
 
		Spurrichtung  durch  die  Ameisen,  glaube  ich  auf  andere  Weise  besser  erklären  zu  können,  als  durch  
 die  Annahme  einer  Polarisation  der  von  den  Ameisen  hinterlassenen  chemischen  Spur. 
 Bethe  hat  selber die kritische Frage nicht übersehen,  die  sich aus  seiner Polarisationshypothese  
 ergab  und  welche  lautet:  wie  kann  eine Ameise,  die  zum  erstenmal  einen Weg geht,  d ie s e lb e   Spur  
 für  den  Rückweg  benutzen,  ohne  dadurch  die  Polarisation  ihrer  eigenen  Fährte  wieder  aufzuheben?  
 Wie  ist  es  denn  möglich,  dass  sie  selber  oder  eine  andere  ihrer  Gefährtinnen  später  denselben Weg  
 wiederfindet  und  als  Hinweg  benutzt,  obwohl  die  betreffende  Polarisation  durch  den  Rückweg  der  
 ersten Ameise  aufgehoben  sein musste ?  Er beantwortet  diese Frage  durch folgende  neue These  (S.  Gl):  
 „D ie   zum  N e s t   h in fü h r e n d e   S p u r   k a n n   d en   vom   N e s t   k om m e n d e n   T h i e r e n   n ic h t   
 a ls  W e g w e i s e r   d i e n e n ,  und   d i e   v om   N e s t   f o r t fü h r e n d e   S p u r   i s t   n i c h t   im  S t a n d e ,  
 A m e i s e n   zum  N e s t e   h in   zu   l e i t e n . “  Diese  neue  allgemeine  Behauptung  gründet  B.  auf  ein  
 einziges  Experiment,  welches  er  mit  L asius  emarginaius  gemacht  hatte.  Er  sah,  wie  zu  einem Neste  
 von  Lasius  emarginaius  gerade  eine  Anzahl  g  zurückkehrten,  während  zufällig  gerade  keine  in  entgegengesetzter  
 Richtung  vom  Neste  herkamen.  Er  hob  nun  schnell  mit  einem  Messer  einen  kleinen  
 Sandhaufen  fort,  über  den  die  alte Ameisenstrasse  geführt hatte.  Die  zum Neste  hingehenden  Ameisen  
 stauten  sich  an  der Unterbrechungsstelle  der  alten  Fährte  und  suchten  schliesslich  einen  neuen Weg,  
 welcher  um  die  abgestochene  Stelle  herumführte  und  dort  wieder  in  den  alten  Weg  einbog.  So  
 bildete  sich für die heimkehrenden Ameisen  ein neuer Geruchspfad.  Unterdessen  kamen  andere Ameisen  
 aus  demselben  Neste  heraus  und  gelangten  auf  dem  alten W ege  bis  an  die Unterbrechungsstelle  desselben, 
   wo  sie  hin  und  her  liefen  und  die  Fährte  suchten.  Aber  sie  schlugen  nicht  den  Weg  ein,  
 welchen  die  zurückkehrenden  Ameisen  bereits  begingen,  sondern wählten  einen neuen,  etwas kürzeren  
 Weg  unterhalb  desselben.  Es  fragt  sich  nun:  ist  die  von  B.  gezogene  Schlussfolgerung  berechtigt:  
 die  zum  Neste  hinführende  Spur  kann  a b s o l u t   n i c h t   als  Wegweiser  dienen  für  die  vom  Neste  
 fortgehenden  Ameisen? 
 Ich  glaube  das  keineswegs.  Ich  will  ganz  von  der  Frage  absehen,  wo   die  neue  Rückkehrspur  
 in  die  alte  Spur  einmündete.-  War  die  Mündungsstelle  auch  nur  etwas  unterhalb  der  Unterbrechungsstelle  
 des  alten Weges,  so  ist  es  sehr  leicht  begreiflich,  dass  die  vom Neste  herkommenden  
 Ameisen,  an  der Unterbrechungsstelle angelangt,  einen  eigenen Weg sich  suchten;  denn die  alte Fährte  
 war  bedeutend  stärker  als  die  neue  Rückspur,  und  die  Ameisen,  welche  auf  der  alten  Fährte  vom  
 Neste  herkamen,  hätten  umkehren  müssen,  um  sie  zu  suchen,  was  die  Lasius  bei  derartigen  Unterbrechungen  
 ihrer  Fährte  gewöhnlich  nicht  thun.  Aber  selbst  für  den  Fall,  dass  die  neue  Rückspur  
 genau  an  der  Unterbrechungsstelle  der  alten  Fährte  einmündete,  ist  der  von  B.  gezogene  allgemeine  
 Schluss  noch  unberechtigt.  Meines  Erachtens  bietet  seine  Beobachtung  nur  eine  neue  interessante  
 Bestätigung  für  die  auch  anderweitig  wahrscheinliche  Annahme,  d a s s   a u f   e in e r   a l t e n   (vielbegangenen) 
   U a s iw s - S t r a s s e   z w e i  v o n   e in a n d e r   u n a b h ä n g ig e   G e r u c h s f ä h r t e n   v e r l 
 a u f e n ,  von  denen  die  eine  hin,  die  andere  zurückführt,  beide  in  ungefähr  gleicher  Stärke  ausgeprägt, 
   und  beide  werden  von  den  Ameisen  mittelst  ihrer Antennen  sofort unterschieden.  Daher  ist  
 es  leicht  begreiflich,  dass  die  vom  Neste  kommenden  Ameisen  nicht  ohne  weiteres  eine  neue  und  
 zwar  viel  schwächere  Rückfährte  als  Hinfährte  benutzten,  sondern  nach  der  alten,  viel  stärkeren  
 Hinfährte  suchten,  und  dass  sie ,  da  sie  dieselbe  nicht  fanden,  einen  n e u e n   Hinweg  neben  der  
 neuen  Rückfährte  einschlugen.  Auf  die  Stelle,  wo  der  neue  Hinweg  zu  liegen  kam,  lege  ich  kein  
 besonderes  Gewicht;  denn  dem  ersten  Lasius,  welcher  an  irgend  einem  Punkte'  der  Unterbrechungsstelle  
 seiner  alten  Fährte  den  Uebergang  wagt,  pflegen  die  übrigen  wie  die  Schafe  einer  Herde  zu 
 folgen^  Ware  die  erste  der  hintibergehenden  zufällig  etwas  weiter  naeh  links gegangen,  so  würde  die  BUB TielIeioht  mit  der  Rückfährte  sehr nahe  zusammengefallen  sein.  Es war desshalb  
 ganz  verfehlt,  aus  einer  derartigen  Beobachtung  den  allgemeinen  Schluss  zu  ziehen:  a ls o   kann  d ie   
 F a f c t e   d e r   zum   N e s t e   z u r ü c k g e h e n d e n   A m e is e n   n i e   u n d   n im m e r   d en   vom  N e s t e   
 fo r   g e h e n d e n   A m e is e n   a ls   W e g w e i s e r   d ien en .  Diese  Folgerung  ist  in  der  betreffenden  
 Beobachtung  nicht  begründet,  da  letztere  auch  auf anderem Wege  sich  erklären lässt.  Sie  führt  zudem  
 zu  Konsequenzen,  die  durchaus  unhaltbar  sind. 
 Die  erste  dieser Konsequenzen  wäre,  dass  eine Ameise,  die  zum  erstenmal  einen  neuen Weg  
 gegangen  ist,  ihre  eigene  Fährte  nicht  als  Wegweiser  für  den  Bückweg  benutzen  könnte.  Das  ist  
 aber  offenbar  falsch  und  wird  auch  durch Bethe’s  eigene Versuche  mit  den  auf  dem  berussten Glanzpapier  
 gehenden i o » «   widerlegt;  er  konstatirte  ja  selber,  dass  die  Ameisen  stets  den  Hinweg  auch  
 als  Buckweg  benutzten  und  nur  die  Schleifen  desselben  allmählich  abschnitten.  Ich  möchte  ferner  
 die  Verlegenheit  sehen,  in  wehshefjne  Amazonenarmee  (Polyergus)  geriethe,  wenn  sie  ihre  erste Ex-  
 pedition  (die  erste  Expedition  des  betreffenden  Jahres)  gegen  ein  weit  entferntes  Sklavennest  unternommen  
 hat;  es  wäre  ihr  durch Herrn Bethe  absolut  unmöglich  gemacht,  wieder  auf demselben Wege  
 nach  Hause  zu  gelangen;  aber  sie  geht  nach  Forel’s  und  meinen  Beobachtungen  trotzdem  auf  dem-  
 sdben  Wege  heim,  den  sie  gekommen  ist.  Auf  eine  These,  die  zu  derartigen  Schlussfolgerungen  
 fuhrt,  braucht  man  wohl  nicht  weiter  einzugehen.  Man  kann  daher  auch  die  Polarisationshypothese  
 zu  deren  Stutze  sie  aufgestellt  wurde,  nicht  als  einen gelungenen Erklärungsversuch  anerkennen,  trotz  
 des  bestechenden  Scheins  der  Wissenschaftlichkeit  und  Originalität,  den  sie  bei  oberflächlicher  Be-  
 trachtung  besitzt. 
 Dass  die Ameisen  mittelst  ihrer Antennen  den Weg  zum  Nesle  hiu  von  der entgegengesetzten  
 Richtung  u n t e r s c h e id e n   können,  ist  eine Thatsache,  welche  durch  unmittelbare Beobachtung längst  
 ekannt:  mV Und  durch  Bethe’s  hübsche  Experimente  neu  bestätigt  wurde.  Aber  dass  dieses  Orien-  
 taungsvermqgen)  der  Ameisen  auf  einer  P o l a r i s a t io n   der  von  ihnen  hinterlassenen  Geruchsspur  
 beruhe,  muss  ich  entschieden  bestreiten,  und  zwar  aus  folgenden  Gründen. 
 •  .  I  E ” t e n 8 '  Bine  Ameise  k5nnte  ¿a™  den  eigenen  Hinweg,  den  sie  zum  erstenmal  gemacht,  
 nicht  als  Buckweg  benutzen,  weil  die  Polarisation,  welche  sie  auf  der  Geruchsfährte  hinterlassen,  sie  
 nur  vom  Neste  f o r t ,  aber  nicht  zum  Neste  h in   leiten  könnte.  Dies  gilt  a  fortiori  gegen  Bethe’s  
 Eeflextheorie,  nach  welcher  die  Ameise  gar  kein  sinnliches  Wahrnehmungsvermögen  besitzt,  sondern  
 rein  mechanisch  auf  eine  bestimmt»,, Ghemorezeption“  stets  in  derselben unabänderlichen Weise  rea-  
 giren  muss.  Z w e i t e n s .  Wenn  sie  trotzdem  denselben Weg  als  Bückweg  benutzt  Ä w a s   sie  auch  
 fast  immer  thut,  obwohl  sie  es  nach  Bethe’s Theorie  nioht  kann  -   so  könnte  weder  sie  noch irgend  
 eine  andere Ameise  dieselbe  Spur  zum  zweitenmal  als Hinweg benutzen,  weil  die  betreffende Hinweg-  
 Polarisation  von  der  zurückkehrenden  Ameise  wieder  aufgehoben  worden  ist;  auch  diese  Folgerung  
 steht  im  Widerspruch  mit  den Thatsachen.  D r i t t e n s .  Es  müsste  auf  den  sehr  schmalen  und  engbegrenzten  
 Strassen  von Lasius  niger  und  verwandten  Arten  eine  heillöse Verwirrung  entstehen,  wenn  
 eine  Polarisation  der  Geruchstheilch||  die  Ursaohe  der  verschiedenen  Leitungsrichtung  der  beiden  
 Spuren  wäre;  denn  die  Hinspur  liegt  hier  nicht  bloss  äusserst  nahe  der  Rückspur,  sondern  berührt  
 sioh  mit  derselben  vielfach  oder  führt  sogar  über  dieselbe  hin.  Wir  haben  auf  den  Xosiw-Strassen  
 zwei  qualitativ  verschiedene  Fährten  vor  uns,  deren  Verschiedenheit  n i c h t   auf Polarisation  beruhen  
 kann,  da  sonst  die  Leitungsrichtungen  beider  Spuren  sich  zum  grossen  Theile  gegenseitig  aufheben  
 mussten;  denn  eine  scharfe  räumliche  Trennung  beider  Spuren  ist  meist  thatsächlich  n i c h t   v o r - 
 Zo o lo g ic a.  H e ft  26.