Sechste Familie. Odonat en.
Die Familie d e r Odonaten wird in den Sam m lu n g en , welche mir z u r Benutzung Vorlagen, durch eine
kleine Anzahl Stü ck e vertreten . Nur drei B e rn stein stü ck e umschliessen mehr o der minder g u t e rh alten e
Ex em p la re d ie se r Insekten. Eins derselben ist eine L a r v e n h a u t, welche ich zur G a itu n g Gomphus rechne,
die beiden än d e rn gehören z u r G a ttu n g Agrión und wahrscheinlich beide zur selben j e tz t nicht mehr existi-
renden Art. Dies In sek t ist nicbt ohne In te r e s s e , denn die europäischen Lib ellen sind se it einigen Jah ren
so genau u n te rsu c h t, dass man h ie r s ich e re r sein kann a ls bei den übrigen Neu ro p tere n - G a ttungen fa st alle
A rte n , die nicht äu sse rst selten s in d , zu kennen. E s läs s t sich also auch m it noch g rö s se re r Bestimmtheit
sag e n , dass das Agrión im B e rn ste in die T e rtia e re p o ch e nicht üb erle b t habe und ganz gewiss eine u n te r-
gogangcne Art bilde.
Die S e lten h eit d e r Libellen im B e rn ste in sche int sich mir durch ihre G rö sse und ihren kräftigen F lu g
zu e rk lä re n , so dass fü r sie das Kleben d ie se r Substanz, welches h in re ic h te kleinere und schwächere Insekten
fe stzuhalten, n u r von g e rin g e r G e fah r sein mochte. ü e b e rd ie s ist es s e h r n a tü rlich , dass n u r wenige oder
g a r keine Larv en darin gefunden w e rd en , denn diese leben im W a s se r und kommen n u r zur Metamorphose
an das Land. Die H a u t, welche uns vorliegt, g eh ö rte wahrscheinlich e in e r L a rv e an, die in d e r Nähe eines
Bernsteinbaume s ih re H a u t g ewechselt haben mochte. Die entgegengese tz ten G rü n d e lassen begreifen, weshalb
an ande ren Lo k alitäten , welche fossile Insekten liefern, so viele L ib ellen -L a rv e n angetroffen werden, es sind
nämlich diese L a g e r meistens durch W a s se r gebildet. P ic tet.
Ich habe a u sse r den drei von P ic te t e rwähnten Stücken noch eins mit einzelnen T h eilen eines Agrión
und einen Gomphusflügel untersuchen können. L ib ellen im B e rn ste in gehören unbedingt zu den grössten S e lten heiten.
B eren d t hat u n te r den vielen tausend von ihm u n tersuchten Bern stein -E in sc h lü sse n meines Wissens
ein F ragm en t derselben nie au sse r den v ie r beschriebenen gesehen, und ich habe u n te r u n g efäh r viertausend
Stücken gleichfalls vergeblich danach gesucht. P ic te ts Aeusserung in B e tre ff d e r Vergleichung mit den
lebenden Arten lässt sich j e tz t noch bedeutend e rw e ite rn , denn durch die Arbeiten von Van d e r L inden,
C h a rp e n lie r, Westwood, B ro d ie und H e e r ist uns gegenwärtig eine g rosse Anzahl fo ssiler Odonaten bekannt
geworden. Ich habe mich bemüht die einzelnen Publicationen zu sammeln und in S e ly s Revue des Odonates
d’E u ro p e 1850. P a g . 356. — 364. eine L is te von 39 zum Th eil gewiss sich e r v e rsch ied e n er Arten anführen
können. Da aus Eu ro p a nach u n se re r genauen E rm itte lu n g gegenwärtig n u r 98 lebende Arten als bekannt
anzunehmen sind, und sich bei dor G rö sse d ie se r T h ie re kaum e rwarten lässt, dass n eu e Entdeckungen diese
Zahl bedeutend v e rg rö sse rn we rden, so bilden die 39 fossilen Arten einen nicht zu verachtenden Anha ltspunkt
fü r die Ve rgleichung d e r B e rn stein fau n a mit j e n e r d e r ande ren T e rtia e rg e b ild e , denen nach S e ly s Auseinandersetzung
21 von jen e n 39 Arten angehören.
In ein e r kleinen S ch rift von Bock, welche ein Ve rze ichniss des N a turalien-K abinets des H e rrn S alurgus
aus Königsberg e n th ä lt, finde ich ein Bern slein stü ck mit Libellen an ge führt. Ueber seinen Verbleib weiss
ich nichls sicheres zu berichten. D a , wie ich mich e rin n e re geh ö rt zu h a b e n , jen e s Kabine t nach Danzig
v e rk au ft i s t, kann B eren d ts liie r beschriebenes Stück vielleicht dasselbe sein. Auch eine L ib e lle n -L a rv c im
B e rn s te in , welche ich im älteren In v e n ta r des Kabine ts d e r p h y s ik .- oekonom. G e sellsch aft zu Königsberg
v erzeichnet fin d e , fehlt gegenwärtig.
A g r i ó n a n t i q u u m . T a b .V L F ig . 4. (b . c. d .) — T ab . V III. F ig. 11.
Ungefähre K ö rp e rlän g e 34mill. F lü g elsp an n u n g 3 8 mil!.
E s lagen 3 Stücke (c o ll. B e r .) v or. Ich habe P ic te ts B earbeitung wörtlich übersetzt.
B e s c h r . K o p f tra n s v e rs a l, s e h r k urz und s e h r b r e it, d ü n n e r in d e r M itte , mil halbkugelförmigen,
vorspringenden Augen. P ro th o ra x mittelmässig g ro s s , durch zwei Q ue erreifen ln d re i F e ld e r g e th e ilt, die
Mitte ab g e ru n d e t und b u cke lig, die beiden ande ren F e ld e r etwas e rh a b e n , das h in te re nicht s tä rk e r als das
vo rd e re und ungethe ilt. Mesothorax und Metathorax mittelmässig g ro s s , H in te rle ib schlank, es sind n u r die
fü n f e rste n G lie d e r vorhanden. F ü s s e stark v e r lä n g e r t, nicht b re it g e d rü c k t, mit grossen Dornen versehen.
F lü g e l (ic h sah sie nicht deutlich g en u g , um ih r G e ä d e r mit S ic h e rh e it abbilden zu k ö nnen) sind gestielt,
die Enden ab ge rundet, P te rostigma ein Para lle logramm und etwas län g e r als b re it. Die L än g sa d ern ziemlich
z a h lre ic h , gegen die S pilze wenig g eg a b e lt, worden von Q u e era d ern durchschnitten, welche fa st s te ts gerade
von ein e r zur än d e rn gehen und so viereckige Zellen bilden. Fü n feck ig e Zellen sind in seh r k le in e r Anzahl
v o rh a n d en , die abgebildcte Flü g e lsp itze F ig. c. zeigt fa st alle derselben.
Die F ärb u n g is t nicht mehr s e h r bestimmt, die oberen P a rth ien erscheinen braun mit meiallischcn
Nuancen v e rm isc h t, die u nteren mehr gelblich gewesen zu sein. Das P le ro stigma ist von he lle r F ä rbung.
Das beschriebene Stück war ein Weibchen.
V e rw . Diese Art hat die Hauptkennzeichen v on Agrión (F u e lla B ru lló ) aber auch e in ig e , welche
zu L e s le s gehören. Man kann sie nieht znr G a ttn n g Sympecma b rin g e n , bei der die Flüge l spitzer und
d ichter g e a d e rt s in d , nnd die F ü s s e kürz ere und schwächere Dornen zeigen. Die F lü g e l haben nach d e r
ohen gegebenen B eschreibung fa st n u r viereckige Zollen, und erin n e rn ilurehaus an Agrión F lüge l, n u r gegen
die S pitz e des F lü g e ls bilden die Q ue eradern weniger deulliehe fortlaufende L in ie n , und cs finden ^ sich
dase lbst einige fünfeckige Zellen. J ed e n fa lls ist selbst das Ge äd e r d ie se r P a rth ie in B e tre ff d er Z ah l d er
L än g sa d ern nicht mit dom G e ä d e r bei L e s te s zu vergleichen. Die quee re F o rm des Kopfes und die langen
Dornen d e r F ü s s e , welche diese Art von d e r Mehrzahl d e r Agrionen e n tfe rn e n , scheinen sic beim ersten
Anblick L e s te s zu n ä h e rn , allein gerade diese Kennzeichen heben noch doullicher ihre Vcrwaniilsehaft mil
Agrión laclenm Charp. (A . p la ty p o d a Van d e r L in d e n ) h e r v o r, d eren ku rz er und b re ite r K o p f ein ganz
eigenthümliches Aussehen b ed in g t, und gerade d ie se s finden wir genau bei A. antiquum wieder. A. lactcum
hat überdies s e h r lange Dornen an den F ü s se n , das F lü g e lg e äd e r is l hei beiden nur in unwescntliehcn Dingen
verschieden, und das plerostigma hat dieselbe G e sta lt. Es scheint mir deshalb erwiesen, dass das B c rn s lc in -
Agrion den eigentlichen Agrionen neben A. lactcum zugezählt werden müsse. Mil R ech t b o lra rh te t man
le tz te re A rt als Dcbergangsform von Agrión zu L e s te s, A. antiquum bildet ein Z n isclicnglicd mehr und sieht
dem le tz te ren noch n ähe r, ohne dass es möglich wäre, es generisch von A, laclonm zu trennen. Die Analogie
d ie se r beiden Arten e rs tre c k t sich jed o c h nicht a u f die F o rm dor F ü s s e , A. antiqunm h a t kciiieswegcs die
blattartigen Schienen, die A. lactenm so gut ch a rak te risiren . U ebrigens kenne ich keine exotische Art, welche
mit ih r verglichen werden könnte.
Ein es d e r e rwähnten Bcrn slein slü ck o en th ä lt zwei sch lec h terh a lte n e H in te rle ib e r, Männchen und
Weibchen. Ich habe e rs te re s F ig . 5. abgebiidet, das le tz te re war zu z e rstö rt nm nicht Irrth üm e r befürchten
zu müssen. Seine S tä rk e und F a rb e erlauben den S c h lu s s , es möge d e r beschriebenen Art an gehört haben,
doch is t eine bestimmte Bejahung unmöglich. B ild e t cs eine neue A r t, so is l es durch seine H in te rle ib s !
hacken von allen europäischen L e s te s und Agrionen v ersch ied e n . G e h ö rt es zu r selben A r t, so bestätigt es
die schon besprochene Unmöglichkeit es zn L e s te s zu re c h n e n , denn alle A rte n haben grosso und stark
bogenförmige horizonta le H a cken. P ic te t.
A u s se r den von P ic te t u n tersu c h ten Stü ck en lag noch eines v or, welches F ragm en te d e r F ü s se , Flügel
und den K o p f enthielt. Alle d re i gehören u n bedingt derselben A rt und unbezweife lt zu r Ga ttu n g Pla tycnemis.
De r F lü g e l, dessen genaue E rm itte lu n g nie gelang, is t wie die Abbildung zeigt, bis in die kleinsten Einzelheiten
mit dem von P . pennipe s P a lla s (p latypoda Van de Lin d ) identisch. K o p f nebst F ü h le rn zeigt dieselbe
B ild u n g , e r ist übrigens am Maul etwas s tä rk e r b e h a a rt; die U n terlip p e ist fast dreieckig nach vorn
v e rsc hm ä le rt, vorn ein tie fe r Ausschnitt bis gegen die M itte , so dass je d e rs e its zwei spitz zulaufende von
ein a n d er g e tre n n t s teh en d e Zeichen g eb ild et we rden. D e r scharfe gekrümmte Zahn d e r Un terk ie fe r ü b errag t
d ie se lb e , während d e r T a s te r k ü rz e r ist. Es d iffe rirt diese Bild u n g von den allen mir bekannten lebenden
Arten. H ie r is t die b re ite fa st ab ge rundete L ip p e wenig cingeschnilten, und wird von den Kieferta ste rn ü b e rragt.
D e r P ro th o ra x s te h t dem e in e r unbeschriebenen A r t vom Cap. B . sp. (Agn. leucostictum M. B.) am
nächsten. V o rd erran d schmal und g latt, ringförmig, die beiden F e sfo n s in der Mitte etwas gebogen zusammen-
sto s sen d , hinten e ingedrückt. D e r L ap p e n des H in te rra n d e s g ro s s , b re it, viere ckig, die Ecken abgerundet,
leich t g e randet. D ie F ü s s e sind geformt und bedornt etwa wie bei P . acutipcnnis, die scharfen jedoch wenig
gekrümmten Klauen einfach, ohne den gewöhnlichen Zahn an d e r Spitze. Es un tersch eid et sich A. antiquum
hiedurch wesentlich von den bekannten lebenden A rten. Die S chienen sind ru n d , nicht e rw e ite rt. Das d ritte
Segment des H in te rle ib e s is t etwa dreimal so lang als das zweite. U n te r den lebenden Arten finden wir
eine ähnliche Bildung n u r bei exotischen A r te n , bei den eu ro p äisch en is t es stets n u r von etwa d o p p elter
Län g e . Die Abbildung des P ro tb o ra x bei P ic te t T a b .V L F ig . 4. b. ist seh r unrichtig, und deshalb Tab . VHI.
F ig . 11. neu dargestellt.
Das zweite Stück e n th ä lt zwei fa st vollständig e rh alten e H in te rle ib e r in d e r A rl als wenn sie in
P aaru n g angefiogen wären. W a s von den F lü g e ln erh alten i s t, ist so znsammongerollt und nndoutlich, dass
es eine Bestimmung nicht znlässl. Dns Uebrige macht allerdings s e h r w a lirscheinlich, dass diese Stücke
zu A. antiquum g eh ö rt haben. D e r cylin d risch e L e ib isl elwa '/, länge r als die Flüge l (28 mil].), und vom
siebenten Segment an dio G lied e r abnehmend k ü rz er. Das letzte Glied h at den H in te rran d aufgebogen und
oben in d e r Mille dreieckig aosgeschiiillon. Dio ap fi. snp. sind etwas länger als dasse lbe (fast I mill.), gerade
cy lin d risch , die S p itz en h ä lfte löffelförmig, unten h o h l, nach innen und unten gebogen. Die .app, inferiores
sind d ü n n e r, g e ra d e , ru n d lic h , sp itz zulaufend, und stehen au f e in e r nnch unten zu erw e ite rte n B a s is ; sie
sind so lang als die oberen. Auch d e r eine sichtbare F u s s zeigt eine cylin d risch e S ch ien e , die Klauen vor
d e r S p itz e fa st etwas gekerbt. Allerdings ist dies nicht dentlich. M'ns von dom Weibchen orlinllen, isl noch
wen ig e r deutlich. Die F ü s s e scheinen etwas s lä rk e r und die Klauen ähnlich dem M än n c h en , wodurch das
Zusnnimcngehöron d e r beiden S tü ck e etwas zw cifelhafl wird. Auch die app. anales habe ich nochmals abgebiidet.
V e rw . Es g eh ö rt Agrien anliqoum durch das G e ä d e r se in e r F lü g e l insbesondere durch die Form
d e s Spatium quadrangnlarc in die grosse G ru p p e Argyn. E s sind von derselben bis je tz t n u r wenig Arten
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