
des Tastsinnes der Wirthe berechneten Momente zwar bedeutend überwiegen, dass aber daneben auch
vielfach eine ebenfalls als Mimicry zu deutende Aehnlichkeit des Colorites zwischen Gast und Wirth
bestehe. Hiefür noch einige neue Beispiele.
Aus den Zügen von Eciton legionis Sm. sind mir bisher 4 Gastarten zugekommen, von A. Göldi
im Staate Rio d. Janeiro und von J. P. Schmalz im Staate S. Catharina entdeckt. Xenocephalus Goeldii
n. sp., Myrmedonia legionis n. sp., Ecitodulus crassicornis n. g. n. sp. und eine neue Terapus-Art.
Auf die rothbraune Färbung des letzteren darf man keine Mimicry bauen, da er durch seine gelben
Haarbüschel als echter Gast sich erweist; roth ist aber die „Symphilenfärbung1)“ aller echten Gäste
aus der Gruppe der Hetaeriini, welcher er sich anschliesst, ebenso wie roth die Färbung sämmtlicher
Glavigeriden ist, mögen dieselben auch bei schwarzen Ameisen leben. Anders verhält sich die Sache
mit Xenocephalus Göldii, Ecitodulus crassicornis und Myrmedonia legionis. Bei den europäischen myr-
mecophilen Myrmedonien, die bei Lasius fuliginosus, Formica rufa und Liometopum microcephalum als
feindlich verfolgte Einmiether (Synechthren) leben, wurde bereits auf die Bedeutung hingewiesen,
welche die Aehnlichkeit der Färbung zwischen Gast und Wirth für die Myrmedonien besitzt. Daher,
wird man auch die hellrothbraune Färbung von M . legionis, die mit jener des Eciton legionis völlig
übereinstimmt, auf dieselbe Weise deuten müssen, da diese Ameise relativ grosse, gewölbte Ocellen
besitzt. Ebenso besteht auch zwischen Ecitodulus crassicornis und derselben Ameise eine auffallende
Aehnlichkeit des vorne rothbraunen, hinten gelbbraunen Colorits. Für noch entscheidender halte ich
die hellrothbraune Färbung von Xenocephalus Goeldii, von welchem 15 Stück aus zwei verschiedenen
Staaten Brasiliens mir vorliegen. Die übrigen Xenocephalus-Arten, X . clypeatus, Schuppi, trilohita Wasm.
und Schmalzi n. sp. sind sämmtlich dunkelbraun oder schwarz und leben bei dunkelbraunen oder
schwarzen Eciton-Arten.
Ich hatte früher geglaubt, die Xenocephalus seien als Vertreter des Schutzdachtypus, der ein
sehr vollkommener Trutztypus ist, von dem Colorite ihrer Wirthe ganz unabhängig. X . Goeldii hat
mich jedoch eines anderen belehrt. Auffallend ist es ferner, dass die bisher bekannten Gäste des
Eciton guadriglume Halid., dessen Arbeiter ganz schwarz sind, ebenfalls die Färbung ihrer Wirthe
besitzen. Ecitopora Goeldii n. sp. ist die dunkelste der Ecitopora-Arten, Xenocephalus Schmalzi n. sp.
die dunkelste der Xenocephalus-Arten und auch Ecitoxenia mirdbilis n. g. n. sp. ist schwarzbraun;
die Arbeiter von Eciton guadriglume haben grosse, auch mit freiem Auge deutlich sichtbare, gewölbte
Ocellen. Durch diese Wahrnehmungen an den Gästen von Eciton guadriglume wird es nahe gelegt,
dass auch bei den schwarzbraunen oder dunkelgraubraunen Gästen von Eciton Foreli, nämlich
Ecitochara fusicomis, Edtomorpha simulans und arachnoides, Scotodonia diabolica, Ecitopora opaca
und Myrmedonia rugulosa eine Mimicry des Colorites ihrer Wirthe vorliegt. Bei den grösseren dieser
Arten ist sogar der Hinterleib etwas heller braun als der übrige Körper, entsprechend der Färbung
der kleineren Arbeiterform dieses Eciton, welche schwarzbraun oder graubraun, meist mit etwas hellerem
Hinterleibe ist. Da die grössten jener Gäste nur die Grösse der kleinsten Arbeiter von Eciton Foreli
erreichen, muss die Mimicry ihres Colorites offenbar nach der Färbung der letzteren sich richten,
nicht aber nach der Färbung der weit helleren, gelben, gelbbraunen oder braunen grossen Arbeiter
oder sogar nach der Färbung der gelben, riesigen Soldaten. Die Glanzlosigkeit dieser Gäste von
x) Bei den Atemeies und Lomechusa ist in der Fa r b e n v e r t h e i l u n g eine Nachahmung des Colorites ihrer
Wirthe ausgedrückt (siehe oben S. 43); daher mussten wir hei ihnen auf Mimicry der Färbung schliessen, die aus
der rothbraunen Grundfarbe dieser echten Gäste al lein sich noch nicht ergeben würde.
Eciton Foreli ist in ihrer Oberflächenskulptur begründet, welche der Skulptur ihrer glanzlosen Wirthe
entspricht und wohl auch deren Fühlertastsinn zu täuschen vermag; aber die Aehnlichkeit der Färbung
beider deutet darauf hin, dass die bei Eciton Foreli gut entwickelten, gewölbten Ocellen (Vgl. Taf. II
Fig. 4) auch das Colorit der Gäste wahrzunehmen vermögen. Unter den 8 Coleopteren-Arten, welche
wir nach den bisherigen Funden zuverlässig als gesetzmässige Gäste von Eciton Foreli betrachten
dürfen, findet sich keine einzige, deren Colorit mit der kleinen Arbeiterform ihrer Wirthe kontrastirt,
während umgekehrt unter den 13 Coleopteren-Arten, die bei Eciton praedator leben, dessen Ocellen
viel schwächer entwickelt sind (Vgl. Taf. I I Fig. 2 ), bloss 3 mit der Färbung ihrer Wirthe übereinstimmen
!
In Anbetracht dieser Thatsachen sehe ich mich genöthigt, meine 1895 im ersten Theil der
„Ameisen- und Termitengäste von Brasilien“ (42, S. 33 [167]) ausgesprochene Ansicht, dass bei
Ecitongästen keine gesetzmässige Aehnlichkeit des Colorites mit ihren Wirthen bestehe, in Folge des
mir jetzt zu Gebote stehenden reicheren Materials zu modificiren. Ich halte es auf Grund der obenerwähnten
Erscheinungen für unabweisbar, anzunehmen, dass Ameisen mit relativ grossen, gewölbten
Ocellen wie Eciton Foreli, guadriglume, legionis, californieum auch F a r b e n u n t e r s c h i e d e zu erkennen
vermögen, während andere Eciton mit viel kleineren, flacheren oder sogar bloss rudimentären
Ocellen, wie E . praedator und coecum vielleicht bloss für Helligkeitsunterschiede empfänglich sind.
Die Eciton sind zwar in viel hervorragenderem Grade auf ihre F ü h l e r s i n n e (Tast- und Geruchssinn)
angewiesen als z. B. unsere Formiccir Arten und andere mit grossen, gutentwickelten Facettenaugen
versehene Ameisen. Diese Verschiedenheit kommt in der Mimicry ihrer Gäste so auffallend
zum Ausdruck, dass ich früher die Mimicry der Färbung übersah, die bei den Gästen vieler Eciton
ebenfalls vorliegt, wenngleich ihre biologische Bedeutung nur eine sekundäre ist im Vergleich zu der
primären, auf Täuschung des Tastsinnes hinzielenden Mimicry.
Dass die Aehnlichkeit von Ecitongästen mit ihren Wirthen nicht etwa zum Schutze gegen
äussere Feinde dient, geht daraus hervor, dass ihre Mimicry primär auf Täuschung des Fühlertastsinnes
der Ameisen berechnet erscheint; ebenso folgt es auch aus dem Vergleiche der Gäste von
Eciton Foreli mit denjenigen von Eciton praedator. Ueberdies könnte die Ecitonähnlichkeit der Gäste
jenen Insektenfressern gegenüber, welche wie die Ameisendrosseln (Formicariidae) den Ecitonzügen
folgen, keinen Schutz gewähren; denn diese Vögel verfolgen entweder die von den Ameisen aufgescheuchten
Insekten (Belt), oder sie nähren sich von den Wanderameisen selbst (Bates). Den in
den Colonnen von Eciton mitziehenden Coleopteren kann ihre Ecitonmimicry im ersteren Falle keinen
Nutzen, im letzteren Falle sogar nur Schaden bringen.
Zur Ergänzung der Mimicry-Erscheinungen, die zwischen myrmekophilen Coleopteren und den
amerikanischen Doryliden der Gattung Eciton sich zeigen, sei hier auch auf die Mimicry bei anderen
Dorylidengästen noch kurz hingewiesen. Die nächsten systematischen Verwandten der neotropischen
Eciton sind die völlig blinden altweltlichen Anomma und Dorylus. Auch biologisch stehen sie ihnen
nahe, indem sie mehr oder minder unstete Wanderameisen sind, welche häufig Beutezüge auf andere
Thiere veranstalten. Aber im Gegensatz zu den Eciton, von denen wenigstens die obenerwähnten
Arten, deren Gäste bisher bekannt geworden sind, ihre Expeditionen stets oberirdisch und häufig am
hellen Tage ausführen, unternehmen die afrikanischen Anomma (Treiberameisen) ihre berüchtigten
Züge meist während der Nacht; wenn sie bei Tage ziehen, bauen sie nach Savage1) bedeckte Gänge
J) On the habits of the „Drivers“ or Visiting Ants of Westafrica (Trans. Ent. Soo. Lond. V. 1847—49, p. 1—15).