am 14. März 1798 in Saargemünd und Bitsch und am 28. März 1843
in Nancy. Alle sonst in Lothringen verspürten Erdbeben wurden
aus anderen Gegenden, meist vom Niederrhein nach dort fortgepflanzt.
Die Thatsache könnte zunächst sehr auffallend erscheinen, da
ja Lothringen ebenso, wie die übrigen Tlieile unseres Gebiets Von
zahlreichen Verwerfungsspalten durchzogen ist. Sie findet aber
durchaus ihre Erklärung, wenn wir die Oberflächenbeschaffenheit
der lothringischen Hochebene ins Auge fassen. Dieselbe stellt eine
sanft nach Westen geneigte wellige Hochfläche dar. Die Unebenheiten
des Geländes sind weniger hervorgerufen durch das Auftreten
der Verwerfungen, als vielmehr durch die Beschaffenheit der Gesteine,
ihre grössere oder geringere Widerstandsfähigkeit gegen die Kräfte
der Erosion und Denudation. Die durch das treppenförmige Absinken
der einzelnen Schollen ursprünglich hervorgebrachten Niveaudifferenzen,
die allerdings hier niemals so gross waren, wie in der
Rheinebene, sind also hier im wesentlichen bereits durch Denudation
und Erosion ausgeglichen. Es ist daher mit grösser Wahrscheinlichkeit
anzunehmen, dass die nach abwärts gerichteten Bewegungen
in Lothringen bereits seit geraumer Zeit zum Abschluss gekommen
sind. Da wir diese Bewegungen aber als die wesentliche Ursache
der Erdbeben ansehen, so erklärt sich daraus die Seltenheit des
Auftretens derselben in Lothringen ganz naturgemäss.
Das Schüt t er gebi e t des Mainzer Beckens und Odenwalds.
Durchwandern wir nun die oberrheinische Tiefebene, so treffen
wir gleich an ihrem nördlichen Ende auf ein sehr lebhaftes und
ausgedehntes Schüttergebiet, das des Mainzer Beckens und Odenwalds.
Mehr als ein Drittel aller in unserem Gebiete beobachteten
Erdbeben, nämlich 280 von 676, gingen von dieser Gegend aus.
Von denselben fallen allerdings nicht weniger als 192 in die beiden
letzten Jahrzehnte. Besässen wir aus früheren Zeiten gleich ausführliche
Nachrichten, so würden zwar die Zahl der Erdbeben des
Mainzer Beckens und Odenwalds noch erheblich wachsen, es würde
sich aber trotzdem ohne Zweifel das Verhältniss der hier aufgetretenen
Erdbeben zu denen in anderen Theilen unseres Gebiets erheblich zu
Ungunsten der ersteren verschieben. Wir betrachten zunächst den
geologischen Bau der Gegend und folgen dabei der ausserordentlich
klaren und übersichtlichen Darstellung von L epsius („Das Mainzer
Becken.“ 1883).
Die eigentlichen Lagerungsverhältnisse des Mainzer Beckens
sind bedingt durch das unter spitzem Winkel erfolgende Zusammentreffen
zweier verschiedenen Gebirgssysteme des oberrheinischen mit
SSW.—NNO. und des niederrheinischen mit WSW.-—ONO. laufender
Streichrichtung. Das letztere, das Rheinische Schiefergebirge, bricht
längs seines Südrandes mit hohen Verwerfungssprüngen steil zur
Tiefe ab, so dass an die devonischen Schichten des Taunus hier unvermittelt
die tertiären und quaternären Ablagerungen des Mainzer
Beckens stossen. Dieses selbst zerfällt in zwei, orographisch wie
geologisch sich scharf von einander abhebende Abschnitte, die eigentliche
Tertiärmulde am linken und das ausschliesslich von diluvialen
und alluvialen Ablagerungen bedeckte Gebiet auf dem rechten Rheinufer.
Die erstere wird im N. begrenzt durch den südlichen Steilabfall
des Taunus, im W. durch die aus Porphyr und Rothliegendem
bestehenden Höhen von Kreuznach, im S. durch den von Alzey nach
Nierstein in der Streichungsrichtung des Rheinischen Schiefergebirges
verlaufenden und daher diesem Gebirgssystem noch angehörenden
Sattel. Sie zeigt im allgemeinen eine ungestörte muldenförmige
Lagerung. Die Tiefenlinie dieser an drei Seiten aufgebogenen Mulde
verläuft von Wörrstadt nach Mainz und ist ebenfalls der Streichungsrichtung
des Rheinischen Schiefergebirges parallel. Südlich des
Alzey-Niersteiner Sattels neigen sich die Tertiärschichten, mehrfach
von Bruchlinien durchzogen, nach SO. Nach 0. zu dagegen ist das
gesammte Tertiär nebst den überlagernden Diluvialschichten um
mindestens 200 m abgesunken, längs einer Verwerfung, die im allgemeinen
dem Lauf des Rheins folgt, von Mainz über Nackenheim
und Nierstein nach Oppenheim läuft, hier einen stumpfen Winkel
bildet und sich dann über Dienheim, Ludwigshöhe, Guntersblum,
Alsheim, Mittenheim bis Osthofen verfolgen lässt. Im Osten endlich
schneidet das Mainzer Becken mit einer scharfen Verwerfung gegen
den Odenwald ab. Die Hauptverwerfungsspalte des Odenwalds zieht
sich im allgemeinen längs der Bergstrasse bis Darmstadt hin und
verläuft dann in einem gegen Osten convexem Bogen gegen Frankfurt
zu. Längs derselben stossen unmittelbar die Gneisse und Granite
des Gebirges an die Diluvialschichte der Ebene.
Dass in einem Gebiet, wie dem beschriebenen, in dem zwei
I Spaltenrichtungen sich kreuzen, und wo ausserdem die Sprunghöhen
der einzelnen Verwerfungen sehr grosse sind, Erdbeben häufig auf- treten müssen, ist sehr begreiflich. Es lassen sich die Beziehungen
derselben zu den Hauptverwerfungen aber vielfach auch im einzelnen
nachweisen. Es treten die Erdbeben nämlich vorzugsweise
längs bestimmter Linien auf, die wir daher wohl als Stosslinien
bezeichnen dürfen. Mit Sicherheit lassen sich fünf solche Stosslinien
nachweisen. Dieselben sind (siehe die Kartenskizze) : 1) die
Linie Mainz—Frankfurt; 2) die Linie Mainz—Oppenheim—Worms;
3) die von Darmstadt längs der Bergstrasse gegen Heidelberg zu
verlaufende Linie; 4) die Linie Darmstadt—Gross-Gerau; 5) die
Linie Lorsch—Auerbach—Reichenbach. Von diesen läuft die erste
dem Bruchrande des Taunus parallel, die zweite und dritte fallen
direct mit Hauptverwerfungen zusammen; die beiden letzteren sind
als Querspalten aufzufassen. Das Vorhandensein solcher Querspalten
ist allerdings nicht nachgewiesen, da die Stosslinie 4 ganz,
5 wenigstens grossentheils in der mit Diluvialschichten bedeckten
Ebene verlaufen. Die sehr weite Verbreitung der Gross - Gerauer
Erdbeben gegen N. macht es aber von vorneherein wahrscheinlich,
dass es sich bei ihnen um Absenkungen an einer 0;—W. verlaufenden
und gegen N. einfallenden Spalte handelt.