
Die Corvette hatte geflaggt und alle im Hafen liegenden Schiffe
folgten ihrem Beispiel, sobald ihre Befehlshaber die Veranlassung
erfuhren. In ähnlicher Weise begingen die Officiere und Mannschaften
der Thetis die Feier auf der Rhede von Y e d d o ; die Matrosen hatten
sich aus eigener Tasche eine grosse Zahl der schönsten geblümten
Papierlateroen angeschafft, mit welchen sie das ganze Zwischendeck
am Abend festlich erleuchteten. Zur Nachfeier begab sich am folgenden
Tage Graf Eulenburg mit Herrn Heusken, dem Legations-
seeretär Pieschel und den drei Gesandtschafts - Attache’s auf Einladung
des Capitän Jachmann zum Diner an Bord der Fregatte.
18. Ootbr. Der 1 8 . October sollte durch eine Landpartliie verherrlicht
werden, zu welcher die Herren der englischen und der amerikanischen
Legation eingeladen waren, doch musste der Ausflug wegen
schlechten Wetters unterbleiben. Die Gäste stellten sich zum solennen
Festmal in A k a b a n e ein, wo die Gesundheit des kronprinzlichen
Paares mit lautem Jubel, aus vollen Herzen und Gläsern getrunken
wurde. Vier Unterofficiere der Thetis, welche auf der ganzen Reise
täglich Quartettgesang geübt und darin grosse Vollkommenheit erlangt
hatten, waren auf Graf Eulenburg’s Wunsch zu dem Feste
herübergekommen und erfreuten die Tischgesellschaft durch ihre
Vorträge. Hatte man bei früheren Gelegenheiten das Musikcorps
der Arkona bewundert, so übten doch die schönen Männerstimmen
und unsere köstlichen deutschen Lieder noch einen weit stärkeren
Zauber; sie machten auf die mit solcher Musik wenig vertrauten
Gäste den angenehmsten Eindruck und erhöhten wesentlich die
festliche Stimmung.
20. Oetbr. Den 2 0 . unternahmen wir einen Spazierritt nach den nördlichen
Stadttheilen; der Weg ging zunächst durch das S i r o , an den Palästen
des Fürsten Oki und des ermordeten Regenten vorbei. Die Strasse,
wo die That geschah, war noch immer gesperrt2). Vom Schlosshügel
in die nächste Gasse hinabreitend wurde unsere Cavalcade
einmal wieder mit dem Rufe » T o d z in - b a k k a «, Toller Fremder, be-
grüsst, unter hellem Kinderjubel, ohne jede Feindseligkeit. Man
passirte lange einförmige Strassen, dann einen freien Platz3), auf
den die Fortsetzung des T o k a id o über N i p p o n - b a s i hinaus mündet;
links zieht sich ein breiter Mauerwall, das S o t o - S i r o und die centralen
2) S.'Bd. I. S. 285.
3) Dieser Platz ist dargestellt auf dem 11. Blatt der "Ansichten aus Japan,
China und Siam«.
Stadtviertel gegen Norden begränzend, nach dem Ilusse zu; ein
mächtiges Festungsthor flankirt den Eingang jff die jenseitigen Stadtviertel.
Unser Weg führte an dem Confucius-Tempel vorbei, dann
wieder durch endlose schmale Gassen; aber plötzlich öffnet sich
die Aussicht: man steht vor einem schilfbewachsenen See mit halb
städtischen halb ländlichen Ufern. Gegenüber liegt mitten im Wasser
ein Tempel mit seinen Nebengebäuden, und am Rande des dahin
führenden Steindammes eine Reihe zierlicher Theehäuschen4). Ein
grünes Vorgebirge, aus dessen dichten Wipfeln die Spitze eines
Mausoleums vorragt, begränzt nach rechts die Aussicht; links
sehweift der Blick nach dem fernen nördlichen Ufer, das ländlich
angebaut ist, eine weite Landschaft umfassend, die nichtsdestoweniger
noch im Umkreise der Stadt liegt; denn jenseit schliessen
zusammenhängende Strassen sie ein, nach denen östlich und westlich
bevölkerte Stadtviertel vorspringen.
Wir ritten das östliche Ufer entlang. Am Ausgangspunkte
des nach der Insel führenden Dammes steht ein hohes steinernes
T o o r i in der Flucht des einladenden Tempelportals; die Thorflügel
wurden uns aber vor der Nase zugeschlagen und die Y a k u n in c
drängten ängstlich vorwärts. — Der grosse B u d d ä A m id a wird nämlich
neben hundert anderen Eigenschaften auch als Gottheit der
Zeugungskraft verehrt, und diesem Dienste.ist der Tempel von
B e n t e n g geweiht. Er soll unter dem Patronate mehrerer D a im io ’s
stehen, die in den angränzenden Theehäusern ausgesuchte Schönheiten
unterhalten. — Als später der Verfasser dieser Blätter von
der Galerie einer gegenüberhegenden Schenke aus den Tempel
skizzirte, kam eine ganze Schaar jener Damen, die wahrscheinlich
niemals einen Fremden gesehen hatten, auf den Balcon des anstossen-
den Hauses. Sie waren sehr hübsch, in prächtige Stoffe gekleidet
und leicht geschminkt. — Die Herren Patrone aber scheinen das
gemissbilligt und Klage geführt zu haben: glücklicherweise war die
Zeichnung fertig, als die Regierung den Künstler bitten Hess seine
Studien anderswo zu machen.
Auch die grünen Anlagen jenseits, welche den nördlichen
Begräbnissplatz der T a ik ü n - Familie einschliessen, ein beliebter
Spaziergang der höheren Stände von Y e d d o , wurden den Fremden
trotz allen Vorstellungen der Gesandten nicht zugänglich. Von
aussen ist der Anblick sehr einladend: mächtige Wipfel mannichfachen
4) S. »Ansichten aus Japan u. s. w.« Blatt 12.