
werden, wozu allerlei Ueberraschungen vorbereitet wurden; nun war
er aus unserer Mitte gerissen. Die Stellung, die Heusken zu uns einnahm,
war der Art, dass Graf Eulenbürg den o anfanog s nahe lieogenden
Gedanken, ihn durch ein ansehnliches Honorar aus den für
solche Zwecke bestimmten Fonds der Expedition für seine wichtigen
Leistungen zu entschädigen, längst aufgegeben und die Absicht gefasst
hatte, Seine Majestät um eine ehrenvollere Auszeichnung für
ihn anzugehen. Da das jetzt nicht, mehr möglich war, so hat die
Preussische Regierung es für eine angenehme Pflicht angesehen,
einen Theil des Dankes, den sie ihm schuldete, seiner betagten
Mutter zu bethätigen.
Heusken war kaum eine Stunde verschieden, als ein B ü n y o
des Auswärtigen bei Herrn Harris erschien um im Namen des Ministers
zu condoliren und nach den Umständen des Mordes zu fragen.
Er verlangte die Leiche zu sehen, untersuchte die Wunden, und
versprach in grösser Bewegung die strengste Forschung nach den
Mördern. — Graf Eulenburg fand Herrn Harris am Morgen in der
tiefsten Betrübniss; Heusken war fünf Jahre lang sein einziger treuer
Begleiter gewesen, den er liebte, »nicht wie einen Sohn, sondern
wie einen Lieblingssohn«, für ihn war der Verlust nachhaltig und
unersetzlich. Er sprach schon in diesem Augenblick die japanische
R e g ie ru n g laut von aller Verantwortlichkeit frei, zweifelte aber
nicht, dass die That politische Motive habe;, ob im Zusammenhang
mit der Verschwörung, werde wohl kaum zu ermitteln sein. Er
habe Heusken unaufhörlich beschworen, Abends nicht auszureiten,
da es unter den ausgestossenen S am k a i in Y e d d o jederzeit Banditen
gebe, die aus blossem Blutdurst mordeten und sich jede.Blutthat
zum Ruhme rechneten; auch wenn die Behörden der Thäter nicht habhaft
würden, könne er daraus keinen Schluss auf ihre Mitwissenschaft
oder stillschweigende Billigung des Verbrechens ziehen. Herr Harris
blieb in diesen Aussprüchen nur seinen alten Ueberzeugungen treu,
mit denen er seit lange im Widerspruch zu den Ansichten der übrigen
Diplomaten stand. Diese folgerten aus der Thatsache, dass keine
der zahlreichen Mordthaten jemals bestraft worden war, eine Mitschuld
oder Connivenz der Regierung, während Herr Harris, fest
überzeugt von deren Ehrenhaftigkeit und gutem Willen die Verträge
zu halten, den Grund dieser Straflosigkeit in den Verhältnissen des
Landes und in der politischen Stellung suchte, in welche die Verträge
die Regierung gedrängt hätten. ~ Er setzte eine Belohnung
von 250 K o b a n q s (500 Thlr.) auf Entdeckung der Mörder, doch
glaubte schon damals niemand an deren Verhaftung. Der Minister
des Auswärtigen, A n d ò T s u s - s im a - n o - k a m i , soll in einer Zusammenkunft,
zu welcher er Herrn Harris durch eine Escorte von achtzig
Leibgardisten des T a ïk ü n abholen liess, sehr bewegt gewesen sein,
die strengste- Nachforschung verheissen und die Ueberzeugung ausgesprochen
haben, dass man einst die Mörder ergreifen werde: die
Polizei und Justiz seien aber in Japan sehr langsam, es könnten
Wochen, Monate, vielleicht auch Jahre vergehen; es wäre der
Regierung ein Leichtes einige verurtheilte Verbrecher, unter dem
Vorgeben, dass es die Mörder seien, zur Genugthuung der Fremden
hinrichten zu lassen; sie ziehe aber vor, ehrlich die Wahrheit zu
sagen. I I Herr Harris forderte später für Heuskens Verwandten
eine Entschädigung von zehntausend Dollars, welche die Regierung
ohne Sträuben zahlte.
Am Morgen des 16. ordnete der Attaché von Brandt auf
Ersuchen des amerikanischen Minister-Residenten vorläufig den
Nachlass und brachte die Werthsachen in Sicherheit; noch denselben
Tag kam Heuskens naher Freund, Herr de Graeff van Polsbroek
aus K a n a GA v a , wohin die Trauerkunde schnell gedrungen war, und
übernahm die weitere Sorge dafür; der Verstorbene war trotz seinem
Verhältniss zur amerikanischen Gesandtschaft immer holländischer
Unterthan gebheben. Gonsul Polsbroek fand unter seinen Papieren die
handschriftliche Uebersetzung des japanischen Staatskalenders, oder,
wie der Titel wörtlich lautet, »Spiegels der Tapferkeit«, welcher die
Aemter und Würden, die Wappen und Feldzeichen und, wie es
scheint, auch die Genealogie der höheren Adelsfamilien enthält. Die
japanischen Behörden thun mit diesem Buche, das für Inländer in
vielen Buchläden zu haben ist, gegen Fremde sehr geheimnissvoll,
und man kann es sich nur auf Umwegen verschaffen1). Bei Aufnahme
des Inventars legte Herr Polsbroek das Manuscript mit anderen
Papieren in ein Buch und dieses mit mehreren Werthsachen in
einen Kasten, der unter Escorte von drei YAKUNmen nach seiner
l ) Dieses Werk ist seitdem mehrfach übersetzt Worden und findet sich im Auszuge
in Alcock’s »Capital of the Tycoon«, im »Chinese and Japanese repository«
No. 23. Mai 1865 und in Brennwald’s »Rapport général sur la partie commerciale
de la mission Suisse au Japon.« Caron publicirte schon im 17. Jahrhundert einen
japanischen Staatskalender, der mit dem heutigen eine hemerkenswerthe Ueberein-
stimmung zeigt. S. François Caron. Wahrhaftige Beschreibung dreier mächtigen
Königreiche. Nürnberg 1663.