
ergötzen18); von weitem liört man die rauschende Cascade des
oberen Giessbachs. Dieser soll von munteren Zechern, die sich
versemachend beim Gelage erhitzt haben, oft zur Erfrischung der
umnebelten Sinne benutzt werden; sie stecken das schwere Haupt
in die eisige Traufe um eiligst nüchtern und neuer Genüsse fähig
zu werden. D z u - n i - so gilt als Rendezvous der städtischen Schöngeister;
die Lage ist überaus lieblich und wohl geeignet, poetische
Ergüsse hervorzurufen. — Der Rückweg führte uns die kühle Senkung
liinah; helle Sonnenblicke spielten, das grüne Dunkel durchbrechend,
auf den moosigen Rändern des Bächleins, das murmelnd
wie still vergnügt durch die holde Einöde fliesst Unten öffnet sich
ein Gatter auf das freie Feld; man erreicht westlich gewendet in
wenig Minuten eine belebte städtische Strasse, die in endloser Länge
bis in die centralen Theile von Y e d d o führt. Die Waldeinsamkeit
des K a m i-Hofes lässt die Nähe eines geräuschvollen Stadtviertels
gar nicht ahnen, man findet sich seltsam überrascht.
25. Octbr. Am folgenden Nachmittag führte Heusken uns nach dem am
Ufer des O - g a v a gelegenen Tempel E k o - d z in . Im Inneren brannten
bei unserer Ankunft viele Lichter; wir wollten eintreten, doch wurden
die Thüren verschlossen. Zu beiden Seiten des Tempels standen
Schau- und Kramhuden; man feierte irgend ein Fest und im Tempel
war Gottesdienst. — Wir ritten weiter nach einem Puppentheater
in der Nähe und fanden dort bessere Aufnahme. Das Gebäude war
aus Bambusstangen und Strohmatten zusammengeflickt, aussen hingen
grosse Bilder, Mord- und Greuelscenen, die Bühne lag im oberen
Geschoss; wir erhielten die Ehrenplätze und die Vorstellung begann.
Auf einer Estrade vor uns sass eine colossale Puppe, mit beiden
Händen eine am Boden stehende mächtige Glocke haltend. Die
Puppe beginnt Gesichter zu schneiden; plötzlich öffnet sich ihre
Brust und ein Orchester von vier lebenden Mädchen wird sichtbar,
die unter Lautenbegleitung einen schrillen Gesang anstimmen. Dazu
tanzt eine Marionette von drei Fuss Höhe unter der aufgehobenen
Glocke hervor; ein am Rande der Bühne sitzender Dirigent erklärt,
zwei Hölzer tactmässig aneinanderschlagend, mit lauter Stimme die
Vorstellung. — Die grosse Puppe schliesst ihre Brust, die kleine
verschwindet, es folgt-ein Zwischenact mit Musik; das verborgene
Orchester scheint aus einer Flöte, Pauke und Becken zu bestehen.
— Der Riese hebt abermals die Glocke und darunter erscheint der
18) S. Ansichten aus Japan etc. III. 16.
Götze D a r m a , feuerroth angethan, mit grinsender Fratze; zu seinen
Füssen sitzen drei Marionetten, wenn wir unsere Begleiter recht
verstanden, kleine D a r m a ’s , die sich erheben und einen possierlichen
Tanz aufführen, wozu der alte Götze Gesichter schneidet. — Den
Schluss bildete eine sehr drollige Darstellung: betrunkene Europäer
im G a n y ir o von Y o k o h am a . Die Aufmerksamkeit der Zuschauer war
natürlich zwischen unseren hölzernen Landsleuten auf der Bühne
und den nüchternen Originalen im Parterre getheilt, deren Vergnügen
an der Darstellung schallenden Jubel erregte. So endete das unschuldige
Divertissement. — Wirkliche Theater bekamen wir in
Y e d d o nicht zu sehen, sie'werden in Japan nur vom Volk und den
niederen Beamtenclassen besucht; man führt dort Tänze, Possen,
und Zauberspiele, Mord- und Diebstragödien auf, wobei das H a r a k ir u
eine grosse Rolle spielt. Die Darstellung soll übertrieben, aber nicht
ganz so conventionel und geschmacklos sein wie bei den Chinesen;
alle Frauenrollen werden von Männern gespielt. |S- Eine dramatische
Litteratur höherer Art scheint es nicht zu geben.
Hier möge auch das in Japan so beliebte Schauspiel der
Ringkämpfe erwähnt werden; Einige von uns hatten Gelegenheit,
sich von der Wahrheit der unglaublichen Beschreibungen zu überzeugen
, welche frühere Reisende davon gemacht haben. Die Ringer
werden von den japanischen Grossen zur eigenen und zur Volks-
Belustigung gehalten; sie scheinen zu deren Hofstaat zu gehören,
und ihr Metier in gutem Ansehn zu stehen. Von Gestalt sind sie
wahre Riesen, nicht bloss an Höhe, sondern an Ausdehnung aller
Körperformen, klumpige Fett- und Fleisclimassen, denen man Gewandtheit
und andauernde Muskelkraft nicht Zutrauen sollte. Doch
hebt ein solches Ungeheuer nach glaubwürdigem Zeugniss mit Leichtigkeit
zwei centnerschwere Reissäcke auf die Schultern und trägt sie
tanzend davon. Von Gewandtheit und Ausdauer zeugen ihre Kämpfe,
bei denen sie bald ringen und einander zu Boden werfen, bald wie
Bullen die Köpfe mit Donnergewalt gegen einander rennen, dass
Blutströme zur Erde fliessen. Der Anblick soll widerlich sein; die
Ringer ahmen auch die Gewohnheiten des Stieres nach, dessen
Natur sie angenommen haben; sie stampfen vor dem Angriff den
Boden mit den Füssen, stieren "einander wüthend an, wühlen den
Sand auf und schleudern ihn brüllend und schnaufend über ihre
Schultern. Dank den dicken Fettmassen sind ihre Wunden nicht
gefährlich und nach dem Kampfe stehen sie lachend wieder auf.