
XI.
SINGAPORE.
30. JÜLI BIS 12. AUGUST 1860.
15. SEPTEMBER BIS 5. NOVEMBER 1861.
17. FEBRUAR BIS 15. MÄRZ 1862.
Diese Insel, ein unbedeutendes Anhängsel des unbedeutenden Malaienstaates
Djohore, bis 1818 die Engländer hier eine Niederlassung
gründeten, ist seitdem der Knotenpunkt des europäischen Verkehrs
mit Ostasien geworden; hier trafen die auf dem Seeweg und die
über Land (d. h. über die Landenge von Suez) gekommenen Glieder
der Expedition zusammen, von hier aus und hierher zurück gingen
die I ährten nach Japan und China, nach Siam und in den indischen
Archipel. Der erste kürzere Aufenthalt diente mir zur allgemeinen
Orientirung, den zweiten benützte ich hauptsächlich zum Sammeln
von Meerthieren, namentlich an den Korallenbänken, unter thätiger
Beihülfe des verstorbenen Stabsarztes Dr. Jo h sw ic h , wobei mir der
Aufenthalt der Fregatte Thetis theils in Newharbour, dem für die
Postdampfer neu eingerichteten Hafen, theils bei den nächstgelegenen
kleinen Eilanden selbst behufs Schiessiibungen trefflich zu Statten kam.
Das drittemal bezog ich mit dem leider auch verstorbenen Botaniker
der Expedition, Otto S c h o ttm ü lle r , auf freundliche Einladung
des englischen Polizei-Inspektors P e n n y f a th e r ein einzelnes Haus,
nahezu in der Mitte der Insel, zunächst dem Bukit-tima (Zinnhügel)
gelegen und machte von da aus Landexcursionen, einmal bis auf
das Festland von Djohore hinüber.1)
1. Landthiere.
. Der vorherrschende Boden ist ein rother Lehm, in der Stadt
selbst viel Staub gebend, so dass nach jedem Gange die weissen
Strümpfe des Europäers mehr oder weniger rcdh gefärbt erscheinen.
Der höchste Hügel in der Mitte der Insel, der eben erwähnte Bukit-
tima (530 engl. Fuss) besteht, wenn ich mich recht erinnere, aus
Granit, andere niedrigere aus Sandstein. .Ursprüngliche Wälder,
voll Schlingpflanzen und Orchideen, nehmen noch einen bedeutenden
Theil des Areals ein, werden aber mit jedem Jahr mehr beschränkt
durch den sich ausdehnenden Anbau des Gambir und des Pfeilers.
Gerade diese Zunahme der Kultur hat hier eine sonderbare Folge
gehabt, nämlich die Zunahme der Häufigkeit des T ig e rs. Früher,
als Singapore nur wenige Einwohner zählte und diese alle dicht
beieinander wohnten, war der Tiger eine Seltenheit auf der Insel,
man sagt, es seien gar keine dagewesen; aber seitdem in neuerer
Zeit die Zerstreuung der Arbeiter in den genannten Pflanzungen und
das frei umherlaufende Vieh der kleineren Niederlassungen ihm
bequeme Beute bieten, ist sein Erscheinen auch häufig geworden.
Man behauptete zu unserer Zeit, dass auf der Insel (von etwa vierzehn
Quadratmeilen mit rund 100,000 Einwohnern) täglich ein Mensch
von einem Tiger gefressen werde; jedenfalls ist in der Stadt selbst
die Nachricht, es sei ein Chinese in der Nachbarschaft auf diSse
Art umgekommen oder es sei ein Tiger gefangen worden, durchaus
nichts Ungewöhnliches. Gleich in den ersten Tagen unseres Aufenthalts
sah ich ein lebendig gefangenes prachtvolles Exemplar und
hörte, dass ein Tiger den Abend zuvor in der Vorstadt einen Wagen
angefallen und einen Chinesen von da w7eggenommen habe; später
sah ich beim preussischen Consul einen allerliebsten jungen Tiger
von der Grösse eines mittleren Hundes, wie die alten gezeichnet,
zahm und spielerisch wie eine junge Katze. Während unseres
Aufenthaltes auf Bukit-tima aber fanden wir eines Morgens die
frischen Spuren, Tatzen von 20 Centim. Breite, auf unserm Wege und
hörten dann, dass ein Tiger des'Abends in der Nachbarschaft eine
Kuh zerrissen. Doch wusste man keinen Fall zu erzählen, dass ein
Europäer von einem Tiger getödtet worden sei, diese kommen
freilich auch wenig aus der Stadt und dann meist in Gesellschaft.
Von dem genannten Herrn Pennyfather und einem früheren
Polizei- Inspektor, Herrn Franke, erhielt ich glaubwürdige Nachrichten
über dieses Thier; zu ihren Obliegenheiten gehörte auch die
Todtenschau und da ihre Distrikte ausserhalb der Stadt gelegen,
so hatten sie viele vom Tiger getödtete Menschen gesehen. Ihren
übereinstimmenden Erfahrungen nach ist es allgemeine Regel, dass
der I iger seinem Opfer, meist einem in den genannten Pflan