Weise angestellt und haben zur Lösung der einschlägigen Probleme, namentlich darüber, wie die
Lasius-Arten ihren Weg finden, einen wichtigen neuen Beitrag geliefert. Leider wurden auch hier
von ihm in mehreren Punkten einseitige und nicht hinreichend begründete Schlussfolgerungen gezogen,
denen ich auf Grund meiner Beobachtungen nicht beistimmen kann, auch abgesehen von dem stets
wiederkehrenden •KpaHzov <psödo<;, welches lautet: „nicht erlernt — also bloss reflex.“
Bethe’s Versuche beziehen sich auf die Fragen: Kennen die Ameisen einer Kolonie sich
„persönlich“ ? Wie finden die Ameisen ihren Weg? Besitzen die Ameisen Mittheilungsvermögen?
Weisen andere Verrichtungen der Ameisen auf den Besitz psychischer Qualitäten hin?
Wie erkennen die Ameisen sich untereinander?
Nach Forel geschieht das gegenseitige „Erkennen“ der zu e in e r Kolonie gehörigen Ameisen
durch eine eigenthümliche Verbindung von Geruchs- und Tastwahrnehmung, die er mit dem sehr geeigneten
Worte „ o d e u r au c o n t a c t “ ( „ B e r ü h r u n g s g e r u c h “) bezeichnete. Als Werkzeug dieser
Sinneswahrnehmung dienen die Fühler, insbesondere die Fühlerspitzen r Ich konnte mich auf Grund
meiner Beobachtungen dieser Auffassung Forel’s völlig anschliessen. Dass die Ameisen sich nicht in
dem Sinne „persönlich kennen“, als ob sie sich u n a b h ä n g ig von der durch die Fühlerspitzen vermittelten
Sinneswahrnehmung, etwa durch eine willkürlich gewählte intelligente „Parole“, z. B. durch
eine bestimmte Form der Fühlerschläge, womit sie sich gegenseitig berühren, als Gefährtinnen zu erkennen
vermöchten, das ist schon lange bekannt. Bereits 1891 (21. S. 211) schrieb ich hierüber:
„Der Umstand, dass ihrer Fühler beraubte Ameisen von den Gefährtinnen noch e r k a n n t w e r d e n
durch Berührung mit den Fühlern, obwohl sie selbst diese Unterscheidungsfähigkeit eingebüsst haben,
zeigt, dass es sich um eine Geruchswahrnehmung handle, nicht um eine Parole, die in .einer bestimmten
Fühlerbewegung von beiden Seiten bestehen müsste.“ Ferner haben Forel und ich bereits wiederholt
darauf hingewiesen, dass eine vereinzelte, von feindlicher Ameisensäure bespritzte Ameise von ihren
eigenen Nestgenossen wenigstens anfangs nicht erkannt, sondern feindlich angegriffen, manchmal sogar
getödtet wird; auch hieraus schlossen wir, dass die gegenseitige Erkennung der Ameisen einer
Kolonie durch einen bestimmten, ihnen anhaftenden Geruchsstoff vermittelt werde. Ein interessantes
Beispiel dieser Art sei hier näher angeführt. Am 11. Februar 1886 hatte ich eine sanguinea in ein
Beobachtungsnest von Polyergus rufescens (mit F. fusca als Hilfsameisen) gesetzt. Eine fusca, welche
ihr begegnete, griff sie an, und die sanguinea bespritzte die fusca mit ihrem Gifte. Als die fusca hierauf
den Feind losgelassen hatte und zu den Ihrigen zurückgekehrt war, wurde sie von mehreren fusca,
ihren eigenen Gefährtinnen, angegriffen, eine halbe Stunde lang feindlich umhergezerrt und sogar mit
Gift bespritzt; denn sie roch nach der sanguinea und wurde daher von den Ihrigen nicht mehr erkannt
; sie wurde wie eine sanguinea behandelt, trotzdem ihre sonstige Erscheinung (Gestalt und Färbung)
dieselbe geblieben war.
*) Zur Bestätigung dieser Ansicht dienen auch meine Versuche über die Bedeutung der Fühler bei Myrme-
donia. (Vgl. 19.) Letztere Versuche beweisen überdies, dass bei manchen Geruchswahrnehmungen z. B. den auf
die Nahrung bezüglichen, neben den Fühlern auch die an ihrer Spitze mit einem Papillenkranze versehenen Taster
betheiligt sind; die fühlerlosen Myrmedonien konnten noch ihre Nahrung wittern, aber nicht mehr ihre Feinde meiden.
Ueber die biologische Bedeutung der Palpen beiden Insekten vgl. auch Biol. Centralbl. IX. 1889. Nr. 10. S. 303—308.
Bethe hat nun durch seine Versuche bestätigt, dass bei dem gegenseitigen „Erkennen“ der
Ameisen wirklich ein „ G e r u c h s s t o f f “ im Spielesei. Er badete Ameisen in einem Alcohol-Wasserbad,
liess sie trocken werden und badete sie dann in der aus zerquetschten Ameisen fremder Arten
bereiteten Brühe; dann wurden sie theils zu den eigenen Kolonien, theils zu jenen der betreffenden
fremden Arten gesetzt; bei ersteren wurden sie in Folge jenes Bades feindlich angegriffen, bei letzteren
dagegen geduldet; wie lange, das sagt Herr Bethe leider nicht. Gerade das wäre sehr interessant
gewesen, zu erfahren; denn bei der Frage, wie die Ameisen ihre Gefährtinnen von Fremden u n te r s
c h e id e n , genügt es nicht, bloss den ersten indifferenten Eindruck zu berichten, den z. B. ein mit
Tetramorium-'Brühe gebadeter Gamponotus herculeaneus auf die betreffenden Tetramorium macht, wenn
man ihnen die fremde Ameise auf die Nestoberfläche setzt. Es handelt sich vielmehr darum, ob die
Tetramorium nicht durch Untersuchung des Fremden mittelst ihrer Fühlerspitzen in kurzer Zeit die
Täuschung bemerken, indem sie den Eigengeruch des Gamponotus von dem ihm anhaftenden Tetrar
mormm-Gerüche allmählich unterscheiden. Darüber berichtet Bethe nichts. Seine Angabe, man könne
durch jenes Badeexperiment bewirken, „einen Feind so zu verwandeln, dass er wie ein Nestgenosse
au fg en om m en wird“ (S. 36), ist daher durch seine Versuche nicht bewiesen worden.
Da es Tetramorium caespitum war, von welchem B. die Behauptung aufgestellt, dass man
eine Myrmica oder einen Gamponotus durch Baden in Tetramorkmv-Brühe so zu verwandeln vermöge,
machte ich einige diesbezügliche Versuche mit einem Beobachtungsneste von Tetramorium, in welchem
die Behandlung der „verwandelten Feinde“ sich leicht näher feststellen liess.
Am 15. April 1898 setzte ich in ein am Tage vorher eingerichtetes volkreiches Tetmmorium-
Nest zuerst 1 Myrmica scabrinodis $ und 1 F . rufa £ oh ne Bad . Die Myrmica (M,) wird wenig an-
griffen, da sie sich gleich anfangs in dem fremden Neste instinktiv „todtstellt.“ *) Viele Tetramorium
laufen an ihr vorüber, berühren sie flüchtig mit den Fühlern und laufen weiter, ohne sie anzugreifen.
Innerhalb 5 Minuten wird sie jedoch nach und nach von 5 TetraAnorium angegriffen und mit dem
Stachel bearbeitet. Die rufa (r,) wurde s o f o r t mit grösser Heftigkeit angegriffen von einer grösseren
Anzahl Tetramonum und ist von ihnen fast bedeckt; sie krümmt sich ein, wehrt sich heftig durch
Beissen und spritzt Gift.
Nun nahm ich in Zwischenräumen von je 5 Minuten aus demselben MyrmicarNeste zwei M.
scabrinodis (Ma und M3), und aus demselben rufa-Neste 2 rufa $ (r2 und r3), behandelte sie sorgfältig
mit dem Bethe’schen Doppelbade und liess sie auf Filtrirpapier trocken werden2). Zu dem zweiten
Bade benützte ich, da Tetramorium sehr klein ist, eine aus einer Menge Ameisen des Tetramorium-
Nestes bereitete Brühe, um den Erfolg zu sichern. Dann_wurden die Gebadeten nacheinander in das
Tetramorium-Nest gesetzt.
Ma wurde bei der ersten Begegnung mit den Tetramorium ebenso behandelt wie die unge-
badete Mt. Da sie sich sofort todtstellte, wurde sie nicht heftig angegriffen; manche Tetramorium
berührten sie mit den Fühlern und gingen gleichgiltig an ihr vorüber, während andere sie mit geöffneten
Kiefern anfuhren. Nach einigen Minuten hatte sich auch an M2 ein halbes Dutzend Tetramonum
festgebissen und zerrten und stachen sie. Also sie war d o ch erkannt worden wie M,. Ich dachte,
die Dauer des Bades in der TetraAnorium-Brühe sei vielleicht zu kürz gewesen und liess daher M3 eine
*) Wesshalb ich nicht sage „in einen- Starrkrampfreflex verfällt“, wird weiter unten klar werden.
2) Benetzte Ameisen werden bekanntlich, auch wenn die Flüssigkeit nur Wasser ist, so lange sie nass sind,
von ihren Gefährtinnen nicht leicht erkannt.