alle Einzelheiten verweise ich daher auf diese beiden trefflichen Arbeiten
und beschränke mich hier darauf, die wesentlichsten Erscheinungen
hervorzuheben.
Die erste Erschütterung trat in der Nacht vom 12 . zum 13. Januar
unmittelbar nach Mitternacht ein und wurde am heftigsten in Därin-
stadt empfunden, breitete sich aber von hier aus über einen grossen
Theil des Mainzer Beckens und den westlichen Odenwald aus. Ihr
folgten am 20. Januar fünf weitere Stösse in Darmstadt, von denen
aber nur der heftigste um 2 h. 30 m. p. sich in der weiteren Umgebung
der Stadt fühlbar machte, während die übrigen ganz lokal
beschränkt blieben. Nach diesen ersten Erschütterungen trat eine
Ruhepause von längeren Monaten ein; nur in Heidelberg, also schon
ausserhalb des Mainzer Beckens, wurde in der Nacht vom 18. zum
19. Februar eine leichte Erderschütterung wahrgenommen (F.). Erst
am 18. Oktober 4 h. p. trat wieder ein leichter Erdstoss in Darmstadt
auf ferner am 24., 25., 27., 28. und 29. Oktober mehrere
'W B * “ ütterungen in Gross- Gerau. Aber erst mit dem
30 Oktober beginnt die Periode der heftigen und zahlreichen Erschütterungen
mit dem Epicentrum in Gross-Gerau.
Die Zahl der in Gross-Gerau während der letzten Oktober-
und ersten November-Tage wahrgenommenen Erschütterungen ist
eine ausserordentlich grosse. Man zählte deren am 30. Oktober 3
am 31. Oktober 55, am 1 . November 52, am 2. November 20*
am 3 November 18, am 4., 5., 6. November je 1 2 , wobei eine
Anzahl Jeichter Oscillationen noch gar nicht mitgezählt sind. Von
diesen Stössen machte sich die ganz überwiegende Mehrzahl nur
m der unmittelbarsten Umgebung von dem Centralpunkte Gross-
Gerau bemerkbar. Selbst in dem benachbarten Darmstadt, von
wo sehr sorgfältige Beobachtungen vorliegen, wurden verhältniss-
mässig nur wenige Stösse wahrgenommen. Nur einige der stärkeren
Stösse pflanzten sich weiter fort, diese allerdings zum Theil bis zu
sehr entfernten Punkten, namentlich nach NO., N. und NW. Es
zeigt sich dabei eine allmähliche Ausdehnung des Verbreitungsgebiets
der Stösse bis zum Abend des 1. November ; von da an werden die
Grenzen wieder enger.
Dei Stoss am 30. Oktober 8 h. 5 m. p. breitete sich über eine
ellipsenförmige Fläche-aus, deren grosse W.—0. gerichtete Axe von
Ensheim in Rheinhessen bis Reichelsheim im Odenwald 50 km, deren
kleine nordsüdliche von Philippseich bis Rodau bei Zwingenberg 40 km
misst; ausserhalb dieses Gebietes wurden noch Dürkheim a. d. H.
und Thalfang im Kreise Bernkastel von dem Stoss betroffen.
Dei Stoss am 31. Oktober 3 h. 25 m. p. traf fast genau das
gleiche Gebiet, wie der vorige, dagegen breitete sich derjenige um
5 h. 26 m. p. schon bedeutend weiter aus. Er wurde nicht nur in
dem ganzen Mainzer Becken und Odenwald, sondern auch in Heidelberg
, Ludwigshafen, Neustadt a. d. H., Alsenz, Frankfurt, Bocken-
heim, Hochheim, Wiesbaden, Schierstein, Eltville, Hattenheim, Obei-
wesel, St. Goarshausen, Boppard, Oberlahnstein, Remagen, Andernach,
Ems, Weilburg, Wetzlar, Giessen, Dillenburg wahrgenommen. Sein
Erschütterungsgebiet stellt sich daher als eine Ellipse mit einigen
ein- und ausspringenden Winkeln dar, deren grosse Axe SO.—NW.
(Südostecke des Odenwalds bis Remagen) 130 km, deren kleine
(Neustadt a. d. H. bis Giessen) 90 km misst. Ausserhalb derselben
wurde der Stoss noch in Köln,. Honnef und Meissenheim gespürt.
Beim Stoss am 1. November um 4 h. 7 m. a. zeigt sich wiederum
eine Vergrösserung des Erschütterungsgebiets und zwar nach N.
bis Marburg, nach NW. bis Bonn und Köln, nach SW. bis ins Saargebiet,
wo der Stoss in St. Ingbert und Saarbrücken empfunden
wurde. Nach S. und 0. dagegen ist die Verbreitung ungefähr die
gleiche, wie bei den Hauptstössen des: vorhergehenden Tages. Am
weitesten von allen Stössen breitete sich aber derjenige am 1. November
um 11 h. 50 m. p. aus. Die Grenze des von ihm erschütterten
Gebietes ist durch folgende Orte bezeichnet: Unkel am Niederrhein,
Kirchen an der Sieg, Dillenburg, Marburg, Kirchhain, Brückenau bei
Würzburg, Tauberbischofsheim, Heilbronn, Stuttgart, Karlsruhe,
Weissenburg, Zweibrücken, Saarbrücken, Trier, Gillenfeld, Neuenahr.
Das Erschütterungsgebiet ist diesmal nahezu, ein Kreis mit dem
Mittelpunkt Gross-Gerau und einem Radius von 122 km.
Dagegen lässt sich bei dem Stoss vom 2. November 9 h. 28 m. p.,
obgleich derselbe von allen der bei weitem heftigste war, eine
erhebliche Einschränkung der Grenzen des Erschütterungsgebiets
wahrnehmen. Im N., NO. und NW. fallen dieselben allerdings noch
so ziemlich mit denen des. vorigen zusammen, nach 0 . dagegen
pflanzte sich die Erschütterung nicht über den Odenwald , nach S.
nicht über Mannheim und Heidelberg hinaus fort. Auch im SW. wurde
die Saar nicht erreicht, es ist vielmehr nach dieser Richtung Kaiserslautern
der äusserste von der Erschütterung noch betroffene Punkt.
Der Stoss am 3. November 8 h. 50 m. a. zeigt wiederum einen erheblichen
Rückgang. Er wurde allerdings noch im ganzen Mainzer
Becken und Odenwald, ausserhalb desselben aber nur noch im Lahngebiet
(Bönstadf, Volpertshausen, Wetzlar, Giessen, Marburg, Kirchhain)
und in Meissenheim an der Glan gefühlt. Von allen folgenden
Stössen ging über die Grenzen des Mainzer Beckens und Odenwalds
keiner mehr hinaus.
Eine sehr interessante Thatsache ist ferner die, dass in den
Tagen der lebhaftesten seismischen Thätigkeit in Gross-Gerau an
verschiedenen, zum Theil weit von einander entfernten Orten Erd-
stösse wahrgenommen wurden zu Zeiten, die mit denen der Gross-
Gerauer Erschütterungen nicht stimmen. Da es fast immer dieselben
Orte sind, von denen diese Nachrichten stammen, so dürfen wir
wohl annehmen, dass hier sekundäre Schüttercentren vorhanden
waren, die durch die Gross-Gerauer Beben zu selbständiger Thätigkeit
angeregt wurden. Als solche sekundäre Centren sind zu betrachten
: Stockstadt und Wolfskehlen, südlich von Gross-Gerau,
Dürkheim a. d. H., Meissenheim an der Glan, Dierdorf im Kreise
Neuwied, endlich die Umgebung von Dillenburg und Wetzlar.
Geograph. Abhandlungen aus Elsass-Lothringen. I. -