Grenzlinie quer durch den See geht, können auch anders gedeutet
werden, wie er selbst zügibt. Bei dem einheitlichen Charakter, den
nach unserer Ansicht das ganze Phänomen der Hochseen zeigt, müsste
man diese Erklärung für alle Seen zulassen. Bei der unregelmässigen
Lage, die die einzelnen Seen überall zu dem Kamm und dessen Querrippen
haben, halten wir es jedoch für wenig wahrscheinlich, dass
überall der weiter rückwärts gelegene Theil tiefer abgesunken sei,
als der mehr im Vordergrund des Thals befindliche. Wir sind der
Ansicht, dass hier eine allgemein wirkende Ursache aufgefunden
werden muss, die überall im Hintergrund der Thäler, die sich an
die Verwerfungsspalten der grossen Kammlinie anlehen, geschlossene
Becken geschaffen hat. Wenn wir nun in dieser Beziehung eine
Hypothese aufstellen, so sind wir uns wohl bewusst, dass dieselbe,
wenigstens was ihre Einzelheiten anbelangt, noch keineswegs überall
auf beobachtete Thatsachen gestützt werden kann, aber wir glauben,
dass dasselbe mit allen bisherigen Erklärungsversuchen der Fall war
und ferner, dass unser Erklärungsversuch den bekannten Thatsachen
völlig’ gerecht wird.
Wir stellen uns vor, dass die grosse Grabenversenkung, welche
das Bheinthal geschaffen, in zwei Hauptsystemen von Bruchlinien
erfolgt sei. Das eine System fasst die zahlreichen Verwerfungen zusammen,
die am Rande des Gebirges liegen, das andere System verläuft
an den Abstürzen des Vogesenkamms und muss in seinen Einzelheiten
noch näher untersucht werden. Das Gebiet, welches zwischen
diesen beiden Hauptverwerfungen eingesunken ist, darf nun nicht
etwa als ein einheitliches Stück der Erdrinde aufgefasst werden,
welches als Ganzes in seinem Niveau erniedrigt ist, sondern es ist
anzunehmen, dass dasselbe durch zahlreiche andere Verwerfungen,
die aber im Vergleich zu den früher erwähnten als Nebenspalten aufzufassen
sind, in kleinere Schollen zertheilt wurde, die ebenfalls in
ihrer gegenseitigen Lage durch den Einbruch gestört wurden. Auch
an diesen Nebenspalten erfolgte ein Abrutschen, aber dasselbe äusserte
sich nicht so intensiv, wie in dem Spaltensystem der Hauptverwerfung
der Kammlinie. Die Schollen senkten sich an der Hauptbruch-
linie tiefer als an jenen weiter tbalabwärts gelegenen Verwerfungen,
niedrigeren Grades. Auf diese Weise entstanden an der Kammlinie,
in den Thälern Terrassen mit Flächen, die nach dem Kamm zu sich
senkten, die den Wassern keinen Ausgang boten und so zu Seebildung
Veranlassung gaben. Auch wenn an einzelnen Stellen des
Gebirges die bei unserer Auffassung erwähnten Nebenspalten nicht
existiren sollten, bleibt die soeben gegebene Erklärung bestehen.
Denn die abrutschende Gebirgsscholle wird sich in der Nähe der
Verwerfung mehr senken, als an den entfernter liegenden Theilen;
auf diese Weise wird ebenfalls eine Fläche gebildet, die kammwärts
einfällt.
Die von uns vertretene Vorstellung wird durch die nebenstehende
schematische Skizze wiedergegeben.
Ob dieselbe richtig ist, kann nur durch die Thatsachen bewiesen
werden. Die schon im Gange befindliche geologische Specialaufnahme
der Südvogesen wird uns über die Verwerfungslinien dieses
Gebirgstheils die nöthige Detail-Kenntniss bringen, so schwierig die
Untersuchung dieser Erscheinungen in dem homogenen Material auch
sein mag. Wenn wir erst die Richtungen dieser tektonischen Störungen
und die Sprunghöhen der einzelnen Linien kennen werden,
wird die Entstehung der einzelnen Seebecken sich von selbst ergeben.