Aus C a r r i è r e s Angaben und Zeichnung geht hervor, dass die Facettenglieder bei L&p-
toäora alle gleich lang und radiär g estellt sind. Das is t in Wirklichkeit jedoch nicht der Fall.
Die Facettenglieder am hinteren Rande sind stets bedeutend kürzer unb divergieren
stärker als die vorderen. Dies hat nicht etwa darin seinen Grund, dass der Augenkörper nach
hinten zu sich abplattet, sondern is t eine Folge der ungleichmässigen Verteilung der Spitzen
der Facettenglieder im Pigmentkörper. Diese ordnen sich nämlich auf der Oberfläche des von
hinten in das Auge eindringenden Nervenstranges an, also auf einer Fläche, welche nicht der
Kugelfläche des Augenkörpers parallel ist. Demzufolge können nur die vorderen Glieder nach
einem gemeinsamen Scheitel gerichtet sein, die hinteren Glieder aber werden, da ihre Spitzen
w eiter nach dem Ganglion zu rücken, immer mehr aus der radiären Stellung verschoben und
verlieren dabei gleichzeitig an Länge.
Noch mehr als auf Horizontalschnitten — einen solchen bildet C a r r i è r e ab — tr itt
diese Unregelmässigkeit auf Längsschnitten in die Erscheinung (Fig. 24). Hier ze ig t sich sogar ein
Unterschied zwischen den dorsalen und ventralen Facettengliedern, auf den bereits C h u n (1. c.
pag. 255) aufmerksam machte. D ie dorsalen sind nämlich im Durchschnitt auch bei Leptodora
etwas länger als die ventralen, was sich daraus erklärt, dass der Nervenstrang, wie man nun
sieht, nicht in der Augenachse verläuft, sondern etwas schräg von oben her nach dem Centrum
hin abfällt. Seine Gestalt is t also die eines konischen, seitlich zusammengedrückten Zapfens,
dessen Spitze von oben nach unten schief abgestutzt ist, aber dabei an allen Stellen abgerundet
bleibt. In der Medianebene stehen seine einzelnen Durchmesser an der Spitze, am Rande der
Retina und am Rande des Augenkörpers ungefähr in dem Verhältnis 1 : 2 : 3 .
Wir sehen also, dass sowohl die Konvergenz, als auch die Länge der Facettenglieder
von vorn nach hinten zu s te tig , jedoch auf der ventralen S eite schneller als auf der dorsalen
abnimmt. Dies mag die nachfolgende Tabelle noch besser veranschaulichen.
R e la t iv e Län g e der
Facettenglieder ithabdome Krystallkegel
Am oberen Rande . . . 20 5 15
Dorsale . . . . . . . 23 10 13
F r o n ta le ................................... 25 10 15
V e n t r a l e .............................. 20 7 13
Am unteren Rande . . . 18 5 13
Man bemerkt hier übrigens, dass die oberen und unteren Krystallkegel etwas kürzer
sind, als die vorderen und hintersten dorsalen. Dies is t darauf zurückzuführen, dass der Augenkörper,
so v ie l ich beobachtete, nie eine ganz regelmässige kugelige Form hat, sondern etwas
in die Länge gestreckt erscheint, während der Pigmentkörper gleichmässiger gekrümmt ist.
D ie Breite der Facettenglieder und Kry sta llkeg el ist im grossen und ganzen die gleiche.
A u f dieselbe Einheit zurückgeführt, wie die obigen Grössen, würde sich die Breite der Basis
der Facettenglieder auf 4 stellen. Der Krystallkörper im Innern des Endkegels is t jedoch bedeutend
schmaler (2,5) und hebt sich viel stärker von dem Plasma der Kegelzellen ab, als in
den Augen der übrigen Gattungen. Er is t spitz kegelförmig, aber seine Spitze g eht nicht allmählich
in den S tiel über, sondern dieser is t an seinem distalen Ende ebenso dick wie der Endkegel
an seiner breitesten Stelle (2,5), ste llt also ebenfalls einen langgestreckten Kegel dar. Es
sieht demnach so aus, als ob zwei Kegel über einander g e ste llt seien (Fig. 25). Der Endkegel
is t durchschnittlich ungefähr halb so lang, wie der Stiel; bei den dorsalen Gliedern ändert sich
dieses Verhältnis noch etwas zu seinem (des Stieles) Gunsten.
Was die Anzahl der Facettenglieder betrifft, so muss ich mich wieder auf eine Schätzung
derselben beschränken. C a r r i è r e giebt an, dass ungefähr 24 Einzelaugen auf einem Schnitte
durch das Centrum sichtbar werden.
L eg t man diese für die Rechnung günstige Zahl, die vielleicht noch etwas zu klein ist,
zu Grunde, so lä sst sich durch eine einfache Ueberlegung unter Berücksichtigung der Kugelgestalt
des Auges und der hexagonalen Anordnung der Facettenglieder die Zahl derselben, wie
bei Bythotrephes, auf rund 300 feststellen.
Die im Vorstehenden enthaltenen Angaben über den Bau des Auges der verschiedenen
Polyphemidengattungen bestätigen in vollem Umfange die von C h u n ausgesprochene Ansicht,
dass auch bei den Gladoceren das Auge einzelner Vertreter dieser Gruppe im Laufe der Zeit
Umbildungen erfahren hat, welche den bei den Tiefseecrustaceen nachgewiesenen im Prinzip
gleichkommen. Es fragt sich nur, inwieweit die von C h u n auf Grund der ihm bekannten That-
sachen gegebene Ableitung der verschiedenen Augenformen (vergl. pag. 8) auch mit den durch
d i e ' vorliegenden Untersuchungen bekannt gewordenen morphologischen Einzelheiten im Einklänge
steht.
C h u n s te llt an die Spitze seiner Reihe das Auge von Leptodora, welches noch die Kugelg
e sta lt des Daphnidenauges aufweist, und le ite t aus diesem die übrigen Augenformen in der
Reihenfolge ab, wie sie durch die Ausbildung des Frontauges im Verhältnis zum Ventralauge
bedingt wird.
Aus den vorstehenden Mitteilungen geht nun aber wohl hervor, dass dem Daphniden-
auge, welches natürlich als Ausgangspunkt aller Umbildungen angesehen werden muss, am nächsten
in seinem Baue das Auge von Polyphemus steht.
In diesem Auge haben wir noch sämtliche Uebergangsstufen in der Ausbildung des Facettengliedes,
d. h. den ganzen Umformungsprozess des Auges vor uns. An seinem hinteren Rande
is t gewissermassen das Daphnidenauge mit den kurzen, dicken Krystallkegeln und Rhabdomen
und seiner fast bis an die Oberfläche des Auges reichenden Pigmentierung noch unverändert er