
Morphologie des Auges.
„Sphaeram merum ocülum esse trunco cotporis impositum lubens concedo:
Tantum pictoribus atque poetis, quïbus quaelibet fingendi potestas, antecedit
natura polydaedala!“
0 . F. M ü l l e r , Entomostraca, 1785.
„Combien la nature est admirable dans ses oeuvres! Qu’on se représente
un animal n ’ayant qu’un oeil qui constitue à lui seul p lu s des trois quarts
de la tête, et dont la volume équivant à la cinquième partie du corps entier
de l’individu, etc.u
J u r in e , Hist. des Monocles, 1820.
D ie Darstellung der allgemeinen morphologischen Eigenschaften des Polyphemidenauges,
die ich zur Orientierung den weiteren Mitteilungen vorausgehen lassen möchte, läuft nach Lage
der Dinge im wesentlichen auf ein Referat dessen hinaus, was durch die Bemühungen einer
Reihe hervorragender Forscher bereits seit Jahren bekannt ist.
Ich verweise besonders auf die Arbeiten von L o v ö n (1888), L e y d i g (1860), P. E.
M ü l l e r (1868), W e i sm a n n (1874 und 1878), C la u s (1862, 1876, 1877), welche den Körperbau
und nicht zum wenigsten das Auge der einzelnen Arten, soweit es sich ohne die Hilfsmittel der
modernen Technik ermöglichen liess, a llse itig erforscht und erschöpfend beschrieben haben.
Ihre Angaben über die Gestalt und Zusammensetzung des Auges haben sich im allgemeinen
bestätigt; denselben bleibt kaum noch etwas hinzuzufügen.
Die Anordnung der Bestandteile des Auges dagegen ist, wie aus der Vorbemerkung hervorgeht,
bis auf die Gegenwart fast unbekannt geblieben; dieser Punkt bedarf daher einer
besonderen Betrachtung.
A. Allgemeine Charakteristik des Anges.
Das groäse unpaare Facettenauge der Polyphemiden, welchem die zuerst bekannt gewordene
Gattung und mit ihr auch die ganze Familie den Namen verdankt, hat von jeher die
Aufmerksamkeit und die Bewunderung der Beobachter erregt.
"Wenn L e y d i g von Polyphemus sagt: „Dieses so ansehnliche Auge, welches den grössten
Teil des Kopfraumes einnimmt, macht ihn leicht, auch ohne dass man das Mikroskop anwendet,
unterscheidbar,“ so g ilt das gleiche sowohl für Bythotrephes und die im Vergleich zu den
übrigen Polyphemiden zwar riesenhafte, dafür aber glashelle, durchsichtige Leptodora, als auch
ganz besonders für die winzigen, mit blossem A uge kaum wahrnehmbaren Evadne- und Podon-Arten.
In allen Fällen sieht man den dunkeln Pigmentfleck des Auges früher, als das ganze Tier.
D i e G r ö s s e n v e r h ä l t n i s s e , welche hier in die Erscheinung treten, sind auch geradezu
staunenswert.
Bei Bythotrephes beträgt der grösste Durchmesser des Auges mehr als ‘/ß, bei Polyphemus
ungefähr J/4, bei Evadne, deren Höhe (0,8 mm) allerdings ihre Länge (0,5 mm) fa st um
das doppelte übertrifft, sowie bei Podon fast 1k der ganzen Körperlänge.
Nur bei Leptodora is t der das Auge tragende Kopfteil verhältnismässig klein; denn
während der langgestreckte Körper eine Länge von 14 mm erreichen kann, bewegt sich der
Durchmesser des Auges nur in Bruchteilen eines Millimeters.
Bei allen Polyphemiden fü llt das Auge mit dem ihm eng anliegenden Sehganglion den
vordersten, sich kugelig vorwölbenden Körperabschnitt vollständig aus.
Derselbe ist, wie der ganze Körper, von einer festen, wenn auch elastischen Chitinhaut
bedeckt, welche periodisch die Cuticula abwirft und neubildet.
Diese äussere, natürlich das Licht durchlassende H ü l l e d e s A u g e s ist, wie im folgenden
noch naher gezeigt werden wird (cf. pag. 36), nicht als Cornea aufzufassen. Sie is t eine
Schutzvorrichtung, die, wie G r o b b e n (1879, pag. 51) zuerst bei Daphniden dies nachgewiesen
hat, im Laufe der Entwickelung sekundär entsteht.
Der eigentliche Augenkörper lieg t frei beweglich innerhalb dieser Schale, von ihr durch
einen mehr oder minder grossen Raum getrennt und von einer besonderen Hülle der C o r n e a
umgeben. E r st am hinteren Rande des Auges wird die Verbindung mit der Körperhaut durch
eine zarte verschiebbare Membran und ein dahinter liegendes maschenförmiges Gewebe wieder-
. hergestellt.
An diesem hinteren Rande, dort wo sich die erwähnte Verbindungsmembran an die Cornea
anlegt, inserieren sich d r e i M u s k e lp a a r e (bei Bythotrephes vier), ein oberes, ein seitliches
und ein unteres (zwei bei Bythotrephes), welche eine Drehung des Augenkörpers nach verschie-
. denen Richtungen ermöglichen.
Am grössten ist, wie L o v ö n von. Evadne ängiebt und wie es auch bei den übrigen
Gattungen der F a ll zu sein scheint, die Beweglichkeit des Auges um seine horizontale, zur Körperachse
senkrechte Achse.
Der Drehungswinkel soll in dieser Richtung bei Evadne 6 0 0 betragen (Lovön 1838,
pag. 149). ..........
Die Cornea se tz t sich nach hinten zu in die Scheide des Sehganglions und des Opticus
fort, spaltet sich jedoch vorher so, dass das Auge auch von dem Ganglion in der bekannten
Weise durch eine Membran abgegrenzt ist, durch welche die Nervenfasern hindurchtreten müssen
(membrana fenestrata).
D e r A u g e n k ö r p e r setzt sich aus einer beträchtlichen Anzahl von Einzelaugen zusammen,
die ich mit E x n e r und C h u n „ F a c e t t e n g l i e d e r “ nennen will. Sie haben die Ges
ta lt eines spitzen Kegels, dessen Basis mit der Cornea innig verwachsen erscheint. Die letztere