
Zeit lehren, wieviel widrige Chancen dabei in Rechnung zu bringen
sind: die entfernte Lage, schwierige Verproviantirung, die gefährlichen,
stürmischen Küsten, die Natur des Gebirgslandes, der
Patriotismus der Bewohner. Practische Erfolge würde auch der
glücklichste Feldzug kaum haben; denn der japanische Adel verschmerzt
leicht materielle Verluste, und das Elend des Volkes würde
ihn kaum rühren. Lehren wie die von S i m o n o s e k i lässt der Japaner
sich gefallen und achtet den überlegenen Gegner; im ernsten Kampfe
für die Unabhängigkeit des Landes würde er vielleicht den letzten
Blutstropfen opfernM|l Wenn es, was kaum zu fürchten ist, dem
Hofe von M i a k o nicht etwa gelingt, die D a im io ’s z u fanatisiren, so
können die Völker { des Westens bei geschickter, würdiger, auf
achtunggebietende Machtentfaltung gestützter Vertretung wohl sicher
auf friedliche Entwickelung ihres Handelsverkehrs mit Japan rechnen.
Ein kräftiger Rückhalt an Kriegsschiffen ist aber erste Bedingung,
da der Japaner, wie seine Geschichte beweist, immer nur mit that-
sächlicher Macht rechnet, und selbst anerkannte Rechte nur dann
berücksichtigt, wenn er die Kraft sieht, welche sie schützt.
Das Eindringen der Fremden hat die SionuN-Herrschaft viel
schneller untergraben, als erwartet wurde. Der T a i k ü n J y e - m o t s i
erinnert in dem Manifeste vom 29. Juli 1864 daran, dass seine Vorfahren
die Fremden vor zweihundert Jahren gegen den Willen vieler
D a im i o ’s vertrieben haben, und gibt deutlich den Wunsch zu
erkennen, dass ihm etwas ähnliches auch jetzt möglich sein möchte.
Wie bei Consolidirung des Systems im Anfang des 17. Jahrhunderts
die Vertreibung der Fremden nothwendig wurde, so hört mit dem
Verfall desselben die Möglichkeit auf sich ihrer zu erwehren. Die
Staatsgewalt, welche sich nur durch die äusserste Knechtung der
D a im io ’s und die dafür nothwendige Ausschliessung der Fremden
halten konnte, musste rasch zusammensinken, sobald sie diese
beiden Grundbedingungen ihrer Existenz aufgab. Sie hat den
D a Ym io ’s die Zügel schiessen lassen, und zugleich die Fremden aufgenommen;
wollte sie heut wirklich diese mit Gewalt vertreiben, so
fänden sie den sichersten Rückhalt an den Landesfürsten, über
welche J y e - m o t s i nicht so gewaltig ist, wie J y e y a s und dessen Nachfolger
waren. Die Fremden sind jetzt allen Partheien nothwendig;
ihre Vertreibung durch den T a i k ü n würde den Sturz seiner Herrschaft
nur beschleunigen.
Die Diplomaten, welche die ersten Verträge schlossen, konnten
von den Zuständen des Landes keine Ahnung haben; auch ihre
Nachfolger tappten lange im Dunkeln, der Schleier des Geheimnisses
lüftete sich nur langsam. Man schloss unmögliche Verträge
mit einer in Auflösung begriffenen Regierung und mühte sich vergebens
sie zur Ausführung zu bringen; — denn der Verfall der
S i o g u n - Herrschaft schreitet schon seit mehreren Jahrzehnten fort,
und die Verträge waren unmöglich, weil sie zum freien Verkehr
führten. Die Centralgewalt glaubte dem Adel und dem Auslande
partielle Zugeständnisse machen zu können, beraubte sich aber
damit ihrer Grundlagen. Die D a im i o ’s werden unabhängiger, der
Verkehr gänzlich befreit werden; das alte System kann dabei nicht
fortbestehen.
Jetzt bahnt der Handel sich Wege in alle Theile des Reiches;
die dabei gemachten Erfahrungen müssen erst zeigen, worauf es
vorzüglich ankommt, und zur Modification der ursprünglichen Verträge
führen, welche als Schlüssel, als Grundlage wichtiger Rechte
vom grössten Werthe sind. Beim Verkehr in den Gebieten der unabhängigen
Landesfürsten wird es aber nothwendig werden, auch mit
diesen Abmachungen zu treffen, welche sich dem örtlichen Bedürf-
niss, der Verfassung und Bevölkerung dieser Landestheile anpassen.
Nur der Ausdruck von Sitte und Noth'wendigkeit ist haltbar als
Gesetz; die Erfahrungen der Kaufleute müssen hier die Wege zeigen.
Für jetzt scheinen dem Verfasser der T a i k ü n in seinen Erbländern,
die souverainen D a im i o ’s in den ihrigen diejenigen Grössen, mit
denen die fremden Diplomaten gesondert zu rechnen haben. Weiche
politische Gestaltung folgen wird, ist nicht abzusehen, die Aufrichtung
der al ten despotischen Centralgewalt unmöglich. Wahrscheinlich
werden die D a im io ’s s o lange in ihren Erblanden unabhängig
bleiben, bis einer das entscheidende Uebergewicht erhält und die
anderen unterdrückt; vielleicht auch zerfällt das Reich nach seiner
geographischen Eintheilung in mehrere Bundesstaaten, deren jeder
unter Oberhoheit des mächtigsten Territiorialfürsten steht. Jedenfalls
sind die Souverainetätsrechte der D a im i o ’s trotz deren langer
Knechtschaft zu lebendig im Bewusstsein des Volkes, zu eng ver