
hinter ihn getreten, und schlägt mit einem Hiebe seinen Kopf
herunter. Die Herzhaftesten sollen sich den Leib kreuzweise aufschlitzen
und dann noch mit eigener Hand die Hals -srterien durch-
hauen. Das Kopfabschlagen durch Andere gilt als eine Neuerung
unseres verweichlichten Jahrhunderts.
Vorstehende Nachrichten rühren grossentheils von Herrn
Heusken her, welcher, des Japanischen kundig, in seinem langen
und vertrauten Umgange mit den Mittelclassen des Beamtenstandes
die Sitten des Landes sehr genau kennen gelernt hatte. Ein reicher
Schatz von Kenntnissen wurde mit ihm begraben. Im amtlichen
Verkehr äussern die Japaner sich immer sehr vorsichtig, und
können auch in Gegenwart der Aufpasser nicht frei herausreden.
Graf Eulenburg spannte die B u n y o ’s bei ihren Besuchen in A k a b a n e
durch sein hartnäckiges Fragen oft stundenlang auf die Folter und
entwand ihnen auch manche bedeutsame Aeusserung; der Verkehr
mit denselben blieb aber zu abgerissen und vorübergehend, um
zusammenhängende Aufschlüsse von Wichtigkeit herbeizuführen.
Diese Unterhaltungen waren meist sehr ergötzlich, und verdienen hier
und da im Auszuge berichtet zu werden.
Der Gesandte hatte die Herren S a k a i und H o r i auf den
15. October zum Frühstück eingeladen, um ihnen Geschenke für
den T a ik ü n , diesmal nur eine Sammlung der preussischen Maasse
und Gewichte, zu überreichen, die auf einem Tische [des Empfangssaales
ausgelegt waren. Als die B u n y o ’s erfuhren dass die Sachen
für den Kaiser bestimmt seien, liessen sie den Tisch mit Allem was
darauf lag hinaustragen. Graf Eulenburg, der eben keinen Ueberfluss
an Möbeln hatte, sah das Verschwinden seines Tisches mit schmerzlichem
Erstaunen, und erbat sich denselben zurück; die Herren
aber erklärten, das ginge nicht; alle für den T a ik ü n bestimmten
Geschenke müssten genau so abgeliefert werden wie sie übergeben
wären, und dürften vor allen Dingen den Erdboden nicht berühren.
— Man erzählt in der That, dass ein Elephant, den die Holländer
einst in N a n g a s a k i als Angebinde für den Kaiser ausschifften, von
dort auf einer hölzernen Bühne durch hunderte von Arbeitern bis
nach Y e d d o getragen worden sei, eine Reise von weit über hundert
deutschen Meilen. Freihch haben die Holländer über Japan viel
Abentheuerliches berichtet, das die Landesbewohner hartnäckig
leugnen. So brachte der Gesandte die Rede auf das Verbot Hunde
zu tödten, das von einem unter dem Thierkreiszeichen des Hundes
geborenen Kaiser herrühren, soll. Die B u n y o ’s lachten sehr und
behaupteten, es sei reine Erfindung. Nichtsdestoweniger muss etwas
Wahres an der Sache sein, wenn auch das Verbot heute vergessen
ist. Kämpfer schreibt es dem zur Zeit seiner Anwesenheit in Japan
regierenden T s u n a - y o s i z u , welchem viel Sonderbarkeiten nachgesagt
werden. »Es müssen derselben«, heisst es unter dem Artikel
»Hunde«, »eine gewisse Anzahl von den Bürgern jeder Gasse unterhalten
und gespeiset, wenn sie krank sind, in einer auf jeder Gasse
errichteten Hütte verpfleget, wenn sie gestorben, auf die Berge
getragen und gleich Menschen beerdiget werden. Sie dürfen bei
Lebensstrafe von keinem Menschen misshandelt oder getödtet werden,
als bloss von dem Büttel; wenn sie nämlich selbst etwas verbrochen
und den Tod verdient haben. Es ist dieses so angeordnet wegen
eines Aberglaubens und Befehls des jetzigen Kaisers, welcher, wie
der römische Kaiser vor dem Zeichen des Steinbocks, vor dem
Geschlecht der Hunde eine besondere Hochachtung hat, weil er
im Jahre des Hundszeichens geboren worden. Ein Bürger der einen
todten Hund zum Grabe den Berg hinauf trug, schmälte einst aus
Ungeduld über des Kaisers Geburt. Sein Nachbar hiess ihn
schweigen, und dem Himmel danken, dass der Kaiser nicht im
Pferdejahre geboren wäre, dann würden sie noch mehr zu schleppen
gehabt haben.« Der excentrische T s u n a - y o s i wurde nachher von
seiner patriotischen Gemalin ermordet, weil er das Hausgesetz der
Erbfolge umstossen wollte, wie im einleitenden Abschnitt berichtet
ist. Die dort mitgetheilten Aufschlüsse über die Thronfolge beruhen
hauptsächlich auf den Aussagen der B u n y o ’s bei dieser Zusammenkunft22).
Beim Frühstück wurde namentlich S a k a i sehr heiter und
packte sich die Aermel voll gekochten Schinkens, seiner Lieblingsspeise.
Nach Tische beschenkte der Gesandte die Herren mit
rheinischem Champagner, Stahlwaaren und anderen Kleinigkeiten;
Bleistifte und Gummi, dessen Eigenschaft Geschriebenes auszuwischen
sie noch nicht kannten, machten besondere Freude. S a k a i las
deutliche lateinische Cursivschrift mit Leichtigkeit. Als er dabei
den Namen des Attaché von Brandt aussprach, fragten H o r i und
M o r iy a m a zugleich, ob dieser Herr mit dem Verfasser des berühmten
tactischen Werkes verwandt sei, und schienen aufrichtig erfreut,
in ihm dessen Sohn kennen zu lernen. Sie erzählten, das Buch sei
22) S. Bd. I. S. 113.