
TROPISCHER THEIL DES ATLANTISCHEN OCEANS.
B e i gutem Winde hat der Zoolog nichts *zu thun; seine Erntezeit ist
die Windstille, bei der jeder andere auf dem Schiff müssig und
ärgerlich ist. Glücklich, wenn er dann von diesen nicht in seinen
Arbeiten gehemmt wird oder das schwimmende Netz auf höheren
Befehl eingezogen wird, weil Hoffnung auf Wind sich zeigt. Zwei
Tage Windstille unmittelbar nach der Abfahrt von Madeira, also
nahe der Gränze der Tropenzone, und ungefähr eben so viele am
Aequator gestatteten mir einen Blick in die pelagische Fauna, die
weder ganz arm, noch sehr reich ist.
Aecht pelagisch, von der Nähe des Landes fast oder ganz
unabhängig, sind unter den Wirbelthieren nur wenige; von Säuge-
thieren die Wale, der Kaschelot und die Delphine; von Vögeln die
Sturmvögel, einschliesslich der Albatrosse, und einige Ruderfüssler,
wie Fregattvogel und Phaeton; von Reptilien die Meerschildkröten
und Meerschlangen (Hydrophis); von Fischen hauptsächlich Scom-
beroiden und fliegende Fische, sowie einige Haie und Riesenrochen
(Cephaloptera). Von diesen wiederum sind die Wale und Sturmvögel
hauptsächlich den kälteren Zonen, die Meerschlangen dem
indisch-pacifischen Ocean eigen; die übrigen finden sich innerhalb
oder nahe der Tropenzone rings um die Erde; Delphine, Kaschelot
und Haie auch in kälteren Meeren.
D e lp h in e , von den Matrosen Tümmler genannt, sahen
wir sowohl bei Madeira, als nahe dem Aequator; hier kamen sie
ganz nahe an unser Schiff, und ich glaubte ihrer äussern Gestalt
nach sie als zur Unterabtheilung Grampus Gray (Delphinus griseus
Cuvier) gehörig ansprechen zu dürfen. Zuerst erschien meist nur
die hohe Rückenfinne über Wasser, dann die Schnauze und ein
Theil des Rückens, seltener wurde der Kopf senkrecht über'Wasser
erhoben. Sie schnaubten wie Pferde und zuweilen war ein aufsteigender
Strahl sichtbar; die Erklärung, dass das Wasserspritzen
der Cetaceen nur auf dem Niederschlag des in der Athemluft enthaltenen
Wasserdunstes durch die Kälte der Atmosphäre beruhe,
klang hier, unter 1° 5' Südbreite bei einer Morgentemperatur von
24,8° R., nicht sehr plausibel. Das Untertauchen ging ruhig von
Statten, im Bogen nach vorn und unten, so dass der Rücken dabei
in grösserer Ausdehnung sichtbar wurde.
Die p e la g is c h e n Vögel waren im tropischen Theil des
atlantischen Oceans nicht zahlreich; mehrmals sahen wir kleine
Schwalben - Sturmvögel (Thalassidroma mit gerade abgestutztem
Schwanz, also wohl Th. pelagica L.), oft dicht hinter dem Schiffe,
über die Wogen dahinstreifend; sie zeigten sich besonders häufig
südlich von der Linie, im Südostpassat, doch auch schon vorher.
Der Abend des ersten Tags, an welchem sich nach längerer Windstille
der Südostpassat eingestellt, 3. Mai unter 2° 40’ Südbreite,
brachte uns auch den ersten und einzigen Tropikvogel, Phaeton,
seiner langen Steuerfedem wegen Schwanzspieker von den Matrosen
genannt; er schwebte hoch über dem Schiff, ruhig mit ausgebreiteten
Flügeln, die er nur sparsam bewegte, und konnte hier so wenig
als die Sturmvögel die Nähe von Land verkündigen. Truppen
grösserer Vögel, braun mit weissem Halsband oder grau, von rnö-
venartigem Aussehen, aber wahrscheinlich doch zur Sturmvogelfamilie
gehörig, zeigten sich einigemal, doch stets in solcher Entfernung,
dass sie nicht deutlich erkannt werden konnten. Angesichts
der Küste von Brasilien, den 17. Mai, unter 23° Südbreite, erschien
auch die den südlicheren Gegenden eigene »dumme Seeschwalbe«
(Sterna stolida L., Anous Leaeh), ausgezeichnet durch die verhält-
nissmässig ausserordentliche Länge und Schmalheit der ausgebreiteten
Flügel, worin sie dem Fregattvogel gleicht, aber ohne den
Gabelschwanz des letztem; sie fliegt mit häufigen Flügelschlägen,
wie die Raben, bald hoch, bald niedrig, mischt sich unter die
Sturmvögel und setzt sich auch zuweilen auf das Wasser; zwei
derselben folgten dem Schiffe längere Zeit, doch ohne so dumm zu
sein, sich fangen zu lassen.
S e e s c h ild k rö te n wurden in der Nähe von Madeira während
der Windstille mehrfach beobachtet und auch eine gefangen; sie
ergab sich als die auch im Mittelmeer lebende Art (Chelonia caouana
Schweigger = Caouana caretta Gray), mit 27 Randplatten und mit
je zwei Nägeln an jedem Fuss; an ihrem Halse und an den Vorder