
liunderte lang mit Fleiss genährten Abscheu vor dem staatsgefährlichen
Christenthume auch jetzt noch aufrecht halten, oder sollte
sie sich scheuen die »öffentliche Meinung« mit diesem Worte zu
verletzen? Man gab sich zufrieden, als dafür »im Jahre des Herrn«
gesetzt wurde. Moriyama kam dann in den nächsten Tagen noch
mehrfach mit ähnlichen Anliegen, so dass Graf Eulenburg sich veranlasst
sah, den B u n y o ’s seine Unzufriedenheit mit den Behelligungen
des Dolmetschers auszudrücken, und sie ersuchte selbst zu kommen,
wenn sie noch Weiteres wünschten. Sie erschienen denn auch am
8. Januar und erklärten nach einer ganz unwesentlichen Aenderung,
min sei Alles in Ordnung und die Reinschriften sollten besorgt
werden; man schied unter gegenseitigen Glückwünschen und
Artigkeiten.
Die Antwort auf des Gesandten nochmaliges Gesuch an den
Minister — vom 28. December 1860 •— die Zollvereins-Staaten, die
mecklenburgischen Grossherzogthümer und die Hansestädte an dem
Vertrage Theil nehmen zu lassen, kam erst am 11. Januar und
lautete, wie sich erwarten liess, ablehnend. Graf Eulenburg beantragte
dann abermals bei dem Minister die Ausfertigung eines
schriftlichen Versprechens, dass der preussische Vertrag in fünf
Jahren für jene Staaten gültig werden solle, wurde aber auch
darauf abschläglich beschieden. Er hatte mit der letzten Post
durch Vermittelung seiner Regierung ein Schreiben von den Senaten
der Hansestädte an den T a ik ü n erhalten, beschloss aber unter den
obwaltenden Umständen, dasselbe garnicht abzugeben. Denn einmal
hatten es. sich die Vertreter der anderen Mächte in Y e d d o zur
unverbrüchlichen Regel gemacht, persönliche Schreiben ihrer Souveraine
an den T a ik ü n nur in dessen eigene Hände niederzulegen,
und Graf Eulenburg durfte von diesem Grundsatz gewiss nicht abweichen;
dann aber enthielt jenes Schreiben das Gesuch um einen
Vertrag, welchen die Regierung bereits definitiv abgelehnt hatte.
Selbst wenn dem Gesandten die gewünschte Audienz zur Ueber-
reichung seiner Creditive noch ertheilt wurde, war es nicht zweckmässig
das Schreiben der Hansestädte abzugeben, sondern für
künftige Eventualitäten vortheilhafter, die Sache von ihrer Seite
ganz unberührt zu lassen. Wollte er aber mit ihrem Schreiben
anders verfahren, als mit dem seines eigenen Souverains, — indem
er dasselbe dem Minister aushändigte so musste das ihre Würde
in den Augen der Japaner wesentlich compromittiren.
Wir verlebten unsere Tage, der Bedrohung mit Mord und
Brand nicht mehr achtend, in der heitersten Stimmung. Das köstliche
Wetter lockte zu weiten Ausflügen innerhalb der Stadt, denn
draussen waren die Wege unergründlich, die Reisfelder in Sümpfe
verwandelt und zum Theil schon mit Wasser bedeckt, die sie
durchschneidenden schmalen Dämme völlig aufgeweicht. Es fror
jede Nacht und das zolldicke Eis auf den Gräben thaute auch bei
Tage trotz aller Pracht des Sonnenscheins nicht ganz. Auf den
Spazierritten begegnete uns nie etwas Unangenehmes; die Haltung
des Volkes war so freundlich wie früher, die der S a m r a i nicht
drohender; wir waren so sorglos wie jemals zuvor. — Sonntag den
6. Januar hielt ein amerikanischer Missionar in der Wohnung des
Herrn Harris Gottesdienst, zu dem sich die Mitglieder der preussi-
schen. und der englischen Gesandtschaft sämmtlich eingefunden
hatten; nachher blieben die jüngeren Leute in heiterem Gespräch
noch eine Weile bei Heusken zusammen, der ein französisches
Gedicht von sprudelndem Witz, voll Beziehungen auf unsere Lage
und die kleinen Ereignisse des Tages vorlas. Er war in dieser
Zeit so voll Lebensfrische und Frohsinn, wie wir ihn nie gesehen,
lud fast täglich einige seiner Freunde von unserer und den anderen
Legationen zum Essen- ein und bewirthete sie auf das ausgesuchteste.
An diese heiteren Sitzungen, bei welchen seine unerschöpfliche Laune
in den geistreichsten Einfällen glänzte, können seine damaligen Gäste
noch heut kaum ohne Rührung zurückdenken. Heusken hatte,
einer angesehenen Familie entstammend, die reichste und glücklichste
Jugend genossen, dann aber, als sein Vater durch Unglücksfälle
plötzlich verarmte und bald darauf starb, alle Bitterkeiten
des Lebens kennen gelernt. Er erkämpfte sich mühsam seine
Existenz, als der Zufall ihn in Amerika Herrn Harris zuführte, der
damals als Consul nach Japan ging. Seitdem blühte sein Glück
wieder auf. Er gewann das volle Vertrauen seines Chefs, mit dem
er in S im o d a Jahre lang in tiefster Einsamkeit lebte; seine Stellung
wurde durch seine unentbehrliche Mitwirkung bei allen Verträgen
immer einflussreicher und vortheilhafter, er lebte in Wohlstand,
unterstützte seine bejahrte Mutter in Amsterdam durch reiche
Spenden, und hatte für die Zukunft die besten, ja glänzende Aussichten.
Man fühlte sich mit ihm wohl in seiner Existenz, das
Behagen der Lage sprach sich auch in seiner äusseren Umgebung
aus Vor dem heimlichen kleinen Hause blühte ein zierliches
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