
keit und Tyrannei der Japaner, und waren doch deren Mitschuldige.
Die allgemeine Complicität muss alle Offenheit, alles Vertrauen zerstört
haben; Jeder lebte in beständiger Furcht von seinem Nachbar
yerrathen zu werden, suchte sich aber auf dessen Kosten zu
bereichern. Die Statthalter und Handelsvorsteher überlisteten einander
im Grossen, die Gassenrichter, Dolmetscher, Unterkaufleute,
Kuli’s , Matrosen und Handlanger im Kleinen und Kleinsten. Gewinnsüchtige
Beamte fanden immer Mittel ihre Habsucht zu befriedigen,
und die hochfahrende Willkür der Dolmetscher machte die Lage
der Holländer oft unerträglich. Intrigue und Conspiration waren an
der Tagesordnung; auch Frauen wurden hineingezogen, mancher
Diebs- und Liebesroman gedieh zur Catastrophe aufgeschlitzter
Kehlen und Leiber, der stäten Zuflucht des bedrängten Japaners.
Wer Kämpfer’s Berichte mit denen Thunberg’s und späterer
Factorei-Beamten vergleicht, kann eine erhebliche Besserung der
Sitten bei Holländern und Japanern wahrnehmen. In denen der
letzten Jahrzehnte findet sich kaum noch eine Spur der alten
Rohheit; Japan ist in ähnlichem Maasse vorwärts geschritten, wie
europäische Länder die eines langen Friedens genossen. An einzelnen
Beispielen erfreulicher Verhältnisse zwischen Holländern und Japanern
fehlt es auch in den früheren Zeiträumen nicht; sie nehmen aber
zu, je naher die Berichte der Gegenwart rücken. Es gibt kaum
Japan-Reisende, die nicht von rührenden Zügen der Freundschaft,
Uneigennützigkeit und kindlichen Herzensgüte zu erzählen wüssten;
Manche, die länger dort weilten, haben Männer gefunden, eines
bleibenden Freundschaftsbundes so würdig als irgend ein Landsmann.
Die Stellung der fremden Kaufleute in den neu geöffneten Häfen ist
schwierig; sie kommen meist nach Japan ohne einen Begriff von
der Geschichte, den Institutionen und Zuständen des Landes, finden
die Kaufleute, mit denen sie verkehren, weit unter ihrer Würde und
urtheilen danach über das ganze Volk; daher die gewönliche Ueber-
hebung. Sie selbst gelten aber den höheren Ständen des Landes
nicht für ebenbürtig und werden von ihnen geflissentlich gemieden.
Mit den Handelsagenten auf D e s im a war es anders; diese galten als
B e am te und wurden, als Repräsentanten der holländisch-ostindischen
Regierung, bei aller Beschränkung doch mit gewissen Rücksichten
der Ehrerbietung behandelt. Die obersten Vertreter des
Statthalters, welche ihr eigenes Haus auf D e s im a hatten, mussten
sich zu allen Verhandlungen mit dem Vorsteher in dessen Wohnung
begeben; er genoss auf den Hofreisen fürstlicher Ehren und wurde
zur Gegenwart des S io ö u n zugelassen. Auch die Aerzte erfreuten sich
als Diener der Wissenschaft grösser Achtung und erhielten in Y e d d o
Besuche von gelehrten und vornehmen Männern. So war es besonders
für diese beiden Classen leichter als für die heutigen Kaufleute,
mit Japanern von Bildung Verkehr anzuknüpfen, und wo
das erst geschah, trat der persönliche Werth immer bald in seine
Rechte. Bei näherem unbefangenem Umgang sind wohl auch heut
die einer erspriesslichen Entwickelung so schädlichen Vorurtheile
häufig auf beiden Seiten geschwunden.
Einnehmende, bedeutende Persönlichkeiten haben in Japan
niemals verfehlt grossen Einfluss zu üben, wie in neuerer Zeit
die Erfolge der Herren Donker Curtius, Harris und Heusken
bewiesen. Ersterem gelang es durch seinen persönlichen Einfluss
leicht, die Abschaffung des zweihundertjährigen Gebrauches der
Kreuztretung bei den Japanern durchzusetzen, welcher bis dahin in
und bei N a n g a s a k i gegen Ende Februar regelmässig mit grösser
Pünctlichkeit begangen wurde. — Bei unserer Anwesenheit hiess
es, dass die Japaner ihn nach der Abreise des niederländischen
Commissars, die nicht lange zuvor erfolgt war, wieder eingeführt
hätten, — was sich hoffentlich nicht bestätigen wird.
So erklärlich und politisch begründet die Verbannung des
Christenthumes im 17. Jahrhundert, so kleinlich und lächerlich
erscheint die bis zur Zeit der Aufschliessung sehr lebhafte und noch
heute nicht ganz beseitigte Angst der Japaner, dass sich christliche
Priester in das Land schleichen, oder Nachrichten über japanische
Zustände nach Europa gelangen könnten. Die Behörden verhinderten
die Erlernung der Landessprache auf jede Weise. Wenn
Schiffe vor N a n g a s a k i lagen, wurde Abends die ganze Mannschaft
gemustert und aufgeschrieben, dann das Schiff versiegelt, die Nacht
durch bewacht und Morgens die Mannschaft wieder durchgezählt.
Einst war während Kämpfer’s Anwesenheit ein Matrose ertrunken,
ohne dass jemand es wusste; das Entsetzen der Japaner bei der
Entdeckung, dass Einer fehlte, soll gränzenloss gewesen sein; man
fürchtete, ein verkleideter Priester wäre auf das Land entwischt,
und die Wächter machten schon Anstalt sich aufzuschlitzen, als
man den Unglücklichen aus dem Wasser zog. Thunberg berichtet
einen ähnlichen Fall. Die Schiffe mussten bei ihrer Ankunft die
von den Behörden in Batavia beglaubigten Musterrollen alles
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