
merksamkeit des Herrn Barons von Richthofen eine frischgeschossene
S ch n e e -E u le , Strix nycteaL., bekanntlich ein circumpolarer Vogel,
welcher nur sehr selten im Winter bis Deutschland herabkommt.
Die Japaner sind im Allgemeinen Vogelfreunde. Dass manche
Bauern den zierlichen Zosterops in Käfigen halten, ist schon erwähnt;
grössere Lachtauben, Columba bitorquata Tem., und noch häufiger
W a c h te ln , den europäischen ganz gleich, sieht man auch oft in
Käfigen, letztere in solchen, die oben nur ein Netzwerk als Decke
haben, da sie gern in die Höhe springen oder flattern und dabei an
einer harten Decke sich den Kopf einstossen würden. Der w e is se
K ran ich , Grus Montignesia Bp., gilt als heilig und Sinnbild des Glückes;
in der Menagerie zu Yokohama wurden mehrere lebend gehalten,
und als ich die Absicht äusserte, sie zu kaufen, exorbitante Preise
dafür gefordert, wahrscheinlich nur eine höfliche Form der Ablehnung;
auch fanden wir uns bewogen, die vergeblichen Kranichnachstellungen
vor den Japanern geheim zu halten. Kein Vogel ist
so häufig, wie dieser, bildlich dargestellt, in Bilderbüchern, auf
lackirten Theebrettern und Schränkchen, endlich in Bronze ausgeführt
als Lampenträger und sofort; er scheint noch eine weit
bedeutendere Rolle in poetischen Sagen und kindlichem Glauben der
Japaner Zuspielen, als der europäische Kranich im alten Griechenland
oder der Storch in Deutschland. Vielleicht wird er auch deshalb
so hoch gehalten, weil er als vorzugsweise zur Falkenjagd geeignetes
Wild ein fürstliches, dem gemeinen Mann verbotenes Thier ist,
wie früher bei uns Edelhirsch und Wildschwein. Dass er trotz
angeblicher Heiligkeit mit Falken gejagt wird oder wurde, zeigen
die Bilderbücher. Doch reicht dieser Grund kaum aus, das grosse
Ansehen zu erklären, worin er steht, denn eben so wird z. B. der
Fasan gejagt. Auch einen jungen weissen Storch, mit noch schwärzlichem
Schnabel, sah ich in der Menagerie zu Yokohama. In Yeddo
traf ich in verschiedenen Strassen grössere und kleinere Vogelhandlungen,
welche neben den unvermeidlichen, durch europäische
Schiffe gebrachten Reisvögeln und Kanarienvögeln auch ein hübsches
Sortiment einheimischer Arten enthalten, nicht nur Kömerfresser,
wie Kernbeisser, Gimpel, Ammern, und Beerenfresser, wie Drosseln
und Meisen, den Staar u. a., sondern auch ächte Insectenfresser,
z. B. Fliegenschnäpper, Rothkehlchen, selbst Spechte. Als Universalfutter
für alle diese dient ein grüner Brei, dessen hauptsächlichste
Ingredienzien frische saftige Blätter (einer Umbellifere?) und zu
Mehl zerriebene getrocknete Fische sind. Mein anstelliger japanischer
Diener lernte es bald selbst zurecht machen, es musste aber zweimal
täglich frisch bereitet werden, sonst kamen manche Vögel um. Auch
kleinere Raubvögel werden daselbst lebend gehalten, so ein T h u rm fa
lk e , Falco tinnunculus Japonicus T. Schl., der Z w e rg fa lk e , F.
aesalon L., und ein ziemlich kleiner K a u z , Strix (Scops) semitorques
Tem. und Schleg., dessen komische Bewegungen uns noch auf dem
Schiffe viele Freude machten. Einigen meiner Vögel kam aber ihre
Nachbarschaft theuer zu stehen: als einst ein ganzer Transport
Vögel in meiner Wohnung ankam, wurde der Käfig des Zwergfalken
unvorsichtiger Weise neben die anderen gestellt, und wenige Minuten
nachher lag im nächsten Käfig, an der dem Raubvogel zugewandten
Seite, der Bewohner todt. Der Raubvogel musste mit seinen Krallen
zwischen den Stäben beider Käfige durchgedrungen sein, konnte
aber seine Beute nicht hindurchziehen. Den kleinen Kauz hatte
ich in der Kabine auf See bei Tage manchmal freigelassen, und er
benahm sich in meiner Gegenwart ganz Vertrauen erweckend; als
ich aber einmal plötzlich hinausgerufen worden war, sah ich ihn
bei meiner Rückkehr in verdächtiger Weise von der Seite des Käfigs
eines meiner letzten kleinen Singvögel wegfliegen, und richtig lag
darin die bereits zerrissene Leiche des Bewohners. Dass die Raubvögel
solche Streiche versuchen, wunderte mich nicht, wohl aber,
dass ihre Opfer nicht verständig genug waren, sich stets an der
entgegengesetzten Seite zu halten, wo sie sicher gewesen wären;
wahrscheinlich flogen sie in ihrer Angst im ganzen Käfig herum und
kamen so selbst zwischen die Krallen des Räubers. Ein derartiges
kopfloses Benehmen erklärt vielleicht auch Einiges von der sogenannten
Bezauberung der Vögel durch die Klapperschlange.
Sowohl in jenen Vogelhandlungen und durch meinen eingeborenen
Diener, welcher selbst kitsi (geschrieben kisi), Fasan,
sich nannte, als aus den Bilderbüchern, lernte ich eine nicht unbeträchtliche
Anzahl japanischer Namen für Vögel kennen, und da
in der Fauna Japónica nur sehr wenige genannt werden, dürfte es
nicht unangemessen sein, ein »raisonnirendes« Verzeichniss derselben
hier zu geben.
R a u b v ö g e l .
Die edleren Stossvögel, Falken und Habichte, heissen im
Allgemeinen tak a . In der Encyclopädie, Heft 44., eröffnet ein