohl eine Stunde entfernt, so dass wir unser Vorhaben aufgeben,
mussten. Auch am folgenden Tage machten unsere Yaki-ninc
so ängstliche Vorstellungen gegen den beabsichtigten Besuch der
Brandstätte, dass wir endlich davon abstanden. Das Feuer zerstörte
eine Strecke von zehn Strassen Länge und drei Strassen Breite in
dem berüchtigten Stadtviertel Yosiwara und legte die drei grössten
Theater in Asche. — Die Bdhyo’s der auswärtigen Angelegenheiten
baten den Gesandten nachher wiederholt und dringend, sich bei
Feuersbrünsten niemals auf der Strasse zu zeigen, das Volk sei dann
wie toll; wer zuerst beim Brande erscheine, oder sich beim Löschen
auszeichne werde feierlich belohnt, sein Namen auf Tafeln geschrieben
und durch alle Strassen getragen; nach dieser Auszeichnung strebe
jeder Japaner, daher das wilde Gedränge, m Die Löschmannschaften
tragen aus Rohr geflochtene Brusthamische und metallbelegte
Sturmhauben, deren Hehndecke auf die Schultern herabfallt und
unter dem Kinn zugeknöpft vvird; höhere Staatsbeamten und Daimio’s,
unter deren Aufsicht die Löschanstalten stehen, erscheinen zu Pferde
in voller Rüstung. Ein Theil der Mannschaften wird auf die nächstbedrohten
Dächer postirt und muss dort im Kampfe gegen das
Flugfeuer so lange als möglich aushalten, dann aber gi- in Eile alle
Schindeln und Ziegel herabwerfen. Wer eine Leiter verlangt oder
zureicht ehe die Gefahr auf das höchste steigt, gilt für ehrlos;
wer aber beim Löschen umkommt, erntet grossen Ruhm und öffentliche
Ehren. Das Niederreissen bedrohter Häuser soll wohl in
anderen japanischen Städten, nicht aber in Yeddo üblich sein, wo
die Eigenthümer sich ihm widersetzen. An Wässer ist bei den
zahlreichen Canälen selten Mangel; auf vielen Dächern stehen auch
grosse Kübel mit Vorrath zum schleunigen Gebrauch. Die Feuerspritzen
sind klein und tragbar, nach altem holländischem Muster
sehr fest und sauber gearbeitet. -