
156 Heuskens Begräbniss. X.
Landseite, mit dichten Hecken, stellenweise auch mit Häuserreihen
gesäumt; mehrere schmale Fusspfade münden hinein, zwischen Hecken
laufend, deren Dickicht zum Hinterhalt sehr geeignet schien. Hier
konnte leicht ein Angriff von entschlossenen Subjecten erfolgen, der
schwerlich ohne Verlust von Menschenleben abzuschlagen, war. Die
Entfernung bis zum Friedhofe beträgt kaum zwanzig Minuten; auf
der linken, vom Flusse bespülten Seite war kein Angriff möglich;
die rechte konnte durch Aufstellung einer geringen Truppenzahl
auf den anstossenden Grundstücken vollständig gesichert werden.
Von einer solchen bemerkten wir aber nichts, und wenn trotzdem
keine Beunruhigung erfolgte, so hatte man das offenbar nicht den
Maassregeln der Regierung zu danken; denn sie beschränkten sich
auf Geleitung des Zuges durch eine Anzahl Yakuninc, deren Gegenwart
nach den eben gemachten Erfahrungen wenig Vertrauen
einflössen konnte. Der Angriff mag beabsichtigt gewesen und nur
wegen der drohenden Reihe unserer Bayonette unterblieben sein;
jedenfalls k o n n te die Regierung ihn von vom herein unmöglich
machen, that aber keine Schritte dazu, sondern vergrösserte nur
die Schreckensgerüchte, um das feierliche Leichenbegängniss zu
hintertreiben. Solche Demonstration in der Hauptstadt des
Reiches war in der That demüthigend für die stolzen Japaner;
sie konnte die Regierung in den Augen des Volkes wohl herabsetzen
.und ihren Gegnern neuen Anhang schaffen. Als wir neun
Monate S später nach Abschluss des chinesischen Vertrages in
P e k i n g waren, liessen die dortigen Behörden den Gesandten bitten,
die als Ordonnanzen mitgenommenen Seesoldaten nicht mit Helm und
Seitengewehr in den Strassen erscheinen zu lassen, und hier
marschirten über siebzig militärisch bewaffnete Seeleute, ihre Officiere
und die Diplomaten in geschlossenen Gliedern umgebend, in drohender
Haltung, den Warnungen der Obrigkeit wie dem Hohn der
Menge trotzend, durch die Hauptstadt des feudalen Adels. Es war
aber nothwendig das feierliche Leichenbegängniss durchzusetzen,
nicht bloss um dem Freunde die letzte Liebespflicht zu erweisen,
sondern auch um die Ehre der Flaggen zu wahren; man trat hier
nicht der W ü rd e , sondern dem D ü n k e l der Japaner entgegen. —
Die Gegenwart der hohen Staatsbeamten bei dem Begräbniss war
eine starke Concession an die Fremden; sie musste dem Volke als
Billigung der Leichenfeier durch die Regierung gelten und war insofern
von ganz besonderem Werthe.
X. Heuskens Begräbniss. 157
Der Friedhof des Tempels von K o s i n g e , w o schon der früher
ermordete japanische Dolmetscher der englischen Gesandtschaft
begraben war, liegt am Ufer des Flüsschens, von hohen Kiefern
und Cryptomerien beschattet. Heuskens Ruhestätte hatte man in
der nordöstlichen Ecke bereitet, lieben einer Erhöhung auf der ein
stattliches Grabmal prangt. Auf den Stufen desselben stellten die
B u n y o ’s sich auf; seitwärts sass auf thronartigem Stuhle der Oberpriester
des Tempels im Ornat, umgeben von mehreren Bonzen.
Die Leidtragenden und das Musikcorps traten zu dem Grabe, die
Truppen nahmen Stellung ringsum, und der Sarg wurde ohne Störung
eingeseûkt. Abbé Girard vollzog die Çeremonieen nach dem Ritual
seiner Kirche, die Musik spielte einen Choral. Darauf begannen die
buddistischen Priester ihre Trauerlitaneien. Herr Harris dankte den
Anwesenden in kurzen bewegten Worten für ihre Theilnahme und
der Zug bewegte sich schweigend nach seiner Behausung zurück.
Wir mussten ihn hier seiner traurigen Einsamkeit überlassen und
verabschiedeten uns mit den übrigen Leidtragenden.
So verging der Tag ohne Störung. Capitän Sundewall, welchem
die Nachricht von dem beabsichtigten Ueberfall mitgetheilt
worden war, hatte übrigens die Barcassen und Pinassen der beiden
Kriegsschiffe armirt nach dem Landungsplätze geschickt, um für
alle Fälle bereit zu sein.
Warum das Schwert des Mörders grade H e u sk e n treffen
musste ist räthselhaft geblieben; er war bei den Japanern aller
Stände behebt und hatte, soviel man weiss, unter ihnen keine persönlichen
Feinde. Alle die wir kannten schien sein Tod aufrichtig
zu betrüben. Als Freund Sebi, der Lackhändler, zuerst wieder in
A k a b ä n e erschien, legte er, den Gesandten begrüssend, unter den
rührendsten Zeichen der Trauer die Hand auf das Herz und nannte
wehmüthig Heuskens Namen. Er selbst musste später vor den
Dolchen der L o n i n c nach O s a k a flüchten, mehrere seiner Gehülfen
wurden ermordet, und das Haus gab, durch weitere blutige Drohungen
eingeschüchtert, später allen Geschäftsverkehr mit den
Fremden auf. In der Nacht nach Heuskens Tode wurde ein Kaufmann
dicht bei dem amerikanischen Tempel auf der Strasse nieder-
gestossen. Diese Thatsachen beweisen, dass es eine Classe fremdenfeindlicher
Fanatiker gibt, welche sogar deren Freunde unter
den Japanern blutig verfolgen. Nach Heuskens Ermordung hiess es,
dass er wegen seiner hervorragenden Thätigkeit bei den Verträgen