
über zehn Millionen Pfund. Die grösste Menge geht nach London,
wird aber von da wieder nach Canada und den Vereinigten Staaten
verschifft. Man glaubt dass in Zukunft viel japanischer Thee nach
Russland wandern wird, wo seit kurzem das Handelsmonopol aufgehoben
und die Einfuhr zur See frei gegeben worden ist, die früher
zum Vortheil des Karavanenhandels beschränkt und nur ausnahmsweise
für einzelne Schiffe gestattet war. Die japanische Regierung
begünstigt die Ausfuhr keineswegs; der Thee ist Lebensbedürfniss
der Landeskinder und seine Vertheuerung muss Unzufriedenheit erwecken.
Da nun die Theecultur viel Terrain braucht und neue
Pflanzungen erst nach Jahren ertragsfähig werden, so kann man
nicht erwarten, dass die Production der gesteigerten Ausfuhr so
bald die Waage halten wird. Die von den Ausländern gern bewilligten
Preise sind viel höher als die vor Eröffnung der Häfen üblichen,
die Nachfrage weit bedeutender als die Anfuhr; so steigert die
Concurrenz der fremden Kaufleute die Preise zum Vortheil der einheimischen
Händler, aber zum Schaden der Consumenten; das Land
muss, wenigstens jetzt, unter diesem Missverhältniss leiden. Legte
die Regierung sich nicht ins Mittel, so müsste gradezu Mangel entstehen.
In Japan wie in China gehört der Thee zu den n o thw e n -
d ig s te n Lebensbedürfnissen; der Theekessel steht in Palast und
Hütte den ganzen Tag am Feuer, man trinkt Thee zu allen Tageszeiten,
bei jeder Malzeit. Thee, nicht rohes kaltes Wasser gilt für
das angemessene Getränk des Culturmenschen; es würde vielleicht
selbst dem Bettler ebensowenig einfallen kaltes Wasser zu trinken
als in einen rohen Kohlkopf zu beissen.
Man geniesst den Thee ganz heiss aus kleinen Schälchen,
ohne alle Zuthat; der Aufguss ist schwach und ohne besonderen
Wohlgeschmack, ein leicht adstringirendes anregendes Getränk.
Möglich dass in den Häusern der Grossen zuweilen Theesorten von
stärkerem Aroma gereicht werden; der im Palast des Ministers
Ando-Tsus-sima-ho-kami unterschied sich nicht bedeutend von dem
welchen wir sonst erhielten. Einigen Einfluss übt wohl die schwache
Bereitung; aber man bekommt auch in China hei den Eingebornen
niemals so aromatischen Thee als wir ihn gewöhnt sind. Die Zunge
des Ost-Asiaten ist eben empfindlicher und nicht durch soviel Salz
und Gewürze abgestumpft, als das Nervensystem des Europäers
braucht; seine feinsten Leckereien schmecken uns schaal und insipide.
So ist es auch mit dem Thee. Man kann mit Sicherheit annehmen,
dass alle sehr aromatischen Arten, namentlich der berühmte russische
Karavanenthee künstlich parfümirt sind; im Lande wird dergleichen
niemals getrunken. — Mit den groben Sorten macht man wenig
Umstände: der Theekessel wird Morgens mit dem Aufguss an das
Feuer gebracht und kocht dort ruhig den ganzen Tag; man setzt nach
Bedürfniss Theeblätter und Wasser zu ohne den Topf je zu entleeren.
Dies Getränk ist angenehm adstringirend und belebend, hat
aber niemals die narkotische Bitterkeit unserer aromatischen Sorten
nachdem sie lange gezogen. Der Verfasser zeichnete in Y e d d o
täglich einige Stunden nach der Natur; wo er sich grade niederliess
brachte man jedesmal gleich aus dem nächsten Hause einen Theekessel
mit Tassen für ihn und die begleitenden Y a k u n in p ,. Diese
Sitzungen dauerten oft drei bis vier Stunden, und das anregende
Getränk war bei Hitze und Kälte eine wahre Wohlthat; man leerte
mit Behagen eine Schale nach der anderen, und wenn der Kessel
erkaltete stand schon ein anderer bereit.
Der sogenannte Mahl-Thee, ein feines Pulver zerriebener Theeblätter
wird nach Siebold aus den gröbsten Sprossen der ersten
Aemte., nach Kämpfer aus den feinsten Knospen dreijähriger Sträucher
bereitet, und nur bei Gastmälern oder festlichen Gelegenheiten
gereicht. Man schüttet, ein Häufchen davon o in die Tasse• ,5 ogiesst
siedendes Wasser darüber und trinkt die durchgerührte Mischung
als dünnen Brei, wie Chocolade.
Siebold hat unter seinen japanischen Pflanzen vier Varietäten
von Thea sinensis beschrieben; der bei Y e d d o wachsende Busch
soll der bei Canton cultivirten Thea bohea gleichen. Darf man der
Japanischen Encyclopädie glauben, so wäre das südliche Korea die
eigentliche Heimath des Strauches; von da sollen Gesandte des
Reiches S i n r a z u Anfang des neunten Jahrhunderts Theesamen
nach Japan gebracht haben, wo das Getränk bald die allgemeinste
Verbreitung fand. Die Legende berichtet von seiner Entstehung
Folgendes: B o d a i - D a r m a , der grosse Prophet, brachte sein Leben
in frommen Bussübungen zu und enthielt sich beständig von Speise
und Schlaf; einmal aber übermannte ihn die Müdigkeit, so dass^er
einschlummerte. Beim Erwachen empfand er nun so bittere Reue,
dass er seine beiden Augenlider abschnitt und zürnend von sich
warf. Am folgenden Tage waren zwei Pflänzchen daraus hervorgesprossen,
deren Blätter D a r m a verspeiste; er empfand davon
die seltsamste Erquickung, alle Müdigkeit war verschwunden und
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