sein so llten, wovon sich E x n e r bei Phronima durch den Augenschein überzeugt hat. Es ist
dieselbe auf totale Reflexion beruhende Leitung des Lichtes, welche bei der künstlichen Beleuchtung
durch Mikroskopierlampen mittelst Anbringung gekrümmter Glasstäbe praktisch verwertet
wird.
W ir sehen also, dass die Sehschärfe ohne Zweifel durch den Zusammenschluss einer Anzahl
Glieder zu einem Erontauge, sowie durch Vermehrung der Facettenglieder wesentlich erhöht
is t , dass sie aber durch den Pigmentmangel wieder herabgedrückt wird, da durch ihn die
an und für sich im Facettenauge vorhandenen Zerstreuungskreise noch vergrössert werden.
J e kürzer die Krystallkegel aber sind, desto kleiner werden diese Zerstreuungskreise
sein , und darum besitzt Bythotrephes in seinem Ventralauge, dessen zahlreiche, kurze Facettenglieder
namentlich in der Horizontalen nur geringe Divergenz zeigen, jedenfalls noch eine bedeutende
Sehschärfe. In der That is t das Netzhautbild in Facettenaugen mit grossen Zerstreuungskreisen
und zahlreichen Gliedern schärfer, als man vermutet. Dies beweist die von
E x n e r seinem Werke (1891) als Titelbild beigegebenen Mikrophotographie eines Netzhautbildes
von Lampyris, welches ein echtes „Superpositionsbild“ ist.
Dass andererseits der Pigmentmangel auch seine guten Seiten haben muss, lässt sich
schon aus seiner Existenz schliessen. Einmal nämlich is t mit ihm noch eine weitere Helligkeitssteigerung
des Netzhautbildes verbunden, da noch mehr Strahlen von den Kegeln und den Rhab-
domen eingefangen werden als sonst, und zum ändern erweisen sich die Zerstreuungskreise keineswegs
als Schädigung, sondern- bilden ein charakteristisches A ttr ib u t aller Facettenaugen. Sie
dienen, wie E x n e r zuerst erkannte, zur Erleichterung der Wahrnehmung von Veränderungen
an den Körpern, namentlich von Bewegungen.
Dieser Zusammenhang is t le icht einzusehen: Ein Lichtpunkt erregt nicht nur eine Reti-
nula, sondern eine ganze Gruppe derselben, und zwar in verschiedenem Grade. Verändert der
Lichtpunkt seinen Ort, vielleicht nur sowe it, um aus der Achsenrichtung eines Kegels in die
des benachbarten zu rücken, so ändert sich nicht nur der Erregungszustand der beiden zugehörigen
Retinulä, sondern aller im Bereich des Zerstreuungskreises gelegenen Sehstäbe.
„Es leuchtet ein, dass diese Erregungsänderung in einer grossen Anzahl von Nervenendigungen
in hohem Grade geeignet ist, die Aufmerksamkeit auf sich zu lenken, d. h. ein Bemerken
der stattgehabten Bewegung sowie ihrer Richtung zu veranlassen, ebenso, dass jede Veränderung,
also das plötzliche Auftreten eines vorher unsichtbar gewesenen Objektes ähnlich starke
Sinnesreizung hervorrufen muss.“ (E x n e r , 1. c. pag. 186.)
Auch zum Schätzen der Entfernung bieten die Zerstreuungskreise, wie C h u n hervorhebt
(1. c. pag. 246), eine vortreffliche Handhabe, denn nahe Lichtpunkte erzeugen einen kleinen
Zerstreuungskreis, entfernte einen grossen. Das ergiebt sich ohne weiteres aus der verschiedenen
Neigung, unter welcher die von ihnen ausgehenden Strahlen auf die ihnen zugewendeten
Kry sta llkeg el treffen.
Alle s in allem betrachtet, ze igt sich, dass die am meisten in die Au^en fallenden Umbildungen
des Daphnidenauges entschieden eine Vervollkommnung desselben, eine Steigerung seiner
Leistungsfähigkeit bedeuten. Durch die Verlängerung der Facettenglieder, durch die Aenderung
ihrer Anordnung und durch das Zurückweichen des Pigmentes ist das Netzhautbild der Polyphemiden
ein vollständigeres und auch schärferes geworden, seine Helligkeit ist ausserordentlich erhöht
und die Fähigkeit des Auges, Bewegungen wahrzunehmen und Entfernungen zu schätzen, hat
bedeutend zugenommen. Namentlich in der Ausbildung eines kegelförmigen Frontauges findet
diese Vervollkommnung ihren sichtbaren Ausdruck. Dasselbe ist nach oben gerichtet, weil die
oberhalb befindlichen Gegenstände mit ihren dem Lichte abgewendeten Flächen im Wasser nur
ein lichtschwaches Bild liefern können, wogegen die unterhalb gelegenen Objekte das auf sie
fallende Licht nach oben zurückstrahlen und daher v ie l besser sichtbar sind.
Dieses ganze aus der Theorie, und noch dazu aus einer recht neuen, wenig erprobten
Theorie abgeleitete U rteil muss freilich, wenn es Anspruch auf Anerkennung haben will, auch
mit den empirischen Thatsachen in vollsten Einklang gebracht werden können.
Warum, so dürfen wir fragen, haben diese Umbildungen gerade die Augen der Polyphemiden,
nicht auch anderer Daphniden betroffen? Welchen Zweck hat die Vervollkommnung des
Auges gerade bei diesen wenigen Gattungen gehabt? — D ie Antwort lässt sich ohne Mühe aus
der biologischen Eigenart dieser Tiere, soweit dieselbe schon bekannt ist, herleiten:
D ie Polyphemiden stellen ohne Zweifel eine jüngere Cladocerenform dar, welche durch
die Verhältnisse gezwungen, zur räuberischen Lebensweise überging. Diese Umwandlung geschah
vielleicht in pflanzenarmen Gebirgsseen von beträchtlicher Tiefe. Die Folge war eine allmähliche
Anpassung des ganzen Körperbaues an die neuen Existenzbedingungen. Ohne weiter
auf die Einzelheiten desselben einzugehen, sei nur bemerkt, dass ebensowenig, wie sich die Extremitäten
der Daphniden für einen räuberischen Nahrungserwerb eigneten, auch das Auge für
einen solchen ausreichend war.
D ie ersteren wurden daher in Greiffüsse zum Festhalten der Beute umgewandelt, die
letzteren in Organe, welche ein leichtes Erspähen und Unterscheiden derselben ermöglichten.
Hierzu war die Erhöhung. der Sehschärfe er st in zweiter Linie erforderlich. A u f tiefere
Gewässer angewiesen, in denen sie auch die wenig belichteten Regionen nach Beute absuchen
mussten, bedurften vielmehr die Polyphemiden hauptsächlich einer Helligkeitssteigerung des Netzhautbildes,
einer grösseren Lichtempfindlichkeit des, Auges, um die ihnen dort engegentretenden
Gegenstände tro tz der schwachen Belichtung noch wahrnehmen zu können. Da aber die für sie
wichtigsten Objekte natürlich ihre Beutetiere und allenfalls auch ihre Feinde bildeten, d. h. fortwährend
in Bewegung befindliche Gegenstände, so war auch zum ändern eine Steigerung der
Fähigkeit, Bewegungen, Veränderungen im Raume wahrzunehmen, unbedingtes Erfordernis für
sie, um so mehr als jene beweglichen Objekte sich nur in schattenhaften Umrissen darstellten.
In dem Masse nun, in welchem die ihnen aufgezwungenen Existenzbedingungen von den ursprünglichen
abwichen, ging auch die Umbildung des Auges vor sich.
Die beiden marinen Formen, Pödon und Evadne, wurden gezwungen, ihren Aufenthalt in
die grössten Wassertiefen zu verlegen. Denn wenn w ir auch von C la u s und L o v ö n hören,
dass Evadne in grossen Mengen an die Oberfläche des Meeres kommt, so is t doch zu beachten,
dass dies nur bei spiegelglatter See geschieht, während sie „bei der geringsten Kräuselung
der Oberfläche“ sofort verschwindet und um so tiefer hinabsteigt, je bewegter die See wird.
D a nun aber die Oberfläche des Meeres nur selten ganz spiegelglatt ist, so is t als ihr „ständiger“
Aufenthalt allein die wenig belichtete Tiefe anzusehen. Da Aehnliches auch von Podon gelten
mag, so erklärt sich zur Genüge die Verkümmerung des Ventralauges, zu Gunsten des Frontauges
bei ihnen.
Das vollkommenste Auge besitzt, wie w ir sahen, Bythotrephes, welcher bis jetzt nur in
tiefen Gebirgsseen gefunden ist. Er kommt im Bodensee nach H o f e r (1896, vgl. C h u n 1: c: