
X.
YEDDO.
VOM 1. BIS 31. JANUAR 1861.
D e r Morgen des Neujahrstages verging unter Gratulationsbesuchen;
am Nachmittage erschien in A k a b a n e ganz unerwartet Herr Heusken,
den wir mit dem amerikanischen Minister-Residenten in K a n a g a v a
glaubten. Er kam in der That von dort mit überraschenden Neuigkeiten:
Herr Harris war den Tag zuvor durch einen ihm aus Y e d d o
nachgesandten B u n y o des auswärtigen Ministeriums benachrichtigt
worden, dass die Regierung eine Verschwörung gegen die Fremden
entdeckt habe; sechshundert Loisme, entlassene Soldaten des Fürsten
von M i t o , wollten Y o k o h a m a niederbrennen, die dort ansässigen
Ausländer ermorden und die Legationen in Y e d d o stürmen. Die
Regierung, hiess es, habe zwar Vorsichtsmaassregeln getroffen,
halte aber doch für angemessen, die Fremden von der Gefahr zu
unterrichten. •— Am Abend des Neujahrstages erschienen denn auch
in A k a b a n e unsere zu den Vertrags-Verhandlungen bevollmächtigten
B u n y o ’s mit denselben Eröffnungen. Es würde, meinten sie, der
Regierung trotz ihrer zahlreichen Polizei kaum gelingen, die zerstreuten
LoNiNe einzeln in ihren Schlupfwinkeln aufzuspüren, man
könne für nichts einstehen; eine Anzahl Verschworener solle sich
in Kaufmannstracht in die Nähe der Fremden zu schleichen suchen,
wir möchten auf der Hut sein und nicht ohne starke Bedeckung;
ausgehen. Die Regierung habe die Y a k ü n i n - "Wache von A k a b a n e
auf dreiundsechszig Mann verstärkt und das nach der Nebenstrasse
führende Hinterthor durch Soldaten eines nahe wohnenden D a im io
besetzen lassen. Sollte in der Nähe Feuer ausbrechen, so möge der
Gesandte sich mit seinen Begleitern doch sogleich nach dem Landungsplätze
begeben, wo Tag und Nacht Boote zur Ueberfahrt nach
den Kriegsschiffen bereit hegen würden. •
M u u a g a k i schien in vollem Ernste besorgt für unsere
Sicherheit und fragte wiederholt, ob der Gesandte die getroffenen
Vorsichtsmaassregeln für ausreichend erachte, oder lieber ein Haus
in dem befestigten S i b o , der kaiserlichen Stadt, beziehen wolle; die
Regierung stelle ihm ein solches zur Verfügung und hoffe ihm dort
ausreichenden Schutz gewähren zu können. Wünsche er sich aber
auf die Kriegsschiffe zurückzuziehen, so wollten die Bevollmächtigten
sehr gern auch an Bord die Vertrags-Verhandlungen fortsetzen,
welche ja in einer Woche beendigt sein müssten. Dem Grafen,
der von dem späten Besuche der B u n y o ’s nichts Gutes erwartete,
fiel bei dieser Mittheilung ein Stein vom Herzen; statt der gefürchteten
Erklärung, dass die aufgeregte Stimmung den Abbruch
der Vertrags-Verhandlungen fordere, gaben die Bevollmächtigten
den Wunsch zu erkennen, die Unterzeichnung nach Möglichkeit zu
beschleunigen, um der Sorge für unsere Sicherheit .loszuwerden.
— Er lehnte ihre beiden Vorschläge, nach dem Sroo oder den
Kriegsschiffen überzusiedeln, dankend a b , sprach seine Befriedigung
über die getroffenen Maassregeln und sein vollkommenes Vertrauen
in die Regierung aus, bot derselben die Mitwirkung der preussischen
Kriegsschiffe zur Unterdrückung der L o N iN e an und erklärte sich
bereit eines derselben nach Y o k u h am a z u senden. Die B u n t o ’s
wollten dem Minister dieses Anerbieten mittheilen. — Beim Abschied
erzählte M u r a g a k i unter lebhaftem Bedauern, dass H o r i O r ib e -
n o -K a m i den Abend zuvor gestorben sei. Schon seit mehreren
Tagen ging das Gerücht, dass er sich entleibt habe, und Graf
Eulenburg fragte die Bevollmächtigten bei einer späteren Zusammenkunft
darüber; sie leugneten es unter den stärksten Betheuerungen:
»Solche Gerüchte verbreiteten sich, meistens ohne Grund, heim
Tode jedes angesehenen Mannes.« — In den folgenden Wochen
aber kamen Umstände an das Licht, welche uns in der traurigen
Vermuthung von H o r i ’s gewaltsamem Ende bestärkten; sein Tod
stand wahrscheinlich in enger Beziehung zu seinem amtlichen
Verkehr mit den Fremden.
Die Vertheidigungsanstalten der Japaner sahen recht malerisch
aus. Auf den äusseren Höfen von A k a b a n e wuchsen mehrere
Wachthäuser aus dem Boden, sauber gefugte, stattliche Holzgebäude,
die, in ihre Theile zerlegt, in den Magazinen vorräthig
gewesen sein müssen. Sie standen im Umsehen fertig da, mit Zeltvorhängen
dtappirt, die theils dasWappen des erblichen Gouverneurs