Kolonie, die mit einer Kolonie von F. rufibarbis ein zusammengesetztes Nest bildete, zum ersten Mal
gefunden. Einige Beobachtungen über ihr Yerhältniss zu Solenopsis wurden bereits früher (21 S. 25 ff.)
mitgetheilt. Das einzige Exemplar, das noch in meiner Sammlung sich befand, sandte ich damals an
den Hymenopterologen Prof. A. Förster (Aachen), bei dessen in demselben Jahre erfolgten Tode es
in eine andere Sammlung überging. Förster hatte mir bloss mitgetheilt, dass das Thier zu einer mit
Diapria nahe verwandten Gattung gehöre. Da ich diesen Gast erst im Mai 1898 in einer Solenopsis-
Kolonie, die mit F . pratensis (Kol. 4) ein zusammengesetztes Nest bildete, wiederfand, war es mir
nicht möglich, die Art früher zu beschreiben. Unterdessen traf Ch. Janet1) bei Beauvais (Oise) dieselbe
Art bei Solenopsis fugax als gesetzmässigen Gast an und theilte einige Beobachtungen über ihre
Lebensweise mit. Er bemerkte mehrmals, dass die kleine Proctotrupide von ihren Wirtlien wie eine
Gefährtin putzend beleckt wurde. Er beobachtete ferner, dass sie ihre Wirthe zur Fütterung aufforderte,
indem sie mit den Fühlern den Yorderkopf der Ameisen schlug. Endlich sah er zwei- oder
dreimal, wie diese kleine Wespe einer Ameise Mund an Mund gegenüberstand, so dass die Yermuthung
nabeliegt, dass sie von den Ameisen als echter Gast gefüttert wird.
Solenopsia imiiatrix2) $ (Taf. III Fig. 1) ist von der Grösse der mittelgrossen £ von Solenopsis
fugax, 1,7— 1,8 mm lang, flügellos, nur mit zahnförmigen Ansatzstellen der Flügel am Meso- und Metanotum
und mit kurzen Flügelstummeln am Mesonotum, die nur mikroskopisch sichtbar sind. Sie ist
glänzend schwarz, mit bräunlicher Basis des Hinterleibs, gelbbraunen Antennen und Beinen. In der
Färbung besteht somit keine Aehnlichkeit zwischen ihr und den gelben oder gelbbraunen Wirthen.
Die Skulptur des Körpers ist glatt und glänzend wie bei der Ameise, die Behaarung entspricht gleichfalls
vollkommen der Behaarung der ö von Solenopsis; besonders auffällig ist diese Aehnlichkeit der
Behaarung an den Fühlern und Beinen, wo dieselbe bei anderen Proctotrupiden durchaus verschieden
ist. Die M im ic r y d er G e s t a l t ist in folgenden Punkten enthalten: das Metanotum ist zu einem
zweigliedrigem Hinterleibsstiel umgebildet, dessen erstes Glied kleiner und durch eine tiefe Einschnürung
von dem zweiten, querknotenförmigen, breiteren und höheren Gliede getrennt ist, das wiederum
von der Hinterleibsbasis scharf abgeschnürt ist. Ferner haben die. Beine der Solenopsia völlig die
Bildung der Solenopsis-Beine, was sich namentlich in der Form der Schienen und Tarsen zeigt. (Vgl.
Taf. III Fig. lb und Fig. 2 a und b.) Die Yorderschienen tragen an der Spitze einen kammförmigen
Sporn von der Länge des betreffenden Organs bei den Ameisen; ebenso ist das erste Tarsenglied verlängert,
die drei folgenden Glieder sehr kurz, wie bei der Ameise. Die Fühler von Solenopsia (Taf. III
Fig. 1, la ) gleichen in hohem Grade der Form des $ 0?ewopsi$-Fühlers (Fig 2). Sie sind nur 11 -gliedrig
während alle übrigen DiapriinirQ 12— 14-gliedrige Fühler haben. Der Schaft des Ameisenfühlers ist
durch das verlängerte und verdickte erste Glied des /ShZenopsia-Fühlers vertreten, welches einen rechten
Winkel mit dem übrigen, die Geissel des Ameisenfühlers darstellenden Theile bildet. Das erste
Geisselglied3) ist etwas verlängert, die folgenden kurz, wie bei Solenopsis; die lange zweigliedrige
Keule des /SoZewops/s-Fühlers, welche ein charakteristisches Merkmal dieser Ameisengattung ist, finden
wir an dem ¿ShZewopsio-Fühler genau nachgebildet durch die stark verlängerten und verdickten zwei
Endglieder des Geissel; man könnte fast versucht sein, die kleine Proctotrupide für eine aberrante
. l) Bapports d. Anim, myrmecoph. avee 1. Fourm. 1897. p. 51.
2) Lateinische Diagnose siehe im Anhang.
8) Dasselbe wird vielfach im Gegensätze zum eigentlichen Flagellum als Pediculus bezeichnet. Da jedoch in
der Morphologie der Ameisen diese Benennung nicht vorkommt, habe ich sie nicht angewandt.
Zwisohenform vdn.|.iund g der Solmopsis zu halten, wenn man ihre Fühler belraehtet. Der Unterschied
zwischen dem Fühler der Ameise und des Gastes beschränkt sich darauf, dass bei ersterer der
Schaft etwas langer und schlanker ist und die Geissel ein kleines Glied weniger hat als bei-letzterem.
Ich halte es dafür für wohlbegründet, dass wir in Solenopsia eine e c h te Mimicry vor uns
haben, welcher auf passive und aktive Täuschung des Fühlertastsinnes der nahezu blinden Wirthe
berechnet ist. Diese Mimicry entspricht somit völlig derjenigen, welche bei den Ecltongästen und
Dorylusgästen des Mimicrytypus sich findet: sie umfasst Aehnlichkeit der Skulptur und Behaarung von
Gast und Wirth und eine auf wirklicher Formähnlichkeit der einzelnen Körpertheile beider beruhende
Aehnlichkeit der Gestalt, welche überdies (zur aktiven Täuschung des Wirthes) mit einer vollkommenen
Nachahmung der Fühlerform des Wirthes sich verbindet,i : Die Aehnlichkeit der Färbung zwischen
Gast und Wirth, die wir bei Begleitern von relativ,gut sehenden Eäton-Krten (Foreli, gmdriglume,
legionis, caMfomictm) antreffen, ist hier nicht vorhanden, well der Wirth sehr schwach entwickelte
jlfbezw. rückgebildete) Augen besitzt, deren Sehvermögen vielleicht sogar noch unter demjenigen von
Ea to n praedator und coemm steht; die Ocellen der letzteren sind minder flach als die winzigen
schwarzen Pigmentpunkte, welohe die Augen von Solenopsis fugax darstellen.
Es gibt unter den Proctotrupiden noch eine andere myrmekophile Gattung, Isobrachmm Forst,
deren $ flügellos sind. Die vier nordamerkanischen Arten, deren Wirthe bekannt sind,1) leben bei
Arten der Gattungen Formica und Gam^onotus, welohe meist bedeutend grösser sind als diese Proctotrupiden
und zugleich gut entwickelte Netzaugen besitzen; daher ist zwischen den Isobrachium und
deren Wirthen keine auf Täuschung des Fühlertästsinnes der Wirthe berechnete Mimicry zu erwarten.
Unter den e c i t o p h i l e n P r o c t o t r u p id e n Brasiliens ist mir dagegen ein Beispiel bekannt,
welches ein Analogon zur Mimicry von Solenopsia darstellt. Tor mehreren Jahren erhielt ich von
P. N. Badariotti Songr. Sales, aus Lorena (Staat S. Paulo) eine rothbranne, flügellose, 2,5 mm lange
Proctotrupide zugesandt ; sie befand sich zugleich mit anderen Gästen von Eciton praedator Sm. mit
Exemplaren der Wirthsameise in demselben Glasröhrchen. Da jene Proctotrupide genau aussah wie
eine sehr kleine £ einer Dorylide, liess ich mich täuschen, hielt sie für eine neue Ameisenart nnd
sandte sie deshalb mit anderen Ameisen, ohne sie weiter zu untersuchen, an meinen Freund Forel,
dem ich die Beschreibung der neuen brasilianischen Ameisen überlassen wollte. Er sandte mir das
Thier jedoch zurück mit der Bemerkung, es könne keine Ameise sein. Nun untersuchte ich es genauer
und fand in ihm in der That eine Proctotrupide von der Verwandtschaft der Gattungen
Cephalonomia Westw., Pristocera Klug und Sderoderma Westw. Ich beschreibe es hier als Eciiopria
crassicorms^a-i (Taf. III Fig. 3L.) Während bei Solenopsia die Bildung des Thorax jener einer weiblichen
Ameise, nicht einer $S entspricht, indem das Mesonotnm, trotz der Flügellosigkeit des Thieres,
sehr gross und nach vorne bogenförmig erweitert ist, ist bei Edtopria der Thorax fast wie derjenige
eines E d to n $ gebildet, mit stark entwickeltem Pronotum, sehr kurzem Mesonotum nnd ohne Spur
von Flügelansatzknoten an Meso- und Metanotum. Auffallend sind ferner die scharfen Seitenkanten
des länglich viereckigen Metanotnms von Ed to p ria , welches die Form des seitlich ebenfalls scharf
gerandeten Metanotums von E a to n praedator nachahmt und ohne Zweifel als Mimicry zu deuten ist,
da keine anderen Proctotrupiden etwas derartiges aufweisen. Die Fühlerbildung von Edtopria (Taf. III
_ ‘} Vgl. Ashmead, Monogr. of N. A. Proctotrypidae, Washington 1893. p. 3 7 -3 9 . Von den europäischen Arten
sind, soviel mir bekannt, die Wirthe noch nicht festgestellt.
2) Lateinische Diagnose siehe im Anhang.