
284 Riesenschtangen des indischen Archipels.
die Ratte«. Als Rattenvertilgerin wird sie daher auch in den Häusern
geduldet und vielleicht auch ursprünglich dieses Nutzens
wegen, vielleicht aber auch nachdem Satze: timor fecit deos, oder
aus einer unklaren Cönfusion beider Gründe öfters als heilig betrachtet.
Wer eine tödtet, soll bald darauf selbst sterben, sagt der
Aberglaube auf Amboina, obwohl schon der für seine Zeit hinreichend
aufgeklärte Prediger Valentyn keinen ändern Schaden darnach
verspürt zu haben bezeugt als die Zunahme der Ratten im
eigenen Hause; auch dieses wusste der Aberglaube sich zurechtzulegen
: der Geist der Schlange habe über einen Prediger keine Macht.
Ebenso wird sie von den Chinesen in ihren Dschunken gerne ge- o o
sehen und als ein Pfand des Glückes betrachtet, wenn sie etwas
frisst, als Unglück, wenn sie die Dschunke verlässt, und so hat die
Schifiahrt der Chinesen vermuthlich zu ihrer weiten Verbreitung
durch den Archipel beigetragen. Valentyn sagt ausdrücklich von
Amboina in dem ersten Viertel des vorigen Jahrhunderts: sie kommt
gegenwärtig hier häufig vor, doch ist sie mit den chinesischen oder
javanischen Schiffen herübergebracht. Auch ist sie in neuerer Zeit
von der kleinen isolirten Bandagruppe und von China selbst angegeben
worden, was beides durch Verschleppung mittelst Schiffen
seine Erklärung findet. Die Amboinagruppe der Molukken besitzt
übrigens noch einen anderen Python, den P. (Liasis) amethystinus
Schneid, sp., vielleicht Valentyn’s rothe oder apfelblüthfarbne
Schlange, Timor nebst dem anliegenden Samao den diesem sehr
nahe stehenden P. Mackloti D. B., auf Timor mir als ular-menke
bezeichnet.
Beiden Hauptgruppen der Molukken gemeinschaftlich, aber
den Sunda-Inseln fremd, ist eine kleinere Verwandte der amerikanischen
Boa, Enygrus carinatus Schneid, sp.; die zusammengedrückte
Form ihres Körpers liess in ihr eine Wasserbewohnerin vermuthen,
daher der Name En-ygrus, im Feuchten, nass, aber die kurze, eingebogen
gehaltene Schwanzspitze und die ockergelbe Erdfarbe widersprechen
dieser Vermuthung; in der That fand ich sie auch auf
Moti (zwischen Tidore und Makian) nicht im Wasser, sondern auf
dem Berge im Wald, unter trocknem Laub zwischen Baumwurzeln,
und hörte, dass sie auch in Häusern gefunden werde. Unter den
natterartigen (Colubrina) treten im indischen Archipel die dünnen,
theils schön grünen, theils lebhaft gezeichneten, theilweise spitz-
nasigen B aum sch lan g en hervor: Dendrophis pictus Boie, oben
Baumschlangen, Wasserschlangen u. s. w. 285
dunkel bronze-braun, mit hellgelbem Streifen an der Seite, ist mir
am häufigsten vorgekommen, überall von Sumatra bis Ceram wiederkehrend,
etwas weniger oft der schönere Dendrophis (Chrysopelea)
ornatus Shaw, mit goldenen oder röthlichen Querbändern auf dem
Kopf, auf Siam, Sumatra und Banka (auch Java nach Schlegel),
welchem auf Borneo und den Philippinen D. rubescens Gray, auf
Amboina D. rhodopleurus Reinw. entspricht, letztere vermuthlich
Valentyn’s ular tsjinde, Seidenzeugschlange. Durch die Sunda-
Inseln und Molukken zugleich verbreitet dürften noch einige wenige
andere seit lange in den europäischen Sammlungen bekannte Colu-
brinen sein, so Brachyorrhos albus (auf Amboina mir fälschlich als
ular mata-buta, Blindschlange, bezeichnet), und Lycodon aulicus
(bis Timor), dagegen den drei grossen Sunda-Inseln (oft auch Celebes)
gemeinsam, aber den Molukken fremd, viele Arten, welche
in den dort von Liebhabern zusammengebrachten Reptiliensammlungen
bis zum Ueberdrusse wiederkehren, so Simotes octolineatus
und purpurascens, Ablabes balioderus, Coluber korros, fuscus und
(Spilotes) melanurus, Tropidonotus quincunciatus, vittatus, (Am-
phiesma) rhodomelas, subminiatus, Herpetodryas (Gonyosoma) oxy-
cephala, Psammophis pulverulentus, Dryiophis prasinus, mycterizans
und Dipsas dendrophila. Umgekehrt gehört die lang bekannte Dipsas
irregularis Merr. den Molukken an.
Die aus dem Typus der Colubrinen bereits heraustretenden
Süsswasserschlangen, Homalopsis und Verwandte, sind wie viele
andere Süsswasserthiere auf den Molukken weniger zahlreich als
auf den grossen Sunda-Inseln; am weitesten verbreitet scheint H.
(Cerberus) cinerea Daud. = boaeformis Schneid, zu sein, wir kennen
sie von Malakka bis Timor; H. (Hypsircina) aer Boie von Java,
Borneo und Sumatra hat ihren Namen nicht etwa von aer, Luft,
sondern aus dem malaiischen ular ayer, Wasserschlange überhaupt,
erhalten und ist daher richtiger ayer oder ajer zu schreiben. Xeno-
dermus Javanicus Reinh. und Acrochordus Javanicus Hornstedt sind
bis jetzt in der That, wie ihr Name verlangt, nur auf Java gefunden
worden.
Auch im indischen Archipel, wie überall auf Erden, gelten
bei den Ungebildeten und Halbgebildeten alle Schlangen für g iftig ;
in der That ist das aber nur bei einem Bruchtheil der Fall, etwa \
der von den grossen Sunda-Inseln, \ der von den Molukken und
Timor bis jetzt bekannt gewordenen Arten. Aber die für Europa