anzunehmen, worauf ich weiter unten noch zurückkommen werde,
aher dieselben sind durchaus nicht der Art, dass wir aus ihnen auf
den vulkanischen Charakter der Erdbeben oder auf den Einfluss von
Sonne und Mond auf ein wahrscheinlich gar nicht existirendes glut-’
flüssiges Erdinnere zu schliessen brauchen.
Was endlich den Hinweis auf die geologische Zusammensetzung
der oberrheinischen Tiefebene und ihrer Umrandung betrifft, so ist
es vollständig unerfindlich, was das Auftreten alter vulkanischer
Gesteine, wie Porphyr und Diorit, deren Ausbrüche in die palaeozoische
Zeit fallen, oder gar von Granit und Syenit, für die vulkanische
Natur der oberrheinischen Erdbeben beweisen soll. An jüngeren
vulkanischen Gesteinen, die hier höchstens herangezogen werden
dürften, ist aber, wenn wir vom Kaiserstuhl absehen (dessen Erdbeben
in der That vielleicht als vulkanische anzusehen sind), das
ganze Gebiet des Oberrheins ausserordentlich arm. Trachyte und
Andésite kommen hier überhaupt nicht vor. Basalte gehören im
Schwarzwald und in den Vogesen zu den Seltenheiten, fehlen in der
Hardt ganz und treten auch im Odenwald nur ganz vereinzelt auf.
Die beiden nächst benachbarten vulkanischen Massen, die des Hegau
und des Vogelsbergs, aber haben sich bei allen Erdbeben als durchaus
passiv gezeigt.
Das ganze Verhalten und die einzelnen Erscheinungsformen
der oberrheinischen Erdbeben sprechen nun aber weiter ebenfalls
auf das entschiedenste dafür, dass wir sie als Dislokationsbeben zu
betrachten haben. Erstens haben sich viele derselben trotz ver-
hältnissmässig geringer Stärke über sehr ausgedehnte Gebiete verbreitet.
Ich verweise hier in erster Linie wieder auf die Erdbeben
von Gross-Gerau. Die meisten derselben richteten Schaden überhaupt
nicht a n , und selbst die stärksten Stösse vermochten nur in
den dem Centrum der Erschütterung nahe gelegenen Orten einige
Schornsteine umzuwerfen und in einigen meist altersschwachen Gebäuden
Risse und Spalten hervorzubringen. Trotzdem breiteten sich
mehrere der Gross-Gerauer Erschütterungen über das ganze Grossherzogthum
Hessen, die Pfalz und bedeutende Theile von Eisass, Baden,
Württemberg und der Provinzen Hessen, Westfalen und Rheinprovinz
aus. Das Erdbeben vom 12. Mai 1682, das allerdings zu den heftigsten
in unserem Gebiete gehörte, da es in Remiremont mehr als 20 Häuser
in Trümmer legte, aber in Bezug auf seine Heftigkeit sich doch keineswegs
mit Erdbeben, wie sie in den Tropen, oder auch in den Alpen und
Südeuropa auftreten, messen kann, verbreitete sich über das östliche
Frankreich bis Paris, Orléans und in die Provence, über ganz Eisass,
Baden, den grössten Theil der Schweiz und machte sich in Mitteldeutschland
bis nach Gotha hin fühlbar. Das Strassburger Erdbeben
vom 3. August 1728, dessen grösste Wirkung darin bestand, einige
nicht sehr erhebliche Beschädigungen am Strassburger Münster und
an den Kehler Befestigungen anzurichten, wurde in der ganzen
oberrheinischen Tiefebene von Frankfurt bis Basel und noch ausserhalb
derselben in der Schweiz bis nach Genf, Bern und Zürich hin
sehr lebhaft empfunden. Das Erdbeben vom 24. Januar 1880 endlich,
das zerstörende Wirkungen überhaupt nicht ausübte, wurde trotzdem
nicht nur in einem sehr grossen Theil der oberrheinischen Tiefebene
und seiner Randgebirge, sondern auch fast in ganz Württemberg
wahrgenommen. .
Geotektonische Erdbeben zeichnen sich nun im allgemeinen
durch die Grösse ihres Verbreitungsgebiets, selbst bei verhältniss-
mässig geringer Stärke, vor den vulkanischen Erdbeben aus. Es ist
das durchaus in ihrer Natur begründet. Selbst eine nur geringe
Verschiebung einer grossen Erdmasse wird naturgemäss weit ausgedehntere
Erschütterungen veranlassen, als selbst ein ziemlich
kräftiger vulkanischer Stoss.
Ferner spricht auch die Gestalt des Verbreitungsgebiets bei
den meisten der oberrheinischen Erdbeben, bei denen dasselbe einiger-
massen genau festgestellt ist, durchaus für den Charakter derselben
als Dislokationsbeben. Das Verbreitungsgebiet nähert sich nämlich
nur in wenigen Fällen der Kreisform, vielmehr hat es meist die
Gestalt einer gestreckten Ellipse, wie ich im ersten Theil der Arbeit
in zahlreichen Fällen nachzuweisen Gelegenheit hatte. Wir können
also für diese Erdbeben nicht einen einzelnen Punkt als Centruin
annehmen, sondern müssen Erschütterungen längs einer Stosslinie
voraussetzen, wie das bei Dislokationsbeben der Fall.
Das Ergebniss unserer Untersuchung ist, dass sowohl der geologische
Bau der oberrheinischen Tiefebene und ihrer Umrandungen,
wie die Erscheinungsformen der dort auftretenden Erdbeben uns
in vollem Masse dazu berechtigen, dieselben in ihrer Mehrheit als
Dislokationsbeben aufzufassen.
2 ) R ä u m l i c h e V e r t h e i l u n g d e r E r d b e b e n .
Die Erdbeben sind über unser Gebiet keineswegs gleichmässig
vertheilt. Während einzelne Gegenden von ihnen nur selten betroffen
werden, treten sie in anderen ausserordentlich häufig auf, so dass
wir dieselben als habituelle Schüttergebiete ansehen können. Wir
wollen jetzt diese Vertheilung etwas näher ins Auge fassen und
dabei zugleich untersuchen, in wie weit sich eine Abhängigkeit des
Auftretens der Erdbeben von dem geologischen Bau der betreffenden
Gegend nachweisen lässt. Wir schliessen dabei naturgemäss alle
diejenigen Erdbeben von unserer Betrachtung aus, welche von ausserhalb
unseres Gebiets gelegenen Orten ausgingen. Auf sie komme
ich weiter unten noch zurück.
Er d b eb e n in Lothr ingen.
Bei Durchsicht unseres Erdbebenverzeichnisses fällt zunächst
die ausserordentliche Seltenheit von Erdbeben auf der lothringischen
Hochebene auf. Wenn ich von zwei sehr zweifelhaften, ohne Datum
und nähere Ortsangabe aus den Jahren 1085 und 1684 angeführten
Erdbeben absehe, finde ich in der ganzen Reihe nur drei, welche
in Lothringen ihr Centrum hatten, 1668 in Saarburg (ohne Datum),
Geograph. Abhandlungen aus Elsass-Lothringen. I. 7