Aus den vorliegenden Berichten ergibt sich in Bezug auf Erdbebenhäufigkeit
sofort ein scharfer Gegensatz zwischen den Innenbruchrändern
der Vogesen und des Schwarzwaldes. Von den ersteren
sind nennenswerthe Erdbeben, soweit unsere Berichte reichen, überhaupt
niemals ausgegangen. Die einzigen, welche wir hierher rechnen
können, sind das Erdbeben in der Rappoltsweiler Gegend am 28. Januar
1889 und die beiden ganz lokalen Erdbeben zu Gebweiler am
21. Februar 1879 und am 14. April 1884. Das letztere scheint
nach den Untersuchungen von G erhard (Verh. des naturw. Vereins
in Karlsruhe. X. 1887) in der That durch das Abrutschen einer
Scholle von Rothliegendem am Culm längs einer Verwerfungsspalte
hervorgerufen zu sein.
Dagegen haben von den Spalten am Innenrande des Schwarzwaldes
sehr zahlreiche Erdbeben ihren Ausgang genommen. Es
liegen Berichte über 39 vor, davon fallen nur fünf auf frühere
Jahrhunderte, alle übrigen auf die Zeit von 1812—1887. Die
am häufigsten erschütterte Gegend ist der Breisgau, insbesondere
die Umgebung von Freiburg. Nahezu die Hälfte aller Schwarzwalderdbeben,
nämlich 18, haben von hier ihren Urspruug genommen.
Das einzige derselben, von dem wir eine genauere Schilderung besitzen,
ist dasjenige vom 24. Januar 1883. (Klo o s , Das Erdbeben
vom 24. Januar 1883. Verh. des naturw. Ver. in Karlsruhe. X.
1887.) Das Centrum desselben lag wahrscheinlich zwischen Freiburg
und Emmendingen. Als Ursache sieht K loos das Absinken einer
Scholle längs der Hauptverwerfungsspalte an, welche sich von Keppen-
bach über Sexau, Freiburg, Staufen, Badenweiler, Kandern bis nach
Lörrach verfolgen lässt (vergl. auch E c k , Geognostische Ueber-
sichtskarte des Schwarzwaldes) und den Granit und Gneiss im
Osten von den gesenkten Schollen des Sedimentärgebirges im Westen
trennt; dieselbe zeigt ein steiles westliches Einfallen, der Stoss muss
also zuerst in westlicher Richtung erfolgt sein. Daraus erklärt sich
auch die weite Verbreitung des Erdbebens in die Rheinebene und
bis tief in die gegenüberliegenden Vogesenthäler hinein. Im übrigen
zeigte sich die Verbreitung wesentlich von der Streichungsrichtung
des Gneisses abhängig, indem sie längs dieser viel ausgedehnter
war, als senkrecht dazu.
Die Breisgauer Hauptverwerfungsspalte, wie ich die oben be-
zeichnete Spalte nennen will, scheint aber auch bei den meisten
der anderen Breisgauer Erdbeben eine Rolle gespielt zu haben. Die
Nachrichten über dieselben sind allerdings zu dürftig, um aus denselben
irgend welche weitergehende Schlüsse ziehen und namentlich
um den Ausgangspunkt der Erschütterungen bestimmen zu können.
Immerhin ist es bemerkenswerth, dass es fast nur Orte sind, welche
an dieser Spalte oder in ihrer unmittelbarsten Nähe liegen, von welchen
Nachrichten über Erderschütterungen vorhanden sind. Besonders
deutlich tritt die Bedeutung der Spalte bei dem Erdbeben vom
23. April 1829 hervor, das gleichzeitig in Freiburg und Staufen
sehr lebhaft empfunden wurde.
Ein zweites Gebiet, in welchem häufiger Erdbeben beobachtet
sind ist die Umgebung von Lahr und Offenburg. Zwei derselben,
diejenigen vom 7. Juni und 9. Oktober 1886, sind von E ck (siehe
I Theil) ausführlich beschrieben worden. Die Gegend scheint hier
auch in der That für das Auftreten von Erdbeben sehr geeignet
zu sein. Sie baut sich in vier von W. nach 0. aufeinander folgenden
Terrassen auf, von denen jede von der nächstfolgenden durch
eine Bruchlinie getrennt ist. Es kommen vier Hauptbruchhnien m
Betracht: 1. Die Hauptverwerfungsspalte, welche den Steilabfall des
Gebirges bezeichnet und das eigentliche Gebirge von den Vorhügeln
trennt- dieselbe lässt sich von Nussbach (zwischen Appenweier und
Oberkirch) über Zell, Ortenberg, Zunsweier, Diersburg, Lahr bis über
Sulz hinaus verfolgen. 2. Die Bruchlinie, die von Diersburg ziemlich
genau südlich bis Steinbach und Seelbach verläuft. 3. Die Dmch-
linie welche von Diersburg bis zum Kasten südöstlich, dann südlich
und' schliesslich westlich verläuft und südlich von Sulz wieder mit
der Hauptspalte zusammentrifft. 4. Die Bruchlinien, die westlich von
der Hauptspalte und dieser im wesentlichen parallel verlaufend die
Vorhügel von der Ebene trennen. (Vergl. E c k , Geognostische
Karte der Umgebung von Lahr, mit Profilen und Erläuterungen.
1882)
Das Centrum des Erdbebens vom 7. Juni 1886 lag zwischen
Diersburg und Niederschopfheim. Es handelte sich daher bei demselben
wahrscheinlich um ein Absinken einer Triasscholle an der
Hauptverwerfung. Das Centrum des Erdbebens vom 9. Oktober dagegen
lag weiter westlich der Ebene zu. Dasselbe wurde daher wohl
veranlasst durch das Absinken einer schon der Ebene angehörende
Scholle gegen die Trias- und Jura-Ablagerungen der Vorhügel. Diese
Auffassung findet auch hier wieder in der weiten Verbreitung beider
Erschütterungen in der Ebene Bestätigung. t .
Drittens kommt endlich die weitere Umgebung des Kniebis m
Betracht, wo namentlich in den Jahren 1871 und 1875 wiederholt
Erschütterungen stattfanden. Verwerfungen sind auch in diesem Gebiet
verschiedentlich vorhanden und zwar sowohl auf der Ost- wie
der Westseite des Hauptkammes. Die wichtigsten sind die von Freudenstadt
gegen Südosten verlaufende und eine derselben in etwa
8 km Entfernung parallele Verwerfung, zwischen welchen der Muschelkalk
in den Buntsandstein eingesunken ist. Ferner sind eine Reihe
kürzerer vorwiegend SW.—NO. verlaufender, meist durch Schwer-
spath- und Quarzgänge gekennzeichneter Spalten sowohl im Osten,
wie namentlich im Westen des Hauptkammes bei Rippoldsau und im
oberen Kinizgthal bei Wittichen vorhanden. (Vergl. E ck, Geognostische
Karte der weiteren Umgebung der Renchbäder; derselbe,
Geognostische Uebersichtskarte des Schwarzwaldes.) Die Berichte
über die in diesen Gegenden aufgetretenen Erdbeben sind leider zu
unvollständig, um ihre Beziehung zu bestimmten Bruchlinien bestimmen
zu können. Die meisten derselben gehören schon der württem-
bergischen Schwarzwaldseite an und breiteten sich dementsprechend