156 II. V e rmi s c h t e A b h a n d lu n g e n .
dem Saft der fibrösen Röhren giebt es wahrend des Sommers und
Herbsts immer mehr oder weniger Kügelchen. Die grofsen Gefäfse füh*
ren also rohe Flüssigkeiten zu, und Tassen sich mit - den einsaugenden
Gefäfsen der Thiere vergleichen; die fibrösen Röhren verwandeln diese
Flüssigkeit in einen belebten, unmittelbar zur Reproduktion dienenden
Saft, der dem thierischen Blut ähnlich ist, und den ich den v e g e ta b
ilis ch e n B ild u n g s s a ft nennen will.
Diese Ähnlichkeit mit dem thierischen Blut ist vorzüglich an dem
milchartigen Saft mehrerer Pflanzen auffallend.- R a f n bemerkte sie
zuerst. L i n k , der sie anfangs läugnete, gestand sie doch nachher
ein **). Jener Saft ist für den vegetabilischen Körper weit wichtiger
als irgend ein anderer. Der Ausflufs desselben zieht immer Krankheiten,
und selbst den Tod der JPflanze nach sich •}•). Er äufsert auch
ähnliche Lebenserscheinungen wie das thierische Blut. H e i d m a n n bemerkte
zuerst im gerinnenden Blut sowohl kalt- als warmblütiger Thiere
unter dem Mikroskop plötzliche Zuckungen, die mit den Zusammenziehungen
der Muskeln Ähnlichkeit hatten f f ) . Ich habe diese Beobachtung
bestätigt gefunden, und aufserdem entdeckt, dafs auch im frischen
thierischen Saamen solche Zuckungen statt finden, und dafs in
dem Blut vor dem Eintritt des Gerinnens die Kügelchen in einer Bewegung
sind, die in einer eigenen Kraft derselben ihren Grund haben
*) Entwurf einer Pflanzenphysiologie. Übers, von Mar küs s en. S.91.
**) In seinen Nachträgen zu den Grundlehren der Anat. und Physiol. der Pfl,
H. 1. S. 29.
f ) Be r nha r d i a. a, O. S 65.
Tt ) R e i l ’ s Archiv für die Physiologie. B. VI. S. 4iy.
5. Ueber die Gefäfse und den Bilduligssaft der Pflanzen. 157
mufs*). Von beyden Phänomenen ist mir etwas Analoges an vegetabilischen
Flüssigkeiten vorgekommen. Beym Rhus Cotinus ergiefst sich
aus den unter der Rinde liegenden Bündeln von fibrösen Röhren eine
durchsichtige Flüssigkeit, die, mit Wasser vermischt, unter dem Mikroskop
theils aus sehr kleinen grauen Kügelchen, theils aus öligen Tropfen
bestehend erscheint. Im Einem Fall äufserte dieselbe eben solche
Zuckungen, wie das gerinnende Blut, und diese-Erscheinung hielt länger
als fünf Minuten an. Nachher habe ich in andern Tropfen solche
Bewegungen nicht wieder gesehen. Immer aber fand ich unter einer
starken Vergröfserung die einzelnen Kügelchen der Flüssigkeit in langsamen
Bewegungen, wobey sie unaufhörlich ihre gegenseitige Stellung
veränderten. Beyde Erscheinungen beobachtete ich nachher noch auffallender
an dem Milchsaft der Vinca. major. Dieser tlieilte sich, mit
Wasser vermischt, in Kügelchen und gröfsere Massen. Die Kügelchen
waren von verschiedener Gröfse und in unaufhörlicher Bewegung. Die
gröfsern Massen rückten ,( wenn sie einige Zeit ruhig gelegen hatten,
plötzlich mit einer zuckenden Bewegung fort, und nahmen dabey eine
ästige Gestalt an. Ich habe nachher auch den Milchsaft der Periploca
graeca und des Sonchus oleraceus untersucht. Diese zeigten zwar
nicht solche Bewegungen.. Allein ich beobachtete sie erst im October,
nachdem schon starke Nachtfröste eingetreten waren. Früher hätte
ich vielleicht auch an ihnen etwas Ähnliches gesehen.
Hierbey setze ich etwas” voraus, was man mir nicht ohne Beweis
einräumen wird; die Gleichartigkeit des nur einigen Pflanzen eigenen
Milchsafts mit der bey allen Gewächsen vorkommenden Flüssigkeit,
0 Man vergl. was ich hierüber in der vorstehenden Abhandlung gesagt habe.