
Innervation des Auges.
In seiner Arbeit über den Organismus der Phronimiden (1879, pag. 69) w irft C la n s
noch die Frage auf: „Wie baben wir uns nun die Endigungsweise der Retinafasern in Bezug
zu den Sehstäben zu denken, deren Substanz auch vom G r e n a c h e r als das Medium betrachtet
wird, in welchem sich die Lichtbewegung in-Nervenerregung umsetzt? Sind die fünf Zellen des
Sehstabkörpers die empfindenden Elemente, auf welche das Stäbchen die Lichtbewegung überträgt,
und steht 'in diesem F a lle die Basis jeder Zeile mit je einer Nervenfibrille in Verbindung,
oder lieg t das Nervenende in der Achse des Rhabdoms, beziehungsweise an dessen Ba sis, also
genau in der Verlängerung der Krystallkegelachse, durch welche der senkrecht auffallende L ichtstrahl
zur Retina g elang t? “
C la u s neigt der letzteren Ansicht zu, w e il nach seinen Beobachtungen das Rhabdom bei
•den Hyperiiden kein solider Stab, sondern eine fünfseitige Röhre is t , und — w e il er für die
von G r r e n a c h e r (1877 und 1879) vertretene er ste Ansicht noch den notwendigen histologischen
Beweis vermisst. Er sa g t (pag. 70): „Gern gestehe ich zu , dass im Hinblick auf die durch
G r e n a c h e r morphologisch so schön durchgeführte Ableitung die Möglichkeit von dem Vorhandensein
eines in der Rhabdomachse gelegenen Nervenendes in den Hintergrund t r it t, halte
jedoch zu ihrer vollen Beseitigung den directen Nachweis von dem Ein tr itt der Fibrillen der
Nervenbündelschicht in die Retinulazellen für unumgänglich.“ Dieser Nachweis is t nun durch
die neueren Beobachtungen allmählich zur Genüge erbracht worden.
E x n e r bemerkt, dass man den Uebertritt der Nervenfasern in die Retinulazellen- bei
vielen Tieren sehr deutlich sieht (1891, pag. 96), und P a r k e r (1891, pag. 116) zählt 18
Crustaceengattungen auf, bei denen der Uebergang der Fasern in die Retinulazellen festg estellt ist.
Auch C h u n s Befunde am Schizopodenauge entsprechen durchaus der Ansicht G r e -
n a c h e r s , dass die Nervenfasern nicht in die Rhabdome, sondern im Umkreise derselben in die
Retinulazellen eintreten (1896, pag. 225).
Meine Untersuchungen führten nach längeren Bemühungen nicht nur zu demselben Resultate,
sondern zeitigten sogar noch eine Beobachtung, die, soweit mir bekannt/ bisher an keinem
ändern Facettenauge gemacht is t und welche auch die le tzten Zweifel über die A r t der Nervenendigung
zu beseitigen imstande ist.
Beim Polyphemidenauge (abgesehen von Leptodora) durchsetzen, wie w ir gesehen haben,
die Nervenfasern in deutlichen Zügen fa st den ganzen pigmentierten Teil des Auges, und zwar
in senkrechter Richtung zu den Rhabdomen des Frontauges. Sie fallen dem Beschauer sofort
ins A u g e , w e il die Pigmentkörnchen wie eine Hülle um sie besonders dicht gehäuft sind. So
markant aber dieses Pigment anfangs den Verlauf der durch die Membrma fenestrata eintretenden
Hauptfaserstämme in der etwas lichteren Umgebung hervortreten lässt, in ebenso geheimnisvolles
Dunkel hüllt es zuletzt ihre feineren Verzweigungen. Man sieht die Nervenbündel wohl in den Bereich
der Retina übergehen, weiss aber nicht, wohin sie sich eigentlich wenden, wo und wie sie enden.
Diese w enig erfreuliche Entdeckung machte ich sogleich am Anfänge meiner Untersuchungen
an dem Auge des Bythotrephes und empfand sie bald um so unangenehmer, als ich bei meiner
Umschau in der Litteratur auf die Arbeit von S a m a s s a (1891) stiess, dessen Angaben über
die Zugehörigkeit der aus den beiden Teilen des Ganglions austretenden Nervenbündel zum
Front- oder Ventralauge in direktem Widerspruch zu der von C h u n geäusserten Ansicht stehen.
Der letztere bemerkt nämlich in seiner Beschreibung des Auges von Bythotrephes (1896,
pag. 254): „Was endlich die ganglionären Elemente anbelangt, so sei bemerkt, dass das Ganglion
opticum in eine dorsale und in eine ventrale Pa r tie zerfällt. Von ersterer gehen breite Faserbündel
zum Frontauge ab, welche zwischen den Retinulen in zur Längsachse des Auges senkrechter
Richtung verstreichen. Von der unteren Hälfte des Ganglions .entspringen schwächere
Faserbündel, die in das Frontauge eintreten, ausserdem aber noch ein vom Unterrand des Ganglions
ausgehender Strang, welcher die kegelförmige Spitze des Frontauges umkreist und dann
ins Ventralauge, einstrahlt. Es scheint indessen, als ob auch Faserstränge, welche quer das
Frontauge durchsetzen, bis in das Ventralauge gelangen.“
Hiernach wird also, wie man es auch a priori annehmen so llte , das Ventralauge ausschliesslich
von der unteren, ventralen Partie des Ganglions versorgt, dem Frontauge aber gehören
alle von der dorsalen Hälfte des Ganglions herkommenden Nervenbündel zu , — vielleicht auch
noch ein Teil der unteren.
Demgegenüber war S a m a s s a auf Grund seiner jedenfalls eingehenderen Untersuchungen
zu folgendem Ergebnis gelangt, das ich mit Rücksicht auf die von mir im folgenden angewendete
Beweisführung ebenfalls im Wortlaut wiedergeben möchte:
„Zu den Augen des keilförmigen Abschnittes (Frontauge) treten nun die Nervenfasern
aus dem vorderen Theil der ventralen Hälfte des Sehganglions (Fig. 36, 38 v. 0 ). Der Nerv für
den kugelförmigen Abschnitt (Ventralauge) hingegen entspringt aus der ganzen dorsalen Hälfte
desselben (Fig. 36, 33 h. 0 .). Derselbe tr itt zwischen den Pigmentbechern der kreisförmigen
Schicht hindurch, um an die Retinulae des kugelförmigen Abschnittes zu gelangen.
Dieses Verhältniss, das zwar auch aus dem Sagittalschnitt der Fig . 36 ersichtlich ist,
wird besonders klar aus dem Frontalschnitte, den Fig . 37 d a r ste llt: wir sehen die Pigmentbecher
der kugelförmigen Schicht, welche die kegelförmige allse itig umgiebt, in der Längsrichtung durchschnitten,
während diejenigen der keilförmigen quer getroffen sind. Zwischen diese hindurch
treten Bündel von Nervenfasern, welche sich baumförmig verzweigen, so dass an jedes Rhabdom
eine Primitivfaser t r it t.“ (Samassa 1891, pag. 119.)
Jede dieser beiden Erklärungen bietet, wie man sieht, besondere Schwierigkeiten für das
Verständnis dar.
Geht man von der Erfahrungsthatsache aus, dass die Nervenfasern immer an der Spitze
des Facettengliedes in dieses übergehen, so wird man bei der Erklärung C h u n s , wie ein Blick
auf Fig. 1 zeigt, unwillkürlich vor die Frage gestellt, auf welchem Wege nun die aus dem dorsalen
Teile des Ganglions austretenden Nervenfasern nach der Spitze des kegelförmigen Frontauges hingelangen.
Da sie augenscheinlich das ganze Frontauge quer durchsetzen, wenigstens von einem
Zo o lo g ic a. H e f t 28.