f o r t zu e in e r A e h n l i c h k e i t d e r G e s t a l t , w e l c h e m e i s t n i c h t a u f w i r k l i c h e r F o rm ä
h n l i c h k e i t , s o n d e r n h a u p t s ä c h l i c h a u f t ä u s c h e n d e n L i c h t r e f l o x e n b e r u h t . B e i
l e t z t e r e n b e g in n t d ie M im ic r y m it A e h n l i c h k e i t d e r S k u lp tu r u n d B e h a a r u n g ,
s c h r e i t e t f o r t zu e in e r A e h n l i c h k e i t d e r G e s t a l t , w e l c h e a u f e in e r w i r k l i c h e n
F o rm ä h n l i c h k e i t d e r b e t r e f f e n d e n K ö r p e r t h e i l e m it j e n e n d e r W i r t h e b e r u h t u n d
g ip f e l t e n d l i c h in d e r G l e i c h h e i t d e r F ü h l e r b i ld u n g v on G a s t u n d W ir th . (Ygl.
Taf. II und Taf. III Fig. 3.) Uebersetzt man diese von der vergleichenden Morphologie gebotenen
Thatsachen in biologische Sprache, so besagen sie folgendes: B e i G ä s t e n v o n s o l c h e n A m e i s e n ,
w e l c h e g u t e n tw i c k e l t e A u g e n b e s i t z e n , b e z w e c k t d i e p a s s i v e M im ic ry d e r G ä s te
h a u p t s ä c h l i c h d ie T ä u s c h u n g d e s G e s i c h t s s in n e s d e r W ir th e ; b e i G ä s t e n v o n
s o l c h e n A m e i s e n d a g e g e n , w e lc h e b l in d o d e r n a h e z u b lin d s in d , b e z w e c k t d ie
M im ic r y d e r G ä s t e d ie T ä u s c h u n g d e s F ü h l e r t a s t s in n e s d e r W ir th e .
Die schönsten Beispiele für jene Mimicry, die auf Täuschung des Gesichtssinnes der Wirthe
berechnet ist, treffen wir in unserer europäischen Fauna bei Gästen von Formica— und Myrmica-Arten,
nämlich bei Lomechusa stmmosa in Gesellschaft von F . sanguinea, bei den Atemeies in Gesellschaft
von Myrmica rubra, bei den Dinarda in Gesellschaft von Formica-Arten und von Aphaenogaster testa-
ceopilosa. Ich beginne mit Din a rd a '), da hier die Mimicry sich auf Aehnlichkeit der Färbung zwischen
Gast und Wirth beschränkt, während sie bei Atemeies und Lomechusa auch zu einer, hauptsächlich
auf täuschenden Lichtreflexen beruhenden Aehnlichkeit der Gestalt von Gast und Wirth sich erhebt.
Die einzige e in f a r b i g e Dinarda Europa's ist die schwarze D. nigrita Rosh;, die bei der
einfarbig schwarzen Aphaenogaster testaceopüopsa des Mittelmeergebietes lebt. Die z w e i f a r b i g e n ,
roth und schwarzen, Dinarda dentata Grv., MärJceli Ksw., Hagensi Wasm., pygmaea Wasm. leben
sämmtlich bei zweifarbigen, roth und schwarzen Formica-Arten, dentata bei sanguinea, Mcirkeli bei
rufa, Hagensi bei exsecta, pygmaea bei rufibarbis. Sie sind ihren respektiven Wirthen an erster Stelle
angepasst bezüglich der K ö r p e r g r ö s s e , indem bei der grösseren Formica-Art und bei jener, welche
Haufen aus gemischtem Material baut, die grössere Dinarda lebt, während bei der kleineren Formica-
Art und bei jener, welche meist blosse Erdnester anlegt, die kleinere Dinarda lebt. Diese Proportion
erklärt sich daraus, dass die Dinarda indifferent geduldete Gäste von erheblicher Grösse sind, deren
indifferente Duldung auf ihrer normalen Unangreifbarkeit beruht2). Je kleiner die betreffende Formica
ist, desto kleiner muss auch ihre normale Dinarda sein, damit es den Ameisen nicht gelinge, sie an
den Extremitäten zu erwischen; denn Dinarda besitzt im Uebrigen einen vollendeten „T ru tz ty p u s“8)
durch ihren breiten, flach an den Böden sich anschmiegenden Yorderkörper, die gekielten Epipleuren
und den kegelförmig zugespitzten Hinterleib, an welchem die Ameisonkiefer abgleiten. Ferner kann
sich eine Dinarda in den reinen Erdnestern nicht so leicht den eventuellen Angriffen der Wirthe entziehen
wie in den aus gemischtem Material bestehenden Haufen. Daher die doppelte gesetzmässige
Proportionalität, die zwischen Körpergrösse und Nestbau der Formica-k.vt und der Körpergrösse ihrer
entsprechenden Dinarda-Tl&sae4) besteht. Da nun aber die Dinarda die grössten und daher für den
Gesichtssinn der Ameisen auffallendsten indifferent geduldeten Gäste jener Formica- (resp. Aphaeno-
*) Ygl. hiezu auch 9 ; 1 0 ; 11 S. 70 ff.; 3 3 ; 3 7 S. 15 ff.; 3 8 S. 65 u. 66; 49.
*) Zahlreiche Beweise hiefiir boten mir auch die Versuche über die internationalen Beziehungen dieser Ameisengaste,
die in einer späteren Arbeit mitgetheilt werden sollen.
8) Ygl. hiezu 51 S. 435 ff.
*) Die Gründe, wesshalb ich jene vier zweifarbigen Dinarda für Bassen einer Art halte siehe 49.
gaster)-Arten sind, desshalb kommt zu jener Proportion der Körpergrösse noch die Aehnlichkeit der
Färbung zwischen Gast und Wirth hinzu; dieselbe bewirkt, dass der Anblick dieser Käfer die misstrauische
Aufmerksamkeit der Ameisen weniger erregt, sondern sie über die Anwesenheit jener Gäste
gleichsam beruhigt. Daher lebt nicht bloss die einfarbig schwarze D. nigrita bei einfarbig schwarzen
Ameisen und die vier zweifarbigen, roth und schwarzen Dinarda ebenfalls bei zweifarbigen, roth und
schwarzen Ameisen, sondern es ist jedenfalls auch kein Zufall, dass gerade die dunkelste der zweifarbigen
Dinarda, nämlich die typische D. pygmaea Wasm., gerade bei der dunkelsten Rasse von
F . rufibarbis, bei der Var. fusco-ntfibarbis For. lebt, während bei den helleren Yarietäten von rufibarbis
auch hellere Yarietäten von pygmaea vorzukommen pflegen.
Eine täuschende Aehnlichkeit der Gestalt besteht zwischen Dinarda und ihren Wirthen nicht;
dieselbe ist durch den Trutztypus ihrer Körperform ausgeschlossen, welcher ihr grössere Sicherheit
gegen die Angriffe der Ameisen gewährt als eine täuschende Ameisengestalt es vermöchtet Um so
hübscher zeigt sich die auf den Gesichtssinn der Ameisen berechnete Ameisenähnlichkeit der Gestalt
in Verbindung mit der Aehnlichkeit des Colorites bei unseren Atemeies und Lomechusa.1) Wer diese
Käfer nur als Leichen neben einer Ameise auf weissem Karton aufgeklebt gesehen hat, wird sofort
die auffallende Aehnlichkeit der Färbung eines Atemeies mit einer Myrmica sowie einer Lomechusa
mit F . sanguinea zugeben; aber wie es möglich sein soll, zwischen der schlanken Ameise mit ihren
scharfen Körpereinschnitten und dem plumpen, breiten, gar nicht eingeschnittenen Umrissen des Käfers
eine Aehnlichkeit der Gestalt zu behaupten, das wird ihm nicht einleuchten. Und doch ist auch die
letztere Aehnlichkeit vorhanden und zwar in einem Grade, der selbst das scharfe menschliche Auge
so sehr täuscht, dass es den Käfer nicht mehr von der Ameise zu unterscheiden vermag; wie
kommt das?
Behandeln wir erst die Aehnlichkeit der Färbung. Die rothbraunen Atemeies sind in der
Mitte (Flügeldecken) etwas heller, vorn und hinten dagegen dunkler, genau wie die Myrmica rubra,
die ihre primären Wirthe sind. Die dunklere Färbung des Hinterleibes der Myrmica wird an dem
rothbraunen Hinterleibe des Käfers dadurch nachgeahmt, dass vor der Spitze desselben ein dunkleres
Querband sich befindet, welches in der aufgerollten Normalstellung des Hinterleibes nach hinten und
oben sichtbar wird und den Hinterleib des Käfers als eine dunkelbraune Kugel ähnlich dem Hinterleibe
der Ameise erscheinen lässt. Bei Lomechusa stmmosa ist der Gegensatz des Colorites zwischen
den hellrothen Flügeldecken und dem übrigen Körper viel stärker ausgeprägt als bei den Atemeies,
entsprechend der lebhafteren Färbung von F . sanguinea mit ihrem hellrothen Mittelkörper. Auch hier
gleicht der aufgerollte Hinterleib von hinten und oben einer schwärzlichen Kugel, welche mit dem
Hinterleibe einer dicken Formica 'eine unverkennbare Aehnlichkeit besitzt. So gestalten sich die Verhältnisse
für das Auge, wenn wir Atemeies und Lomechusa in ihrer Normalstellung (mit aufgerolltem
Hinterleib) neben der betreffenden Ameise auf weissem Untergründe betrachten. Trotzdem wird noch
Niemand behaupten, diese Käfer sehen ihren Wirthen „zum Verwechseln ähnlich“ !
Betrachten wir aber jetzt diese Käfer an ihrem normalen Aufenthaltsort, die Atemeies zwischen
den Myrmica, die Lomechusa zwischen F. sanguinea sitzend. Jetzt ist der Hintergrund mit Käfer
und Ameise g le ic h fa r b ig , und jetzt' erst treten die täuschenden Lichtreflexe in Wirksamkeit, durch
welche die Gestalt dieser Käfer derjenigen ihrer Wirthe zum Verwechseln ähnlich wird. Selbst das
Auge eines Entomologen, der sich Jahrzehnte mit der Beobachtung dieser Käfer beschäftigt hat,
*) Vgl. hiezu auch 11 S. 60 ff.; 51 S. 429 ff.; 6 0 S. 174 ff.