eine ihnen gleiche Temperatur zu finden. So werden allmählich
immer tiefere Schichten des Sees mit in die Circulation hereingezogen.
So lange die unteren Schichten nun eine Temperatur haben, welche
niedriger ist als die mittlere Temperatur des gesamten Sees, wird
ihnen durch die Circulation Wärme zugeführt. So erklärt sich ganz
naturgemäss die scheinbar paradoxe Thatsache, • dass im September
und Oktober die unteren Schichten wärmer werden, während die
oberen sich schon bedeutend abkühlen. Die Circulation geht natürlich
weiter, bis die ganze Wassermasse auf 4°, die Temperatur des
Dichtemaximums abgekühlt ist. Von diesem Augenblick an geht die
bis dahin directe Wärmeschichtung in eine inverse über.
Die grosse Bedeutung der nächtlichen Abkühlung und der durch
sie hervorgerufenen vertikalen Circulation für die Erwärmung eines
Seebeckens hat nun auch Professor E. R ic h t e e bereits in voller
Schärfe erkannt, indem er auf sie die Bildung jener eigenthümlichen
Sprungschicht zurückgeführt hat. Es ist einleuchtend, dass unsere
vorigen Betrachtungen uns in ihrer weiteren Verfolgung nothwendig
zu derselben Auffassung führen mussten. Die obere Grenze der
Sprungschicht ist eben nichts anderes, als die Grenze, bis zu welcher
die vertikale Circulation sich erstreckt. Es gereicht uns zu grösser
Genugthuung, uns mit einem so hervorragenden Forscher wie E. R ic h -
t e b in so vollster Uebereinstimmung zu befinden, und wir schliessen
uns seiner trefflichen und klaren Darstellung über die Bildung der
Sprungschicht vollständig an.
Einige Punkte bedürfen indess noch der Aufklärung. Wir fanden
bei unseren Untersuchungen, dass auch innerhalb der Sprungschicht
die Temperaturabnahme keine gleichmässige ist, dass vielmehr stets
in dem oberen Theil derselben die Abnahme rascher vor sich geht,
als in dem unteren. Die gleiche Thatsache finden wir auch von
R ic h t e e verzeichnet. Um dieselbe zu erklären, müssen wir uns zunächst
einmal vorstellen, dass die vertikale Circulation nicht vorhanden
wäre, sondern die gesamte Wassermasse nur durch Wärmeleitung
und directe Sonnenstrahlung erwärmt wurde. Die Temperaturabnahme
würde sich dann von oben nach unten ganz stetig
verlangsamen; die Temperaturcurve würde eine nach unten convexe
hyperbolische Curve werden. Da nun die Schichten unterhalb der
Grenze, bis zu welcher die vertikale Circulation reicht, wo also die
Sprungschicht beginnt, in der That unter den eben hypothetisch angenommenen
Verhältnissen sich befinden, so muss auch in der Sprungschicht
die Temperaturabnahme anfangs rascher, dann langsamer
erfolgen.
Einer Erklärung bedarf ferner die eigenthümliche Gestaltung der
Temperaturcurve am 22. Juni 1890, die Bildung kleinerer Sprungschichten
in der oberen Zone. Wir finden dieselben in den Schwankungen
der Lufttemperaturen während der vorhergehenden Wochen.
Wir lassen deshalb die fünftägigen Mittel der Maximal- und Minimaltemperaturen
und deren Differenzen aus dieser Zeit hier folgen.
Max. Min. Diff.
16.—20. Mai . . . . . 15,72 6,36 9,36
21.—25. , 14,96 6,86 8,10
26!—30. 13,38 3,25 10,13
31. Mai bis 4. J u n i . . . 11,90 3,10 8,80
5 .- 9 . ,J u n i ................. 13,50 2,94 10,56
10.—14. , 10,60 ?,94 6,66
15.—19. , 10,46 3,78 6,68
20.—22. 7) . * • • • . 15,27 6,37 8,90
In den letzten Maiwochen und den ersten Junitagen waren bei
verhältnissmässig klarem Wetter starke Temperaturdifferenzen vorhanden,
in Folge deren sich eine ziemlich bedeutende vertikale Circulation
entwickeln musste. Namentlich die Tage vom 5.—9. Juni
dürften in der Beziehung sehr wirksam zur Erwärmung der tieferen
Schichten gewesen sein. Am 9. Juni war die ganze Schicht bis 15 m
Tiefe vermuthlich ziemlich gleichmässig auf etwa 9° erwärmt. In
den folgenden 10 Tagen herrschte nebeliges und regnerisches Wetter
mit entsprechender Abkühlung. Trotzdem dürften die oberen Schichten
noch eine kleinere Temperaturzunahme erfahren haben, da die Temperatur
der oberen Wasserschichten stets grösser ist, als die mittlere
Tagestemperatur. Die Minimaltemperaturen dagegen waren in diesen
Tagen um einen vollen Grad höher als in den vorhergehenden.
Die nächtliche Abkühlung war also geringer, die Circulation ging
weniger tief herab und es konnte sich so in den Tiefen von 11—12,5 m
ein kleiner Temperatursprung von 10° auf 9°,3 entwickeln. In den
letzten drei Tagen vor der Beobachtung stieg dann die Lufttemperatur
wieder bedeutend und damit mussten auch die oberen Wasserschichten
eine erhebliche Temperaturzunahme erhalten. Da aber die Minimaltemperaturen
272° höher waren als vorher, so ging die Circulation
wiederum weit weniger tief herab. So konnte sich in den Tiefen
von 5—7,5 m eine weitere Sprungschicht bilden. Solche secundäre
Sprungschichten in der oberen Zone bilden sich wahrscheinlich immer,
wenn auf Perioden mit starken Temperaturschwankungen und niedrigen
Minimaltemperaturen solche mit geringeren Schwankungen und
hohen Minimaltemperaturen folgen.
Nach den gewonnenen Resultaten ist es nun auch leicht, die
Ursache zu finden, wesshalb im Sommer 1890 die Durchwärmung
der tieferen Schichten rascher erfolgte als im vorhergehenden, trotzdem
dieser eine etwas höhere mittlere Temperatur aufweist. Das Auf-
thauen des Sees war 1890 Ende März vollendet. Am 31. März fanden
wir einen grossen Theil schon eisfrei; der übrige Theil der Oberfläche
war mit ganz lockerem, nur 0,02 m dickem Eis bedeckt. Der See
selbst zeigte schon unmittelbar unter dieser Eisschicht eine Temperatur
von 3° und behielt diese bis nahe zum Grunde, wo eine
Temperatur von 2°,8 herrschte. Die sehr warmen und sonnigen Tage
der zweiten Märzhälfte (die erste Hälfte war noch sehr kalt) hatten
also bereits durch das Eis hindurch eine gleichmässige Durchwärmung
des Sees herbeigeführt. Im Jahre 1889 dagegen war der ganze März
noch kalt, seine Mitteltemperatur —3°,4, um volle 4 Grad geringer