
mangels nicht ini Stande sein dürfte, die zahlreichen Beweise für das Sehvermögen der Ameisen zu
entkräften, die sich aus dem Vergleiche der Färbung und Gestalt jener Gäste mit der Färbung und
Gestalt ihrer Wirthe ergaben.
Ich füge hier einige Untersuchungen ein über die Grösse und Form der Augen und die Zahl
der Facetten bei den £ einiger europäischen Ameisen1), deren Gesichtswahrnehmung theils direkt,
theils indirekt aus den obigen Beobachtungen sich ergab.
Bei unseren Formica-kxton, welche unter den europäischen Ameisen das beste Sehvermögen
besitzen, sind die Augen relativ gross, elliptisch oder (bei F . sanguinea) länglich elliptisch, mässig
gewölbt, sehr fein facettirt. Bei den grossen Arten, F. ru fa , pratensis und sanguinea, beträgt die
Zahl der Facetten eines Auges der grossen Arbeiterinnen 6 0 0—700. Bei rufa und pratensis sind die
Augen relativ etwas grösser und breiter als bei sanguinea, deren Augen ohnehin im Vergleich zu der
relativ bedeutenderen Grösse des Kopfes etwas kleiner erscheinen als bei rufa und pratensis. Ob
sich hieraus die grössere Weitsichtigkeit der beiden letzteren erklärt, möchte ich jedoch bezweifeln;
denn die Facettenzahl und die Feinheit der Facettirung ist bei sanguinea mindestens ebensogross;
ich zählte bei einer grossen $ 690 Facetten. Bei F . rufibarbis und fusca sind die Augen relativ,
d. h. im Vergleich zur geringeren Körpergrösse, noch etwas grösser als bei jenen grossen Formica-
Arten. Die Facettenzahl beträgt meist 500—600; bei einer sehr grossen rufibarbis kam ich bei der
Zählung jedoch auf wenigstens 650 Facetten.
Bei den als Myrmica rubra L. zusammengefassten kleinen Myrmica- Arten sind die Augen
relativ kleiner als bei Formica, nicht elliptisch sondern kreisförmig, mit einer weit geringeren Facettenzahl
und gröber facettirt; zum Ersatz hiefür sind sie jedoch viel stärker gewölbt, fast halbkugelförmig.
Bei Myrmica scabrinodis £ zählte ich 120—130 Facetten. Die südeuropäische Aphaenogaster
testacecpilosa £ hat Augen von derselben relativen Grösse, runden Form und fast ebenso starker
Wölbung als jene Myrmica; aber sie sind feiner facettirt und haben bei den grossen $ 180—190
Facetten. Bei dem südosteuropäischen Liometopum microcephalum sind die Augen relativ grösser als
bei Myrmica, feiner facettirt, schwächer gewölbt und mehr elliptisch, den Formica-Augen ähnlicher;
die Facettenzahl der grösseren £ zählte ich auf 170 — 180. Bei unserem Lasius fuliginosus £ sind
die Augen von derselben relativen Grösse wie bei Liometopum, aber runder, ziemlich schwach gewölbt;
die Zahl der ziemlich feinen Facetten erreicht 190—200. Bei Lasius niger $ sind die Augen
relativ kaum kleiner als bei fuliginosus, aber gröber facettirt, mit höchstens 140 Facetten. Bei der
schwarzen Rasenameise (Tetramorium caespitum) sind die Augen ähnlich wie bei Myrmica, aber etwas
schwächer gewölbt und gröber facettirt; die Zählung ergab 50—60 (meist circa 56) Facetten an
einem Auge der # . Bei der äusserst schwachsichtigen Solmgpsis fugax Ltr. zählte ich die Facettenzahl
eines Auges auf 5—9. Diese Augen erscheinen bei schwacher Vergrösserung nur wie winzige
schwarze, ganz flache Punkte. Erst bei mehrhundertfacher Vergrösserung ist es möglich, eine schwache
Wölbung des Auges und die Existenz seiner Facetten zu konstatiren.
Auf die physiologischen Theorien einzugehen, wie durch die Facetten eines Netzauges e in
e i n h e i t l i c h e s B i ld der Gegenstände sich bildet, halte ich hier nicht für erforderlich. Die obigen
Vgl. auch Forel, Fourmis d. 1. Suisse S. 117 u. "118. Die Abweichungen meiner Zählungsergebnisse von
jenen Forels sind nur ganz unbedeutend. Ich berechnete die Zahl der Facetten dadurch, dass ich unter dem Mikroskop
die Facettenzahl auf je einem Quadranten des runden oder elliptischen Auges von aussen nach innen zählte und dann
mit vier multiplizirte. Die obigen Zahlen beziehen sich auf die Facettenzahl e i n e s Netzauges. Bei Solenopsis wurden
Sagittalschnitte durch den Kopf der $ gemacht und die Augen bei 600-facher Vergrösserung (Zeiss D., Oc. 5) untersucht.
vergleichenden Studien über die zwischen jenen Ameisen und ihren Gästen bestehende, auf Täuschung
des Gesichtssinnes berechnete Aehnlichkeit der Färbung oder überdies der Gestalt (A tm e le s , Lome-
ehma, Xmodusa) dürften hinreichend beweisen, d a s s die Facettenaugen eine einheitliche Gesiohts-
wahrnehmung ermöglichen. Entscheidende physiologische Bedenken dürften sich dagegen kaum erheben
lassen, zumal auch beim A u g f i f e r höheren Thiere zwei umgekehrte Netzhautbilder zur
Wahrnehmung eines einzigen, . nicht umgekehrt sondern aufrecht stehenden Objektes sich verbinden.
Bei. den Gästen der an Stelle der Netzäugen bloss mit einfachen Opellen ausgestatteten neo-
tropischen Wanderameisen » p h haben die Gäste des M im ic ry -T y p u s einen ganz anderen Charakter
als die Gäste des M im ic r y -T y p u s bei unseren Formica, Myrmica, Aphaenogaster, LiometopummA
Lasius. Bei den EcitongästeH is t nämlich die Mimicry an erster Stelbgauf Täuschung des F ü h le r -
ta s t s in n e e der Wirthe berechnet, durch Aehnlichkeit der Behaarung, der Skulptur, der wirklichen
Form der einzelnen Körpertheile und endlich an .letzter und höchster Stelle durch Aehnlichkeit der
Fühlerbildung von Gast und Wirth, welche zugleich auch zur aktiven Täuschung der Wirthe dient.
(Vgl. hiezu Taf. II.) Die schönsten Beispiele; dieser auf Täuschung von Tastwesen angelegten Mimicry
bietet Eeitomorpha svmulans Wasm. ,(Taf. II Fig.; . 3) unter den Güptenj.von E c itm Foreti Mayr, und
M m d m imle x Wasm. (Taf. H Kg. 1); unter den Gästen von E c itm praedator Sm. (om m om m cmt.)
(Vgl. 6 , 26; 42 S, 149, 151, 167; 51 S. 431; 85 Taf. I). Wenn man hier keine echte Mimicry
anerkennen will, dürfte es überhaupt keine geheü|; Die ganze äussere Erscheinung dieser
Gäste ist bis in ihre Einzelheiten nur aus diesem Gesichtspunkte erklärlich, dass sie in Gesellschaft
von . schwachsichtigen oder nahezu blinden, äu|s®t wilden Ameisen lohen, deren Fühlertastsinn sie er-;
folgreich tä fg h e n müssen, um nicht selber von ihnen zerrissen; zu werden. Dass die betreffenden
Wirthe einen feinen Tastsinn besitzen müssen, sieht man jenen Gästen Sofort an; den Geruchssinn der
Wirthe kann man ihnen natürlich nicht ansehen, da derselbe,in der, Morphologie der Gäste nicht zum
Ausdrucke kommen kann. Eine auf optischen Täuschungen durch Liehtreflexe beruhende Aehnlichkeit
der G e s t a l t des Gastes mit jener des Wirthes ist bei keinem einzigen, der bisher bekannten
40 Arten von E|j|pphile|t>^^orhanden, die sich in meiner Sammlung befinden und theils von mir
bereits, beschrieben sind, theils in der Fortsetzung meiner „A m e is en -¿ ip n d T e rm i t e n g ä s t e v o n
B r a s i l i e n “ (42) noch beschrieben werden sollen. Für eine wahrscheinlich als Mimicry zu deutende
Aehnlichkeit der Färbung zwischen Gast und Wirth sind mir dagegen in letzter Zeit einige Beispiele
bekannt geworden, welche einen Schluss auf daB Sehvermögen der einfachen Ocellen von E ä tm erlauben.
Zwischen E a to n califomimm subsp. opaeitlwrax Ein. und seinem normalen Gaste Ecitanusa
Mmtfii.Wasm. aus Nordcarolina (vgl. 73) besteht eine so auffallende Uebereinstimmung des hellröth-
braunen Colorites, dass ich sofort die Augen des betreffenden E ä tm unter der Lupe untersuchte; ich
fand dieselben stark gewölbt, länglioh oval und bei der kleinsten Arbeiterform ungefähr doppelt so
gross als bei gleich grossen y von E c itm praedator, dessen Ocellen bei den grossen. 5 sehr klein und
ganz flach, bei den kleinen g zwar etwas gewölbt aber nur punktförmig gross sind. Jetzt wurde mir
verständlich, wesshalb ich die Mimicry der Gäste von E c itm ealifomicum nicht nach dem Maasstabe
von E c itm praedator Sm. und eoecwm Ltr. beurtheilen durfte. Hierdurch wurde ich auch auf die bei
anderen, mit gutentwickelten Ooellen ausgestatteten Eä to n -A iten bestehende Aehnlichkeit der Färbung
zwisohen Gast und Wirth aufmerksam. Ich kam dabei zu dem Ergebnisse, dass die auf Täuschung
H Unter dieser Zahl sind nicht bloss die eeitophilen Coleopteren, sondern auch die Ecitongäste ans anderen
Urdnungen und Klassen der Arthropoden einbegriffen.
Zoologica. Heft. 26.