
Die fremden Diplomaten gewannen aus den Aeusserungen der
Minister die Ueberzeugung, dass die regierungsfeindliche, — nach
den Japanern die »fremdenfeindliche« Parthei es zum offenen Bruch
bringen wolle, und dass die Oentralgewalt nicht stark genug sei
sich ihrer nachdrücklich zu erwehren. Die Verträge waren ein
missglücktes Experiment, die völlige Isolirung der Fremden in
Y o e u h a m a unausführbar; die materiellen Vortheile wogen nicht den
Verlust des Ansehns auf, welcher der Regierung aus der geschickten
Benutzung ihrer auswärtigen Politik durch die Gegner erwuchs.
Man merkte den Würdenträgern deutlich an, dass sie sich der
Fremden am liebsten ganz entledigt oder wenigstens den Verkehr
auf N a h g a s a k i beschränkt hätten. Es gab wohl im Reichsrath seihst,
— denn dieser musste bei der Unmündigkeit des T a i k ü n als leitende
Staatsbehörde gelten, — mannichfache Nüancen der Ansicht; die
Einen mochten den Fremden weniger geneigt sein als die Anderen,
und, sei es aus Furcht oder Hass, sei es aus Gründen der blossen
Opportunität für gemässigte oder extreme Maassregeln stimmen.
Sicher sassen im G o r o d z i o auch geheime oder offene Partheigänger
des Prinzen von Miro, welche alles consequente Handeln der Regierung
lähmten, mit Bewusstsein und Absicht die Verhältnisse immer
mehr trübten. Die Parthei war zu stark um sie von der Verwaltung
auszuschhessen, und es wäre gefährlich gewesen einen Zweig des
Herrscherhauses durch gewaltsame Unterdrückung offen in das Lager
des Gegners hinüberzutreiben. Wahrscheinlich forderten schon damals
die regierungsfeindlichen D a im io ’s durch O O den M i k a d o die Vertreibung
der Fremden, welche den Krieg zur Folge gehabt hätte;
die LosiNe thaten das Ihre um diese zum Angriff zu reizen und die
Würdenträger einzuschüehtem, und die Parthei des Prinzen von
M i t o suchte arglistig die Regierung in die Falle zu treiben. Ihren
Machinationen ist es vielleicht zuzuschreiben, dass der Reichsrath
sich nicht eng mit den Fremden verbündete, — eine Eventualität,
deren mögliche Tragweite sich nicht beurtheilen lässt. Die Minister
K u d s e Y a m a t t o und A n d o T s u s - s im a - n o - k a m i waren allem Anschein
nach wohlmeinende, zu Fortschritt und Bildung geneigte, den Fremden
gewogene Männer, und die Vertreter von England und Frankreich
hätten sich nach ihrer damaligen Anschauung der japanischen
Verhältnisse auf das Bündniss wohl eingelassen; aber die Losrae
und die Parthei M i t o , vielleicht auch diese durch jene, wussten es
zu vereiteln.
Zur Vertreibung der Fremden Hessen Sich also die Minister
trotz allen Reizungen und Einschüchterungen nicht herbei, und dass
sie die Verträge weder auf gütlichem Wége rückgängig machen,
noch den Verkehr in den geöffneten Häfen nach Wunsch in ihre
Gewalt bekommen konnten, musste ihnen das Auftreten der Gesandten
zeigen. Sie waren also in der Lage das unvermeidliche Uehel
dulden zu müssen und konnten nur auf dessen möglichste Beschränkung
sinnen, verlangten daher, während sie sich nach innen durch
die Verbindung des T a i k ü n mit dem M i k a d o -Hause zu stärken
suchten, von den Gesandten immer dringender die aufzuschiebende
Eröffnung der Häfen von N e a g a t a und F i o g o , der Städte Y e d d o
und O s a e a für den allgemeinen Verkehr, daneben auch das Zu-
geständniss eines Ausfuhrverbotes für die wichtigsten Landeserzeugnisse.
Sie motivirten ihre Anträge weitläufig in einer schon-
unter dem 30. Mai an Herrn Alcock gerichteten Note und fügten
derselben ein eigenhändiges Schreiben des T a i k u n an die Königin
Victoria hei, welche Actenstücke erst durch Herrn Oliphant, der
im Herbst genesen nach Europa zurückkehrte, an die englische
Regierung gelangten. Der Reichsrath entschloss sich nun auch, zu
Erledigung dieses und anderer Puncte von minderer Wichtigkeit
eine Gesandtschaft an die Höfe der europäischen Vertragsmächte
zu schicken, theilte seine Absicht deren Repräsentanten m Japan
und brieflich auch dem GrafenEulenhurg mit, der damals in T i e n t s i n
den Vertrag mit China schloss, und trat mit den englischen und
französischen Diplomaten über die Beförderung der Gesandten nach
Europa in Unterhandlung; Es kostete grosse Mühe, die japanischen
Würdenträger von der Zwecklosigkeit und Unbequemlichkeit eines
so grossen Gefolges zu überzeugen, wie die Gesandten nach Amerika
mitgenommen hatten, gelang aber endlich das Personal auf fünf-
unddreissig Köpfe zu beschränken, die sich am 23. Januar 1862 an
Bord der englischen Corvette Odin einschifften. — Herr Alcock,
der zu gleicher Zeit einen längeren Urlaub nach der Heimath erhielt,
wartete noch die'“ Antwort auf seine mit dem Schreiben des T a ik ü n
nach London gesandten Depeschen ah, und wohnte in der Zwischenzeit
meist in Y o k u h a m a .
Die im Herbst gegen A n d o T s u s - s i m a - n o - k a m i laut gewordene
Drohung wurde am 14. Februar 1862 zur That. Er begab
sich an diesein Tage, wie gewöhnlich, im N o r im o n mit zahlreichem
Gefolge nach dem Palast des T a i k ü n : der Zug war eben auf dem