
dass weil er eine Keule ist, er kein Spaten sein kann, ist ein nichtiges Beginnen; die Hauptsache liegt
in dem Werthe der Definition.“
Die Art und Weise, wie Bethe (S. 24) die von mir in meiner Schrift „ I n s t in k t u n d I n t
e l l i g e n z im T h i e r r e i c h (58) gegebenen Begriffsbestimmungen von Instinkt und Intelligenz zu
widerlegen gesucht hat, darf ich hier ebenfalls nicht mit Stillschweigen übergehen, so gerne ich es im
Interesse meines geschätzten Herrn Kollegen thun möchte. Er hat nämlich meine Darstellung in einer
fast unbegreiflichen Weise missverstanden. Ich hatte als „ I n s t in k t im e n g e r e n S in n e “ dasjenige
bezeichnet, was man bisher auch in der modernen Zoologie als Instinkt bezeichnet hatte. Ferner
hatte ich die Modificirung der erblichen Instinkte, die auf Grund der Sinneserfahrung des Individuums
erfolgt, wegen ihres innigen Zusammenhanges mit den erblichen Instinkten als „ In s tin k t im w e ite r en
S in n e “ bezeichnet. Yon dieser Unterscheidung sagt Bethe nichts, sondern er behauptet bloss, ich
hätte „zwei ganz verschiedene Dinge durcheinandergeworfen“ und meine Begriffsbestimmung sei „unklar“.
Etwas ausführlicher wendet er sich sodann gegen meine Definition der I n t e l l i g e n z , die ich
als „ f o rm e l le s S c h lu s s v e rm ö g e n “, als „ f o rm e l le s Z w e c k b e w u s s t s e in “ klar entwickelt
hatte. Was Bethe hiegegen vorbringt, lautet wörtlich:
„Wenn man lediglich den Maassstab Wasmann’s anlegt, so kommt man auch bei den Menschen
zu dem Resultat, dass das Gros dem Instinkt folgt, während nur wenige Bevorzugte Intelligenz besitzen.
Der einfache Mann isst, w i e d e r H u n d u n d d a s P f e r d , in s t in k t i v , w e ile r dem Trieb
des Hungers folgt, weil es ihm gut schmeckt und er eventuell sagt: das ist nothwendig, um das Leben
zu erhalten. D a s i s t a b e r n o c h k e in Z w e c k b e w u s s t s e in . Nur der physiologische Chemiker
isst mit Intelligenz; denn er a l l e in gibt sich Antwort auf die Frage, w a rum e r N a h r u n g zu
s i c h nim mt. Der einfache Zimmermann schlägt seine Balken in bestimmter Weise zusammen, w e il
es erfahrungsgemäss so und so gemacht werden muss, r e in i n s t i n k t i v (n a c hW a sm a n n ) , o h n e
Z w e c k b e w u s s t s e in . Nur der studirte Baumeister, der die Regeln der Mechanik kennt, baut mit
Intelligenz; denn er allein ist sich bewusst, warum er Balken von bestimmtem Querschnitt benutzen
muss, warum er sie in dieser Weise und nicht anders zusammensetzt.“
Wenn das Gesagte wirklich aus meiner Definition der Intelligenz folgte, so würde ich es .
allerdings Niemandem verargen, dass er sie unhaltbar findet. Aber es dürfte nicht schwer sein, zu
erkennen, dass hier ein Irrthum von Seite Bethe’s vorliegt. Er verwechselt zwei ganz verschiedene
Begriffe: w i r k l i c h e s ( fo rm e lle s ) Z w e c k b e w u s s t s e in und v o l lk om m e n e s ( a d a e q u a t e s )
Z w e c k b e w u s s t s e in . Ersteres ist nach meiner Darlegung erforderlich zum Begriffe der Intelligenz,
letzteres hat Herr Bethe statt dessen untergeschoben. Auch der gewöhnliche Mann isst mit Intelligenz,
weil er, wie B. selber zugibt, sich dabei des Zweckes bewusst ist, seinen Hunger zu stillen und sein
Leben zu erhalten. Auch der einfache Zimmermann arbeitet mit Intelligenz, weil er die Absicht hat,
diese oder jene bestimmte Balkenverbindung herzustellen. Dass zu einer intelligenten Handlung eine
e r s c h ö p f e n d e , v o l l s t ä n d i g e Erkenntniss der in denselben enthaltenen Zweckbeziehungen erforderlich
sei, ist ganz neu, und bisher meines Wissens nur von Herrn Albrecht Bethe aufgestellt worden.
Es ist ferner unrichtig, wenn B. angibt, der Mensch esse r e in in s t in k t i v wie der Hund
und das Pferd; denn er fügt ja selber bei, ersterer sage eventuell „das ist nothwendig um das Leben
zu erhalten“. Darin zeigt sich gerade der Unterschied zwischen dem blossen Instinkt des Thieres und
dem mit Intelligenz verbundenen Instinkte des Menschen. Bethe, der mit „voller Skepsis“ den
psychischen Erscheinungen des Thierlebens gegenübersteht, wird nicht behaupten wollen, auch der Hund
und das Pferd ässen eventuell in der intelligenten Absicht, ihr Leben zu erhalten; denn dadurch
würde er sich zu den Grundsätzen der vulgären Psychologie bekennen, welche das Thierleben willkürlich
vermenschlicht.
Ich kann daher das Urtheil darüber, in wie weit es Herrn B. gelungen ist, meine Begriffsbestimmungen
von Instinkt und Intelligenz zu widerlegen, Anderen überlassen.
Ferner macht Bethe die Bemerkung (S. 24), dass ich mich bei Erörterung der Begriffe von
Instinkt und Intelligenz „auf allerhand Autoritäten, h a u p t s ä c h l i c h K i r c h e n v ä t e r “ berufen habe.
Dass er die namhaften Vertreter der scholastischen Philosophie, die ich bei jener Gelegenheit nebenbei
citirt hatte, hauptsächlich für „Kirchenväter“ ansieht, ist allerdings ein historischer Irrthum; denn
die Periode der Kirchenväter endet bereits mit dem siebenten oder achten Jahrhundert, die von mir
daselbst citirten Philosophen gehörten dagegen mit Ausnahme von Aristoteles, der wohl kein „Kirchenvater“
war, und von Thomas v. Aquino ( f 1274), der kein Kirchenvater, sondern bloss ein Kirchenlehrer
war, sämmtlich der Neuzeit (nach 1500) an. Jenen Irrthum bezüglich der „Kirchenväter“
darf man Herrn Bethe wohl nicht zu sehr verargen, da das betreffende Wissensgebiet ihm völlig
fremd ist. Daher wäre es aber auch besser gewesen, wenn er dasselbe gar nicht berührt hätte.
Ich hielt es stets für meine Pflicht, das Gute, das sich in der Psychologie der alten philosophischen
Schulen findet, anzuerkennen und jeDe Punkte, in denen ich mit denselben übereinstimme,
nicht für neue eigene Entdeckung auszugeben. Ich ging dabei von dem Grundsätze aus, dass man
auch eine a l t e W a h r h e i t anerkennen müsse, wenn sie sich als Wahrheit erweist, während das
Bestreben, absolut neue philosophische Theorien in die Welt zu setzen, sehr leicht zu f a l s c h e n
Theorien führt. Dass ich den alten Begriff des Instinktes in n e u e r W e i s e , den Ergebnissen der
modernen Forschung entsprechend, weitergebildet und theilweise umgestaltet habe, wofür ich zugleich
meine Beweise eingehend entwickelte, das ist Herrn Bethe völlig verborgen geblieben.
Während Bethe dasjenige, was man bisher Instinkt nannte, und was ich als „Instinkt im
engeren-Sinne“ bezeichnet hatte, willkürlich für blosse Reflexthätigkeit erklärt, lautet seine eigene
n e u e Definition des Instinktes (S. 25) folgendermassen: „Das Wort Instinkt bedeutet eine bestimmte
Art von Handlungen, welche nicht rein reflektorisch, aber auch nicht rein psychisch sind und für die
wir nothwendiger Weise eine Bezeichnung haben müssen.“ Diese Definition enthält aber gar nichts
neues, sondern besagt dasselbe, was bereits, der alte, auch von mir acceptirte Instinktbegriff enthalten
hatte: der Instinkt steht zwar in inniger Beziehung zur Reflexthätigkeit, geht aber über dieselbe dadurch
hinaus, dass er auch ein psychisches Element enthält. Wenn Bethe mit dieser angeblich neuen
Definition etwas leisten wollte, musste er, wie ich es bei meiner Erörterung des Instinktes gethan
hatte, näher darlegen, w o r in d en n d a s e i g e n t h ü m l i c h e p s y c h i s c h e E l em e n t d e r I n s t in k t -
t h ä t i g k e i t b e s t e h e . Das hat er gänzlich unterlassen; daher kann man seiner neuen Definition
keine weitere Bedeutung beimessen. Wahrscheinlich wäre er bei näherer Erklärung derselben in
einen unlösbaren Widerspruch mit seiner Reflextheorie gerathen. Denn das psychische Element des
Instinktes ist entweder etwas dem Thiere angeborenes oder etwas erlerntes; ist es etwas angeborenes,
so ist es nach Bethe’s Theorie nichts weiter als blosse Reflexthätigkeit; ist es dagegen etwas erlerntes,
so darf er es ebenfalls nicht als instinktiv bezeichnen; denn sonst müsste Bethe den von mir aufgestellten
Begriff des „Instinktes im weiteren Sinne“ als berechtigt anerkennen.
Am Schlüsse seiner Studie über die psychischen Fähigkeiten der Ameisen (S. 69) äussert
sich Bethe folgendermassen:
„Im Grunde stimmen Wasmann und ich, soweit ich sehe, ziemlich überein, dass nämlich
eigentlich keine Thatsache vorhanden ist, welche klar erweist, dass die Ameisen über psychische