
bedingt aber auch die Tiefe eine wesentliche Aenderung des Thierlebens.
Zwischen Fluth- und Ebbegränze (Litoralzone) ist selbstverständlich
der Boden dem Einzelnen ohne besondere Apparate
noch zugänglich und daher am leichtesten seine Fauna zu erforschen.
Für bedeutende Tiefen sind besondere Apparate und ein Aufgebot
von mehr Menschenkräften erforderlich, es ist daher deren Erforschung
erst in neuerer Zeit für die europäischen Meere, in aller-
neuester auch für den indischen Ocean beosonnen.
S c h l ammgrund herrscht einerseits an Flussmündungen,
andererseits in grösseren Tiefen vor, wir haben demnach eine Fauna
des Schlammgrundes in der Litoralzone, welche sich eng und ohne
scharfe Gränze an die schon oben S. 317 besprochene Brackwasserfauna
anschliesst, und eine Fauna der tiefen Schlammgründe, die
charakteristische Tiefseefauna. Gemeinschaftlich beiden ist etwa
nur das, dass beide keinem stärkeren Wellenschlag ausgesetzt sind,
daher die einzelnen Tliiere weniger Schutz und Widerstandskraft
gegen mechanische Unbilden bedürfen, also dünnschalige, überhaupt
zarte, zerbrechliche Thierformen nicht selten sind, wie ja bekanntlich
auch manche Tiefseefische durch den losen Zusammenhang
ihrer Wirbel aulfallen.
An den Flussmündungen treten der Süss- und Brackwasser-
Fauna gegenüber die Meerthiere zuerst entschiedener in den Mangle-
Dickichten auf, welche nicht allein von den eigentlichen Mangle,
Rliizophora, sondern auch von im Flabitus ähnlichen Stauden oder
Bäumen aus ganz anderen Familien des Pflanzensystems gebildet
werden, besonders den Gattungen Sonneratia (Myrtaceen), Avicennia
(Verbenaceen) und Aegiceras (Myrsineen). An den lebenden Blättern
dieser Gewächse sitzt häufig über Wasser eine ihrer Verwandtschaft
nach schon zu den Meerthieren gehörige Strandschnecke, Litorina
scabra L. (Buccinum foliorum bei Rumph), spiralgestreift, hellbraun
mit dunkelbrauner Flammenzeichnung, dünnschaliger als die Felsenstrandschnecke
unserer Nordsee (L. litorea), an den aus dem Schlammgrund
vorragenden Wurzeln, Cerithium (Potamides) sulcatuin Br.,
von Rumph deshalb strombus mangiorum genannt; er gibt an, es
hauptsächlich an Sonneratia gefunden zu haben, die Litorina erinnere
ich mir speziell an den Blättern von Aegiceras gesammelt zu
haben, glaube aber nicht, dass die eine oder die andere Schnecke
an die' betreffende Pflanzengattung sich bindet. Auriculaceen (vgl.
oben S. 318) finden sich oft in unmittelbarer Nähe, an dem lebenden
oder todten Holz, oder auch auf dem Schlammgrunde selbst. Berühmt
sind die Mangle-Dickichte aber dadurch, dass in ihnen »die
Austern auf den Bäumen wachsen«, freilich nicht überall, und soviel
ich beobachten konnte, hauptsächlich nur an dem der See zugewandten
Rande der Dickichte. Es sind das grössere oder kleinere
Austern mehrerer Arten, namentlich die flachere blasse 0. parasitica
und die scharfgefaltete gelbe oder röthliche O. folium, welche an
den Stammstützen und selbst an den ins Wasser herabreichenden
Zweigen festsitzen, die erstere unmittelbar mit der bchalenfläche
aufgewachsen, die letztere oft mit eigenen aus der Schale sich erhebenden
Klammern die dünnen Sprosse (z. B. von Aegiceras) umfassend.
All diese Weichthiere der Manglesümpfe bis zur Grösse
der Litorina herab werden von den Eingebornen gerne gegessen,
es sind keine schädlichen darunter bekannt und sie sind meist mit
geringer Mühe in grösser Menge zu sammeln; eine besondere Rolle
für den Tisch der Europäer spielen übrigens auch die Austern in
Indien nicht.
Schlammstrecken, welche nicht mehr dem \Vechsei von Süss-
und Meerwasser unterworfen sind, beherbergen verschiedene weiche
langschwänzige Krebse aus der Familie der Tliala.ssinen und manche
dünnschalige Muscheln, wie Telliniden und Soleniden; all diese
graben sich in den Boden ein, während die Meerschneckengattung
Nassa frei auf der Schlammfläche herumkriecht. In weichem schwärzlichen
Grund in der Bai von Amboina lebt häufig eine dünne violettblaue
Muschel mit strahliger Zeichnung, Psammobia violacea und
Ps. radiata, deren Fleisch von den Eingebornen zu einer gewürzreichen
Brühe, bokassan genannt, verarbeitet wird.88) Der eigentümliche
Molukkenkrebs oder Pfeilschwanz, Limulus Moluccanus,
findet sich an sehr seichten schlammigen Stellen der Küste, ähnlich
wie unser Kiefenfuss, Apus cancriformis, in Deutschland in untiefen
Lehmgräben; er ist aber nicht etwa den Molukken, der östlichen
Hälfte des Archipels, eigen, ich fand ihn z. B. auch bei Muntok auf
Banka; er bewegt sich nur langsam vorwärts, erhebt aber bei Berührung
drohend den Stachel und kann sich mittelst desselben umwenden
, wenn er auf den Rücken gelegt wird, wie die Süsswasser-
Schildkröten mittelst des Idalses, freilich beide in der Regel erst
nach mehreren vergeblichen Versuchen.
Von der Thierbevölkerung etwas tieferer Schlammgründe
gibt die Ausbeute eines Schleppnetzzuges eine Andeutung, welchen