Wurzelsteins und der Hirzensteine. Missheimle, völlig vermoort bietet
grosse Aehnlichkeitmit demSulzerner See. Das Becken der Hirzensteine
wird durch die heutige Schluchtstrasse angeschnitten und hat ähnliche
Verhältnisse. Eine genaue Schilderung würde schon Bekanntes
nur wiederholen.
Ueberschreiten wir die Schlucht, die selbst oberhalb eines gewaltigen
Absturzkessels mit vielfacher Terrassenbildung liegt, so erreichen
wir das Massiv des Hohnecks. Dasselbe ist mit einem Kranz
noch bestehender oder ehemaliger Seen förmlich umgürtet.
Auf der französischen Seite finden wir den lac de Retournmer
als heute noch existirendes Seebecken, auf der deutschen liegt die
Reihe von erstorbenen Seen, die von Menschenhand zum Theil wieder
in neues Leben zurückgerufen sind. Steigen wir von Münster das
Thal des „Stolzen Ablass“ herauf, so erreichen wir die Seeterrasse
des Rothrieds, ein gewaltiges Circusbecken mit ebenem Boden und
steil einfallenden Wänden, der Grund vermoort und mit Torf bedeckt1.
Auch hier war früher ohne Zweifel ein See; am engen Ausgang des
Circus finden sich allerdings keine Spuren eines Abschlüssdamms
aus anstehendem Fels, sondern gewaltige Geröllmassen erfüllen das
Thal, deren Mächtigkeit so bedeutend ist, dass Versuche, den anstehenden
Fels durch Legen eines Quergrabens zu finden, bis jetzt
gescheitert sind. 200 m über dieser Terrasse in westlicher Richtung
liegt ein zweiter Seeboden bei der Melkerei Frankenthal, die „Schwarzen
Weiher“. Hier finden wir noch heute Wasseransammlungen an
den tiefsten Stellen. Der Abschlussdamm des früheren Sees ist noch
vorhanden. Er zieht sich als breiter Querriegel in nordsüdlicher
Richtung einher und ist von einem Bach quer durchschnitten, wodurch
der frühere See zum Abläufen gebracht ist. Dieser Abschlussdamm
besteht aus Granitblöcken verschiedenster Grösse, die meist
abgerundet sind und vielfach glatte Flächen besitzen. Wir stehen
nicht an, in ihm eine Moräne eines ehemaligen Gletschers zu erblicken,
der, von dem Kamm (Schaden) 2 herabkommend, sich über die Terrassen
des Frankenthals , des Rothrieths durch den Stolzen Ablass
bis in das Münsterthal vorschob.
Beim Abschmelzen trennte sich dieser Gletscher wahrscheinlich
in mehrere Theile, an deren Enden, also am Abschluss des Schwarzen
Weihers und des Rothrieths, sich dann jene Moränen bildeten, die das
durch die Terrassenbildung geschaffene Becken in noch höherem
Masse für die Aufnahme eines Sees geeignet machten.
Am Ostabhang des Hohneck, dort, wo der Nächstebühl zum
Gasehneykopf abfällt, finden wir das ausgetrocknete Seebecken des
Gaschneyrieths. Dasselbe erstreckt sich in nordsüdlicher Richtung,
hat einen vollkommen ebenen, jetzt mit Wiesen bedeckten Boden von
ovaler Gestalt. Die Dimensionen sind ungefähr die des Forlenweihers.
Auf der Südseite unseres Massivs haben wir die Trockenbecken
1 Siehe die Karte auf Taf. III Fig. 3.
2 Dieses ist der Name des steilen Thals, das von der Melkerei Frankenth
a l zur nördlichen Senke des Hohnecks eniporsteigt.
des Schiessrothrieds und des Fischbödles. Das Fischbödle, heute
künstlich gestaut, ist die tiefer liegende Terrasse. Das.Becken liegt
in dem vollkommsten Circus, den wir in den Vogesen besitzen. In
gewaltigen Sprüngen fallen die Felsmassen von dem Kastelberg und
den Spitzenköpfen zum Grunde ab, j die einzelnen Sprünge sind durch
kleine Terrassenbildungen unterbrochen, auf denen allerdings wegen
ihrer Kleinheit eine eigentliche Seenbildung ausgeschlossen erscheint.
Der Abschlussdamm ist heute noch vorhanden, wenn auch vielfach
zerstört und vom Wasser angefressen. Der Abfluss ergoss sich in
das Wurmsathal, das, wie bekannt, reiche Spuren einer ehemaligen
Vergletscherung zeigt. In ihm wurde das Wasser wahrscheinlich
wieder gestaut und bildete einen grossen Thalsee, den wir später
noch erwähnen werden.
Bemerkenswerth ist wieder die grosse Terrasse, die sich unmittelbar
unter dem eigentlichen Seeboden des Fischbödle findet.
Dieselbe liegt heute ganz trocken, jedoch sind auch hier die Spuren
eines Abschlussdamms aus festem Fels nicht zu verkennen. Der
•Granit, der hier manche Vorsprünge und Köpfe zeigt, weist zugleich
.viele gerundete Flächen und Höcker auf. Ob dieselben als eigentliche
Rundhöcker zu betrachten sind, ist wiederum zweifelhaft,, da
nach unserer Ansicht auch dem fliessenden Wasser derartige Wirkungen
zugeschrieben werden können. Beispiele für ähnliche Formen
der Wasserwirkung finden sich noch heute in dem Wurmsathal.
Durch den Querriegel der Spitzenköpfe vom Fischbödle getrennt
liegt 130 m höher die Terrasse des Schiessrothrieds V. Dasselbe ist
ein rundes Becken, rings umgeben von den steilen Abstürzen, die
direct vom Gipfel und Kamm des Hohneck herabkommen. Der Boden
des Kessels ist ziemlich eben und zeigt eine bemerkenswerthe Ausbuchtung
auf der rechten Seite. Die Torfbildung nimmt nur eine
geringe Fläche ein; der übrige Theil ist mit Wiesencultur bedeckt,
über Granitsand, der eine verhältnissmässig geringe Mächtigkeit besitzt
und in dem eigentlichen Becken direct den anstehenden Granit auflagert.
üeber die Verhältnisse des Abschlusses sind wir genauer
unterrichtet, da zum Zwecke neuer Abdämmung ein tiefer Quergraben
an der Abschlussstelle gezogen wurde. Wir haben wiederholt diesen
Aufschluss besucht, auch ist uns von der Bauverwaltung das gesamte
Beobachtungsmaterial in dankenswerther Weise zur Verfügung gestellt
worden. S c h um a c h e r, der diese Verhältnisse ebenfalls eifrig studirt
hat, theilt eine sehr lehrreiche Skizze in seiner Abhandlung2 mit.
Wir können aus diesen Gründen wohl von einer bildlichen Darstellung
unserer Beobachtungen absehen, und uns auf das ScHUMACHER’s c h e
Profil, das im Wesentlichen auf einer Aufnahme der Bauverwaltung
beruht, beziehen. In dem Quergraben, der sich von SW. nach NO.
zieht, ist der anstehende Granit beinahe überall erreicht worden.
Nur an dem NO.-Ende, wo der Graben aufhörte und wo man, um
1 Eine genaue Karte des Beckens findet sich auf Taf. HI Fig. 7.
2 Geologische Beobachtungen in den Hochvogesen. Mitth. d. Conr. f. d. geol.
Landesuntersuchung von Elsass-Lothringen. Bd. II Heft 1.