Die Ve rgleichung d e r im B ern stein erhaltenen Arten mit den verschiedenen F au n en des E rd b a lls
sche int mir zu e rg e b e n , dass sie d e r F au n a des Mittelmeeres am nächsten s te h e n , und im Allgemeinen mit
den Insekten S ü d -E u ro p a s und N o rd -A fr ik a s die meiste Analogie zeigen. W ir entnehmen darau s (Imme r
mit dem frü h e r ange führten V o rb eh a lte ) einen Gru n d fü r die Möglichkeit, dass das Klima des nördlichen
P reu sse n zu r Z e it d e r te rtia e ren Ep o ch e wä rmer gewesen sei als h e u te , und dass es sich dem Klima des
Mittelmeeres etwas g en ä h e rt habe. Bekanntlich steh t d ie se r Schluss nicht v e re in z e lt da, es h a t jed o c h einiges
In te re s s e seine Bestätigung durch eine T h ie rk la s se n a c h zuw e ise n , die von den übrigen Klassen ( a u f deren
Untersuchung man bis je tz t ihn s tü tz te ) so bedeutend verschieden ist. P ic te t.
Ich habe das V o rstehende, schon v o r zehn J a h re n niedergescfariebene, so ü b ersetzt, wie es d e r Ve rfa sse r
gegeben. P ic te ts sp ä te r ersch ien en e Palacontologic e n th ä lt genau die gleichen Angaben, so dass eine sp ä te re
Aenderung se in e r Ansicht nicht vorausgesetzt werden kann. Die schönen neuen Arbeiten von H e e r und
L oew haben j e t z t wenigstens zum T h e il den am Anfänge d e r Einleitung ausg e sp ro ch en en AVunsch des
V e rfa sse rs e rfüllt.
Z e rg lie d e rn w ir P ic te ts Schlussfolge und das gezogene R e su lta t genau, so müssen w ir offen gestehen,
dass dasselbe mehr die G e s ta lt eines geistre ichen ape rçu ohne s trik ten B ewe is anzunehmen sche int. Die
Möglichkeit, dass die F au n a des Beriisteinlandes je n e r des heutigen Mitte lme erbe ckens zunä chst zu stellen
s e i, is t v o rh a n d en , es fehlen jed o c h die B ew e ise d e r AVirklichkeit. E s wa r mir von besonderem In te re s se
zu lesen, mit welchem R ü ck h a lt Loew nach Untersuchung von beiläufig 10,000 B e rn s le in -D ip te re n sich über
diesen P u n k t g e ä u sse rt bat. (S te ttin e r Entom. Zeit. 1850. P ag . 306. e t sq q .) „AVährend d e r grosse
S chwan n des Gemeinen je n e n A llerw elts-D ip tere n g le ic h t, wie sie an den Ufern des Orinoko und d e r Elbe,
in den Dschunglen Ostindiens und an je d e r feuchten Ste lle des innern Afrika schw ärm en , lässt es sich nicht
füglich verk en n en , dass diesen Ga ttungen (Chironomus, Bibio, Mycetophila, Sciara , L e p tis ) alle S te llv e rtre te r
d erje n ig en Arten fe h le n , welche die tropische F a u n a ausz eichnen. Ganz anders jed o c h g e s ta lte t sich die
A n sich t, wenn man einen Blick a u f die se ltn e ren Arten des B e rn s te in s wendet. Arten aus d e r Mark und
dem Norden Eu ro p a s finden sich neben j e t z t S ib irie n , S ü d afrik a und B rasilien eigenthümlichen D ipteren
friedlich beisammen. Ich hin weit e n tfe rn t, fäjirt Loew fo r t, zu g lau b e n , dass jen e u rw eltliche F a u n a , im
Ve rgleich mil dem zahllosen H e e re d e r die E rd e geg enwärtig bevölkernden Insekten wirklich je n e n , ich
möchte s a g e n , buntscheckigen C h a ra k te r an sich trage. E s ist mir g a r s e h r klar, dass w ir in dieselbe durch
ein stark gefärbte s Glas sehen. Dies G la s , was uns vieles in einem falschen L ic h te erblicken lä s s t, ist
u nsere noch so unvollständige Kenntniss d e r lebenden Arten. F a s t je d e n eu e In se k le n sen d u n g b rin g t uns
B erichtigungen ü b e r die A'erbreitung von G a ttu n g e n , welche frü h e r fe rnen überseeischen L än d e rn eigenthümlich
zu sein schienen. Die F au n a des B e rn ste inw a ld e s s te h t ab e r d e r G e g enw a rt schon zu n a h e , als
dass sich nicht mit Z u v e rs ic h t e rw a rte n lie s s e , dass sie bei g en a u e re r Kenntniss d e r lebenden Arten
und ih re r geographischen V e rb re itu n g , u n te r einem bestimmten klimatischen und g eographischen C h a ra k te r
erscheinen m ü s s e .“
Obwohl die Kenntniss d e r je tz t lebenden Neu ro p tere n gewiss unvollkommener ist, als d ie a lle r übrigen
Ordnungen, sind w ir doch, und zw a r zum g ro s se n T h e ile durch P ic te ts schöne Arbeilen, ln einigen Familien
in B e tre ff d e r E u ropa eischen F au n a einige S ch ritte vorgedrungeri. E s gehören ab e r diese Arbeiten fast
ausschliesslich dein mittleren und nördlichen E u ro p a a n , dessen südlichere Geg en d en so wie das nördliche
Afrika meistens nur nebenbei b e rü h rt we rden. AVas w ir gegenwärtig von den Neu ro p tere n des M itte lm e erbeckens
k en n e n , ist kurz fo lg en d e s: F ü r Spanien gieb t R am b u r: F au n e de l’Andalousie und H is to ire des
Neu ro p lère s einzelne A r te n , von P o rtu g al h a tte Hoffmansegg schöne und n eu e N e u ro p te ra während seiner
berühmten R eise g e sam m e lt, le id e r sind sie nicht beschrieben. Einige Lib ellen und Neu ro p tera lusitanica
sind die einzigen bis j e tz t fü r jen e s Land notirten Arten . Das südliche F ra n k re ic h is t durch Fonscolombe
und Rambur b e sse r bekannt als die meisten übrigen G e g e n d e n , auch en th ä lt ge rad e fü r diesen T h e il d e r
L itto ra le s des Mitte lme ere s meine Sammlung eine ziemliche Anzahl von Arten. F ü r Italien ist durch die
A rbeiten von P e ta g n a , V a n d e rlin d en , S e ly s -L o n g c h am p s , Ange lini, S ch n e id e r e in ig e rma ssen , wenn auch
s e h r n o thdürftig gesorgt. Von den In se ln S a rd in ie n , Corsica und S icilien kennen w ir n n r wenige E in z e ln heiten
d urch R am b u r, S e ly s -L o n g c h am p s , S chneide rs Beschreibung d er von Z e lle r in Sicilien gesammelten
N eu ro p te re n . D ie B a le a re n , Malta, d e r kontinentale T h e il von S a rd in ie n , das ö s terreich isch e L itto ra le sind
mit Ausnahme von ein P a a r Arten aus Dalmatien vollstän d ig unbekannt. Ein Gleiches gilt fü r die T ü rk e i,
G rie ch en la n d mit seinem In se lm e e r und Kleinasien. B ru lle s , S ch n eid e rs B esch reib u n g d e r von Loew in
Kleinasien gesammelten N e uropteren und einzelne meist den L ib ellen geh ö rig e Arten sind a lle s , was wir
ü ber je n e weiten L än d e rg e b ie te besitzen. S y rie n und E g y p ten sind oft in enlomologischer H in s ich t d u rc h fo
rsch t, und meistens in den Sammlungen viel re ic h e r v e rtre te n als d e r grösste T h e il d e r frü h e r genannten
L ä n d e r. L e id e r ist bis je tz t n u r wenig davon veröffentlicht worden. Oliv iers Mitlheilungen, ein P a a r Arten
bei Fo rsk al und F a b ric iu s , die drei schönen T a f e ln , welche uns S avigny ohne B eschreibung hinterlasseii,
Klugs B earb eitu n g d e r egyptischen Myrmeleonen und einige Arten bei Rambur bilden h ie r den Kern unseres
Wissens. Die ganze noch übrige we ite Uferslre cke von Afrika ist mil Ausnahme e in ig e r Arten aus der
B orborei und d e r B e a rb e itu n g d o r von Lucas in Algier gesammelton Ncnroploron durch S ely s -L o n g ch am p s ,
durchaus ungokannl. ü e b o rs e h e n wir nochmals den ganzen durclilauronon Kreis wc ile r L ä n d e rg e b ie te so
müssen wir le id e r g e s te h e n , dass un sere Kenntniss d e r sie bewohnenden N e uropteren fast n u r an f ’seh r
einzelne Arten o ft in w e ite r Entfe rn u n g von einander gesammelt sich be sc h rän k e , wälircnd an d e rseits sich
Lücken an L ücken in üb erwieg en d e r Mehrzahl und G rö sse re ihen. N u r fü r die Libellen ist in d e r von
S e ly s -L o n g c h am p s und mir b ea rb eitete n R ev u e des Odonates eine Aufzählung d e r Arten v e rsu ch t, welche
dom G e b ie te des Mittelmoeros a n g e h ö ren , nnd se lb st h ie r mit geringem Erfolg. Da überdies ein b eträ ch tlicher
T h e » d e r ange führten Arbeiten e r s t nach 1845 erschienen ist, wird man es hoffentlich nicht ungerecht
finden, wenn ich P ic te ts Ausspruch „dio F au n a des Bernstoinlandes möge d e r dos houligon Miltolmeerheckcns
zu n ä ch st s te h e n “ ein ape rçu ohne Beweis genannt h a b e , da ihm die N e n ro p te rc ii-P a u n a je n e s Län d e rslrich s
unbekannt geblieben sein musste.
Geh en w ir von diesen allgemeinen Bemerkungen zu dem spcciollon T h e ile ü b e r, wobei n atü rlich nnr
die von F ie le t beschriebenen N e nropteren - A rten in Anschlag g eb rach t we rden d ü rf e n , denn n u r aus diesen
konnte seine Ansicht ab g e leitet werden, so v e rlie rt dieselbe noch m eh r an F undament, U n te r don beschriebenen
T e rm it e n -A r t e n , die allerd in g s M itte l- und N o rd eu ro p a fehlen ( f ü r T . lucifngus möchte nach Bose
Angabe die Umgegend von P a ris die nördlichste G rän z e s e in , doch sclieint das T h ie r j e tz t nich t mehr da
g efunden zu w o rd e n ) s te h t n u r eine in G rö sse nnd P e rm , den fü r das Mitlelmoerbocken bekannten Arten
n a h e , während die übrigen durch verwandte F o rm en e rs t in M itte l- und S ü d a frik a und Brasilien v ertreten
werden. Embia lie fe rt eine d e r im südlichen E u ro p a und E g y p ten gefundenen ähnliche Art, die wohl sicher
m ehr nördlichen Gegenden fehlt. Psocus en th ä lt keine Specie s, welche nicht den heute in P reu s se n lebenden
zugezählt werden k ö n n te ; dass Amphienlomum durch Ostindische C o p a l-A rte n gegenwärtig re p ra e s e n tirt wird,
war P ic te t noch nicht bekannt. Die P e rlid en und E p h em e ren bieten keine A r t, welche von denen je tz t in
ganz E u ro p a lebenden bedeutend abwiche. Die uns am besten bekannten O d o n a te n -F au n a ist n u r durch ein
Agrión v e rtre te n , welches meiner Ansicht zufolge P la tym e ris am nächsten s te h t und in noch unbeschriebenen
exotischen Arten seine V e rwandten wiede rfinde t. U n te r den echten Neu ro p tere n sche int lîilla c u s allerdings
e r s t in S ü d eu ro p a seine eigentliche H e im a th zu h a b e n , wenigstens sind P a r i s , Zürich und Wien (se lte n
findet e r sich noch bei Mannhe im) die nördlichsten F u n d o rte fü r die einzige europaeische A r t; wogegen die
b e schriebene Chauliodes-Art j e t z t in Amerika ih re Ve rwandten s u c h t, und in E u ro p a n u r in dem d e r Fauna
des Mitte lme ere s eigenthümlichen Dilar Rbr. (S p a n ie n , P o rtu g a l, S y r ie n ) kaum annähernd v e rtre te n wird.
Die übrigen mir bekannten H em e ro b id e n , P ic te t b esc h reib t n u r je n e zwei A r te n , stehen meistens denen aus
M itte l-E u ro p a n a h e , während eine neue Art von B ittac u s g eg enwärtig ihren R cp ra e sen la n te n u n te r den
T ro p e n findet. Die beschriebenen P h ry g an id en endlich entha lten kaum eine Art (Mormonia taen ia ta vielleicht
au sg e n omm e n ), welche nich t denen des Nordens von E u ro p a an die S e ite g ese tz t werden k ö nne. Doch
kennen w ir gerade fü r diese F am ilie die F a u n a des Milleimeerbeckens n u r ganz unzureichend. Die beiden
von P se u d o p e rla beschriebenen Arten gehören zu den P hasmiden und sollen Ostindischen Arten nahe stehen.
Um das M iltc lm e er herum finden sich allerdings einige P h a sm id e n , während den mehr nördlichen Faunen
diese B’amilie je (z t vollständig fehlt.
E s finden sich also u n te r den circ a 50 uns v o rg e fü h rten B e rn s te in -N e u ro p te re n n u r 12 Arten
(5 T e rm e s , 1 Em b ia , 1 A g r ió n , 1 B itla c u s , 1 C h au lio d e s, 2 P s e u d o p e r la , 1 Amphientomum) einem T y p u s
an g e h ö rig , d e r entsch ied en g eg e nw ä rtig in d e r F au n a d e r L ä n d e rg e b ie le , welche j e tz t den B ern stein liefe rn ,
also insbesondere P reu s se n s nicht v e rtre te n ist. Nur drei je n e r Arten sind in d e r heutigen F au n a des
Milteimeerbeckens in analogen Arten vorh an d en (T e rm e s , Em b ia , B itta c u s ), die übrigen gehören m eh r o der
minder en tfe rn ten Regionen an. A u f je n e drei kann sich also allein P ic tets Aussprucli beziehen.
Es is t wohl ganz n a tü rlich , dass ich nach dem Erw äh n ten es fü r gewagt und unnütz halte, irg en dw ie
se lb st eine näh e re P ra e c isio n d e r B e rn s te in -F a u n a im Vergleich zu den je tz t lebenden Arten zu versuchen
bis hiezu ein re ic h e re s wissenschaftlich fe s t beg rü n d etes Material wenigstens fü r ganz Eu ro p a und die angrän-
zondeii F au n en vorlicgt.
Von dem grösse sten In te re s se wä re fü r diese Arbeit eine Ve rgleichung d e r in Sicilianischem Bernstein
befindlichen Insekten gewesen. L e id e r g eh ö rte das einzige in diesem Material befindliche T l i ie r , welches
mir zu G e s ic h t gekommen i s t, nicht zu den N eu ro p teren . Dass übrigens Insekten in demselben nicht zu
selten angetroffen wo rd en , b eweisst eine allerd in g s zu hohen P re ise n in Catania zum Kaufe ausgebotene
Sammlung und Guè riiis Be.arbcitung Sic ilianischer B e rn ste in - Insekten.
Dass die Copal - Insekten ein e r ganz verschiedenen neueren F au n a an g e h ö ren , ist b ek a n n t, um so
wichtiger is t c s , dass wir u n te r dense lben bisweilen Rcp ra esen la n te n von Gattungen d e r B ern stein - Insekten
fin d en , we lche bis je tz t u n te r den lebenden Insekten vergebens gesucht w u rd e n , so eine G a tlu n g bei den
Dipteren und Amphientomum bei den P so c en . Die B e a rb e itu n g fossiler In s e k te n an d e rer Schichten giebt
bis je tz t n u r ein nega tive s Urthe il. Alle m it'S ic h e rh e it u n tersuchten A rte n , die Brodic fü r den L ia s . He er
fü r die Schichten von Oeningen und Radoboj beschrieben h ab e n , sind von den B e rn s te in - In s e k te n sicher
verschieden. Dem je tz ig e n geologischen Wissen gemäss müssten derselb en Radoboj's U e b e rre s te am nächsten
steh en . W a s jed o c h von d o rt und dem sp ä te r entstandenen Oeningen en td e ck t wurde, ich e rin n e re namentlich