
Wälirend andere Asiaten nach notlidürftig gethaner Arbeit stunden-
lang schläfrig auf ihren Fersen hocken, rauchend, Betel kauend,
oder in völliger Apathie in. die Luft starrend, ist die Erholung der
Japaner immer eine tliätige. Seihst unsere liederlichen B e t t o ’s
spielten Schach !’;) in den Ställen. Diese Lust an thätigem Genuss
ist sicher ein Zeichen von Lebenskraft, geistiger Frische und Fähigkeit
zu höherer Bildung. Jedes Alter, jeder Stand hat seine Vergnügungen,
deren Reiz in der Entwickelung von Geistesgegenwart,
Spannkraft und Gewandtheit liegt. Der Sinn der Kinder wird von
frühester Jugend durch die inannichfaltigsten Spielzeuge15) geweckt,,
und ältere Personen nehmen an ihren Vergnügungen lebendigen
Antheil. — "Wie zart und rücksichtsvoll die Kinder behandelt werden,
wie eifrig man für ihren Unterricht sorgt, ist schon erwähnt worden;
Heranwachsende sollen oft die Schiedsrichter in kleinen Streitigkeiten
der Eltern ahgeben müssen. Dass die japanische Jugend auch ihre
Flegeljahre hat, dass junge Leute oft über die Schnur hauen.und
die Vergnügungen, namentlich der zum Nichtsthun privilegirten
D a is i io - Trabanten häufig in Ausschweifungen und Laster ausarten,
braucht kaum gesagt zu werden, aber selbst in diesen Ausartungen
zeigt sich die sprudelnde Lebenskraft des Volkes, dem jede Stagnation
und träumerische Lethargie fremd ist. Japan hat sich in seiner
14) Das japanische Schachspiel hat viel mehr Figuren als das unsere ; sie bestehen
hi Holzblöckchen, mit Zeichen bemalt die ihren Werth ausdrückeh.' Nicht nur die
Bauern, sondern fast j e j e Figur erhält, wenn sie die hinterste Reihe des Gegners
erreicht, einen höheren Werth; die Blöckchen tragen auf der Rückseite das Zeichen
desselben, und werden dann einfach umgedreht. Sie sind vierseitig, aber schief abgedacht
und die Abdachung stets dem Gegner zugewendet. Dadurch lassen sich die
durch keine Farben unterschiedenen Figuren der beiden Partheien erkennen. Die
genommenen setzt der Spieler als seine eigenen auf das Feld. — Ein anderes Spiel,
das die Kaufleute vielfach in den Läden spielen, gleicht unserem Mühlenziehen. Die
Steine der beiden Partheien haben verschiedene Farbe und werden auf eftien Bogen
Papier mit vielen Puncten gesetzt; gelingt es, einen Stein des Gegners .vollständig
einzuschliessen, so ist dieser genommen.
“ )■ Es würde die Mühe und Kosten reichlich lohnen, eine Ladung japanischer
Spielzeuge nach Europa zu schicken. Der vielfachen Kreiselspiele ist schon im ersten
Bande (S. 311, 347) erwähnt worden. Auch die japanischen Drachen würden den
Neid unserer Jugend erregen ; sie sind weit kunstreicher gebaut als die unseren und
haben die abentheuerlichsten Formen. Es ist beim Spiel derselben nicht allein auf
das Steigenlassen, sondern auf einen Wettkampf abgesehen. Die Schnüre sind mit
gestossenem Glass überzogen; wem es gelingt mit seiner Schnur die des anderen zu
durchschneiden, so dass der Drachen herunterfallt, dem gehört er.
Absperrung mehr europäische Wissenschaft angeeignet, als irgend
ein asiatisches Volk im freien Verkehr mit dem Westen. Die
Factorei-Beamten von D e s im a fanden auf ihren Hofreisen immer
Gelehrte, die das Holländische verstanden und als Mittel zum Studium
wissenschaftlicher Bücher benutzten; die Fragen, die sie zu stellen
pflegten, zeugten von eingehendem Verständniss der verschiedensten
Zweige der Naturwissenschaft und Technik. Illustrirte Uehersetzungen
holländischer Werke dieser. Richtung sind in allen Buchhandlungen16)
zu finden. Die geistige Thätigkeit der Japaner ist hinreichend geweckt
und vorbereitet um einen raschen Aufschwung der Bildung
4- freilich wohl auf Kosten des politischen -Systems und der nationalen
Eigenthümlichkeit — erwarten zu lassen, sobald es möglich
sein wird, dort auch Werke religiösen, philosophischen und geschichtlichen
Inhalts, und die Blüthen westländischer Litteratur
zu verbreiten; sie besitzen zudem grosse Leichtigkeit in Erlernung
fremder Sprachen. Dem "Verfasser scheint Japan in der That berufen
zu einer Pflanzstätte der Cultur, von wo sich die civilisatorische
Thätigkeit nach Westen über Korea und China, dem einstigen Aus-
gangspüncte seiner Bildung, zurückverhreiten könnte.
Einer der schlimmsten Auswüchse der japanischen Gesittung
und schwer in Einklang zu bringen mit ihrer Bildungsstufe, ist die
berechtigte Licenz des unehelichen Umganges, auf welche hier nicht
näher eingegangen werden kann. Die Verbreitung des Lastei* ist
vielleicht nicht grösser als in civilisirten Ländern des Westens, aber
der geringe Grad der damit verbundenen Schande, der japanische
Maassstab von Tugend und Laster in dieser Richtung ist ein offenbarer
Flecken an ihrer Gesittung. Betrachtet man daneben das
schöne Familienleben, die ehrenvolle Stellung der Hausfrau und
ihrer Töchter in allen Ständen, so steigt der Gedanke auf, dass
jener arge Schaden wie ein äusserer Auswuchs ist, der ohne in das
Mark zu dringen nur die schlechten Säfte aufsaugt, ohne den sonst
gesunden Organismus tiefer zu stören. Das beste Zeichen für die
ehrenvolle Stellung der japanischen Frauen ist die unbefangene
Freiheit mit der sie sich bewegen und an den Beschäftigungen des
Mannes theilnehmen. Die Frauen und Mädchen des Mittelstandes
gehen unverschleiert, ohne männliche Begleitung auf den Strassen,
und sitzen vielfach als Verkäuferinnen in den Läden, was in anderen
Ländern des Orients nicht üblich ist. Ihr Benehmen ist sittsam
16) S. Bd. I.; S. 131, 312.