II. Theil.
Zusammenfassungen und Erörterungen.
1) D ie N a t u r d e r o b e r r h e i n i s c h e n E r d b e b e n .
Nach den Ursachen ihrer Entstehung unterscheidet man bekanntlich
drei Arten von Erdbeben : Einsturzbeben, vulkanische Erdbeben
und geotektonische oder Dislokationsbeben. Es gilt zu untersuchen,
zu welcher die oberrheinischen Erdbeben zu rechnen sind.
Einsturzbeben treten stets nur ganz lokal auf, haben eine sehr
geringe Ausdehnung und meist auch geringe Stärke. Für die meisten
Erdbeben unseres Gebiets, die sich vielfach gerade durch eine . xer-
hältnissmässig grosse Ausbreitung auszeichnen, können wir daher
unterirdische Einstürze nicht als Ursache annehmen. Doch scheinen
einzelne lokale Erdbeben dieser Gruppe anzugehören. So rechnet
die badische Erdbeben-Commission die an der Nordseite des Bodensees
häufig auftretenden ganz lokalen Erdbeben hierher. Der geologische
Bau der Gegend unterstützt diese Auffassung durchaus.
Das Diluvium und Tertiär wird daselbst zum grössten Theil von den
mächtigen Kalksteinbänken des weissen Jura unterteuft. Es ist
daher sehr wohl denkbar, dass durch die in die Tiefen gehenden
Wässer in dem Kalk Höhlungen ausgewaschen werden, deren Einbrüche
dann die Erdbeben verursachen.
Zur Gruppe der Einsturzbeben gehören ferner wohl die sehr
seltenen und ebenfalls ganz lokal auftretenden Erdbeben Lothringens.
Drittens möchte ich hierher die sehr auffallenden Erdbebenerscheinungen
in der Umgebung von Karlsruhe im Jahre 1737 rechnen.
Es bestimmen mich dazu folgende Gründe. Die Karlsruher Erdbeben
traten während einer längeren Periode vollständigster Erdbebenruhe
sowohl in der oberrheinischen Tiefebene als in den Nachbargebieten
ein, was auf das entschiedenste dafür spricht, dass sie durch ganz
lokale Ursachen hervorgerufen wurden. Zweitens breiteten sie sich
nur über ein sehr beschränktes Gebiet aus. Nur die beiden heftigsten
Stösse am 11. und 12. Mai wurden auch in Strassburg und Basel
schwach gespürt, alle übrigen blieben auf die unmittelbare Umgebung
von Karlsruhe beschränkt. Drittens gehört Karlsruhe sonst keineswegs
zu den habituellen Schüttergebieten. Ausser den in Frage
stehenden ist mir von Karlsruhe nur noch ein einziges Erdbeben
bekannt geworden, in der Nacht vom 2. zum 3. November 1837,
Alle sonst dort wahrgenommenen Erschütterungen sind sämmtlich
aus anderen, zum Theil ziemlich weit entfernten Gegenden nach
dort fortgepflanzt. Endlich wird uns die auffallende Thatsache berichtet,
dass die Erde während jener Erdbebenperiode aussergewöhn-
lich warm war und diese hohe Temperatur auch behielt, wenn die
Luft sich abkühlte , dass man ferner , wenn man das Ohr auf deri
Erdboden legte, ein Geräusch, wie von siedendem Wasser vernahm.
Diese Thatsachen, an denen zu zweifeln wir, da sie von einem
wissenschaftlich gebildeten Beobachter stammen, wohl kaum das
Recht haben, sprechen jedenfalls dafür, dass die. Ursachen der Erdbeben
in geringen Tiefen zu suchen sind. Man kann daher hier
wohl an den Einsturz unterirdischer Hohlräume und das Eindringen
von heissem Wasser in dieselben denken.
Was die überwiegende Mehrzahl der oberrheinischen Erdbeben
anbetrifft, so wurden dieselben früher wohl ziemlich allgemein, den
Anschauungen der plutonischen Schule entsprechend, als vulkanische
Erscheinungen angesehen, und noch vor kaum zwei Jahrzehnten
sind zwei bekannte Seismologen, N öggerath und Dieffenbach,. nlit
Entschiedenheit für die vulkanische Natur derselben eingetreteü.
Der erstere hat seine Ansicht nicht näher begründet, er spricht in
seiner bekannten Arbeit über die Gross-Gerauer Erdbeben nur seine
Ueberzeugung aus, dass alle ausgedehnteren Erdbeben als vulkanische
Erscheinungen aufzufassen seien. Dagegen hat Dieffenbach in der
schon mehrfach angeführten Schrift: „Plutonismus und Vulkanismus
in der Periode von 1868—1872,“ eingehend den Nachweis zu führen
gesucht, dass die Erdbeben dieser Periode im Rheingebiet auf vulkanische
Kräfte zürückzuführen seien. .
Seit jener Zeit aber haben sich unsere Anschauungen über die
Natur der Erdbeben sehr wesentlich geändert. Durch die Forschungen
namentlich der österreichischen Geologen wurden die engen
Beziehungen der Erdbeben zum Gebirgsbau klar gelegt. Es gelang
ihnen, sowohl in Süd-Italien, wie in den Alpen das Auftreten gewisser
Stosslinien nachzuweisen, welche mit Linien von geotektonischer
Bedeutung, insbesondere mit Verwerfungsspalten zusammenfallen.
Dementsprechend fassen jetzt die meisten Geologen und Geographen
die Mehrzahl der Erdbeben, welche nicht unmittelbar von Vulkanen
ausgehen, als geotektonische auf, indem sie als ihre Ursache die
Verschiebung zweier Schollen der festen Erdrinde längs Verwerfungsspalten
ansehen. Auch für die oberrheinischen Erdbeben hat sich
diese Auffassung bald Bahn gebrochen, da hier die Bedingungen für
das Auftreten geotektonischer Erdbeben in reichem Maasse vorhanden
sind.
Bekanntlich ist die gesammte oberrheinische Tiefebene als eine
grosse Grabenversenkung zwischen ihren Randgebirgen aufzufassen.
Ueber diese Thatsache besteht ein Zweifel nicht. Ob wir aber, wie
die Mehrzahl der französischen Geologen, zunächst eine Hebung der