
i) Durch Fühlerschläge sucht eine yereinzelte Tormica, die von fremden Ameisen derselben Art
öder einer fremden Formten-Art angegriffen'und festgehalten wird, oft die angreifenden Ameisen
anfangs'zu beschwichtigen; dann erst, wenn ihr dies nicht gelingt, verhält sie sich regungs-
los passiv.
k) Durch Fühlerschläge wird insbesondere bei den Raubameisen der Gattung Polyergus und bei
F . sanguineax) die Anregung zum Auf bruch der Expedition gegeben und auch die Richtung
des Zuges bestimmt, indem jene Ameisen, welche den richtigen "Weg gefunden haben, die
anderen durch Fühlerschläge anregen, ihnen auf demselben zu folgen.
2. Durch F ü h l e r s c h l ä g e wird ferner den Ameisen d i e W a h r n e h m u n g d e s G e r u c h s s
t o f f e s vermittelt, welcher einer anderen Ameise anhaftet, und zwar in intensiverer Weise,
als es bei blosser leiser Berührung mit den Fühlern geschehen würde. Infolgedessen dienen die
Fühlerschläge:
a) Zur raschen Unterscheidung von „Freund“ und „Feind.“
b) Wahrscheinlich ist es, dass hiebei auch die den Fühlern der berührten Ameise z u f ä llig anhaftenden
Geruchsstoffe in besonders lebhafter W eise wahrgenommen werden und dass dadurch
a. Die Wahrnehmung einer von der berührten Ameise vorher gefundenen Beute an die Gefährtinnen
. vermittelt wird.
ß. Dass die von den Fühlern der berührten Ameise p r o d u c i r t e n , den bestimmten Erregungszuständen
(Furcht, Kampflust etc.) entsprechenden Geruchsstoffe,*dem Geruchssinn
der anderen Ameise hiebei zugänglich werden und dadurch den Erregungszustand der
berührten Ameise auch auf die berührende übertragen können. Die Produktion derartiger,
den verschiedenen subjektiven Gefühlszuständen einer Ameise.entsprechenden Geruchsstoffe
gehört jedoch einstweilen bloss dem Gebiete der Yermuthung an, während die unter 1 .1
und 1.2 a, b, a verzeichneten Wirkungen der Fühlerschläge der direkten Beobachtung
zugänglich sind.
II. An zweiter Stelle dienen dem sinnlichen Mittheilungsvermögen der Ameisen ausser den Fühlerschlägen
auch noch a n d e r e s in n l i c h e Z e i c h e n , die ebenfalls in bestimmten willkürlichen Bewegungen2)
bestehen. Es sind vorzüglich folgende:
1. Eine um Nahrung bettelnde Ameise beleckt häufig nach den Fühlerschlägen (1.1 b) zudringlich
die Mundgegend derjenigen, von welcher sie gefüttert werden soll.
2. Erhebt sie sehr oft auch vor oder während der Fütterung ihre Yorderfüsse und streichelt mit
raschen, leisen Schlägen die Kopfseiten der fütternden Ameise.;
3. Beim Nestwechsel der Formica-kxten ergreift die eine Ameise nach den einleitenden Fühlerschlägen
(L lc ) meist die Oberkiefer der Gefährtin, welche sie forttragen möchte; ist diese geneigt
zu folgen, so rollt sie sich ein und lässt sich tragen.
4. Manchmal ergreift auch eine Ameise die Gefährtin an einem Beine, seltener an einem Fühler,
und zieht sie in der gewünschten Richtung eine Strecke weit mit sich fort. (Vgl. auch I. lg .)
5. In dieser Weise ziehen einzelne $ bei Störung des Nestes,- z. B. bei plötzlicher Erhellung desJ)
Sowie bei deren nordamerikanischen Verwandten, die gleichfalls Sklaven rauben.
*) „Willkürliche Bewegung“ steht im Gegensatz zur blossen Reflexbewegung und bezeichnet, wie es bisher
allgemein üblich war und wahrscheinlich auch,künftig üblich sein wird, die vom sinnlichen Erkenntniss- und Strebevermögen
der Thiere geleiteten Thätigkeiten.
selben, ihre Königinnen, die sie dabei meist an den Oberkiefern fassen, sowie ihre geflügelten
cf und £ sowie andere ihrer Nestgenossen z. B. Lomcchusa, in einen anderen Nesttheil mit sich
fort. Nr. 5 leitet offenbar bereits zu jener Transportform über, wo die transportirten Subjekte,
z. B. die Larven und Puppen der Ameisen, oder die Claviger, Hetaerius und andere echte Gäste
rein passiv fortgetragen werden, während bei Nr. 3 und 4 noch eine active Betheiligung der
Transportirten stattfindet.
Diese Zusammenstellung dürfte ein ziemlich vollständiges Bild von den s in n lich en Z e ich en
geben, welche bei den Ameisen zur gegenseitigen Anregung des Nachahmungstriebes und zur gegenseitigen
Mittheilung bestimmter sinnlicher Wahrnehmungen oder Empfindungszustände zur Verwendung kommen.
Man wird in diesen Thatsachen zwar keine „ in t e l l i g e n t e V e r s t ä n d i g u n g “ der Ameisen
untereinander sehen dürfen, da die genannten Erscheinungen aus dem s in n lic h e n E r k en n tn is - und
S t r e b e v e rm ö g e n der Thiere befriedigend erklärlich sind. Aber zu b lo s s e n R e f l e xm a s c h in e n
wird man die Ameisen nur dann machen können, wenn man die Thatsachen in eine künstliche Schablone
gewaltsam hinein zu zwängen versucht.
Ich halte es kaum für nöthig, hier eine eingehende Parallele zwischen dem sinnlichen Mittheilungsvermögen
der Ameisen und der höheren Thiere, z. B. der in Horden lebenden Affen, zu
ziehen. Das den Ameisen in ihren mannigfaltigen Fühlerschlägen zu Gebote stehende Mittheilungs-
Vermögen besitzt eine solche Universalität und eine so zweckmässige Hinordnung auf die verschiedensten
Bedürfnisse ihres Gesellschaftslebens, dass die unartikulirten Laute und die handgreiflichen Gesten
bei den in Herden lebenden höheren Thieren demselben, schwerlich gleichkommen dürften. Die Mittel
des Zusammenwirkens sind verschiedene, indem bei den Ameisen hauptsächlich oder ausschliesslich
Tast- und Geruchswahrnehmungen, bei den höheren Thieren dagegen hauptsächlich Gehörswahrnehmungen
die dem Zusammenwirken dienenden sinnlichen Zeichen dem Individuum vermitteln. Aber
die Art und Weise, wie diese sinnlichen Zeichen für die Bedürfnisse des socialen Lebens von einem
Individuum gegeben und vom anderen verwerthet werden, ist eine völlig analoge bei den Ameisen
und bei den höheren Thieren, ja sie ist bèi ersteren in mehrfacher Beziehung sogar noch eine vollkommenere
als. bei letzteren.
Auf die instinktive N a c h a hm u n g des Fühlerverkehrs der Ameisen durch gewisse A m e is en g
ä s t e aus der Ordnung der Ooleopteren, die namentlich bei den doppelwirthigen Arten der Gattung
Atemeies sehr hoch entwickelt ist, will ich hier nicht näher eingehen, da ich mich in vorliegender
Studie bloss mit den psychischen Fähigkeiten der A m e i s e n zu beschäftigen vorhatte. Jene aktive
Mimicry gehört jedenfalls zu den interessantesten biologischen Problemen und zugleich zu den drolligsten
Schauspielen des gesammten Thierlebens.
Als ich vor 14 Jahren zum erstenmal sah, wie ein Atemeies emarginatus eine Myrmica nach
Ameisenart zur Fütterung aufforderte und dabei nicht bloss den Kopf der Ameise mit seinen Fühlern
betrillerte, sondern sogar die Yorderfüsse nach Ameisensitte erhob und die Kopfseiten der Ameise mit
raschen, leisen Bewegungen streichelte, glaubte ich meinen Augen nicht mehr trauen zu dürfen ; so
fremdartig erschien mir dieses Benehmen. Seither ist es jedoch für mich durch Hunderte von Beobachtungen
ein ganz gewöhnliches Schauspiel geworden. Ueber die Art und W e ise , wie f r em d e
A m e i s e n a r t e n sich diesem ameisenähnlichen Benehmen der Käfer gegenüber verhalten, wird bei
den „ in t e r n a t i o n a l e n B e z i é h u n g e n deT Atemeies11 eingehend die Rede sein. Hier nur eine
Bemerkung über die sonderbare Art und Weise, wie sich Formica sanguinea, benimmt, wenn ein von
ihr bereits vollkommen aufgenommener kleiner Atemeies (emarginatus. oder paradoxus) sie zum ersten